Rechtsmissbrauch: Kettenbefristung an Uni kann zulässig sein

Gerichte urteilen häufiger über befristete Verträge von wissenschaftlichen Mitarbeitern an Hochschulen. Nun hat das BAG über einen Fall entschieden, in dem eine Wissenschaftlerin 22 Jahre lang über befristete Arbeitsverträge beschäftigt war – und stellte zumindest keinen Rechtsmissbrauch fest.

Die wiederholte Verlängerung befristeter Arbeitsverträge für Wissenschaftler an Hochschulen ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) auch bei insgesamt sehr langer Beschäftigungsdauer nicht zwingend rechtswidrig. Dienen solche "Kettenverträge" in einem erheblichen Zeitraum der beruflichen Qualifizierung der Wissenschaftler, spreche dies gegen eine missbräuchliche Ausnutzung der nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz möglichen Befristungen, urteilte das höchste deutsche Arbeitsgericht in Erfurt.

Wissenschaftlerin: in 22 Jahren nur befristete Arbeitsverträge

Der Fall: Dem Gericht lag der Fall einer Wissenschaftlerin vor, die an der Uni Leipzig von September 1989 bis Oktober 2011, also insgesamt 22 Jahre lang, über befristete Arbeitsverträge und zuletzt in Drittmittelprojekten beschäftigt war. Die rechtliche Grundlage für die ersten 17 Jahre waren vier befristete Arbeitsverträge. Während dieser Zeit schrieb sie eine Doktorarbeit und erwarb die Habilitation.

Anschließend war die Wissenschaftlerin vom März 1996 bis April 2007 als wissenschaftliche Assistentin im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Zeit tätig. Daran schlossen sich die letzten vier Jahre bis Oktober 2011 zwei auf den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung gestützte befristete Arbeitsverträge an.

Institutioneller Rechtsmissbrauch bei langer Beschäftigungsdauer

Die zuletzt vereinbarte Befristung bis Ende Oktober 2011 hielt die Frau für unwirksam. Das Arbeitsgericht hatte ihre Klage zurückgewiesen, das Landesarbeitsgericht Sachsen gab ihr Recht. Dagegen war der Freistaat Sachsen beim BAG in Revision gegangen, das bei der letzten Befristung keinen Rechtsmissbrauch sah.

Grundsätzlich könne die Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegens eines Sachgrunds aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam sein, urteilte das BAG. Dies gelte auch für den Hochschulbereich, wenn die Befristung auf den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung nach § 2 Abs. 2 des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) gestützt werde. Kriterien für rechtsmissbräuchliches Verhalten können insbesondere eine sehr lange Gesamtdauer des Beschäftigungsverhältnisses oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber sein.

Befristung: Qualifikation spricht gegen Missbrauch

Argumente gegen einen Rechtsmissbrauch der Befristungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG seien dagegen Beschäftigungszeiten im Hochschulbereich, die der wissenschaftlichen Qualifikation des Mitarbeiters dienen – und dies unabhängig davon, ob diesen Arbeits- oder Beamtenverhältnisse auf Zeit zugrunde liegen.

Im konkreten Fall konnten die BAG-Richter jedoch keine endgültige Entscheidung treffen. Es könne aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die Befristung durch den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung oder durch einen anderen Sachgrund gerechtfertigt ist. Daher muss sich nun das Landesarbeitsgericht die letzte Befristung nochmals genauer anschauen und prüfen.

Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. Juni 2016, Az. 7 AZR 259/14; Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 6. März 2014, Az. 6 Sa 676/13

dpa
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