Kündigung Betriebsrat: Entschädigung wegen fingierter Gründe

Der Sachverhalt hat alle Zutaten eines Krimis: Lockspitzel, Detektive, untergeschobene Gründe, 20.000 Euro Entschädigung. Konkret hatte ein Arbeitgeber versucht, ihm unliebsame Betriebsratsmitglieder zu kündigen. Dazu hat er ihnen Pflichtverletzungen untergeschoben. Dennoch scheiterte nun eine der beiden Entschädigungsklagen.

Auch wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht immer einig sind, war dieser Fall vor dem Arbeitsgericht Gießen doch besonders. Er zeigt, welche Energie ein Arbeitgeber an den Tag legen kann, um unliebsame Betriebsratsmitglieder loszuwerden. Dabei klingt der Sachverhalt ein wenig nach einem Krimi-Drehbuch: Mittels eingeschleuster Lockspitzel wollte der Arbeitgeber verschiedene Betriebsratsmitglieder in Verruf bringen, Kündigungsgründe provozieren und erfinden. 

Das Arbeitsgericht Gießen hat diese Vorgehensweise des Arbeitgebers nun als schwere Persönlichkeitsverletzung gewertet und ihn im Fall einer ehemaligen, stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden zur Zahlung von 20.000 Euro verurteilt.

Kündigung von unliebsamen Betriebsratsmitgliedern als Strategie

Bei dem Arbeitgeber handelte es sich um einen Betreiber von Senioreneinrichtungen. Er soll gemeinsam mit einem Rechtsanwalt im Jahr 2012 ein Strategiekonzept entwickelt haben, um – aus Arbeitgeber-Sicht – unliebsame Betriebsratsmitglieder loszuwerden. Dafür wurden Detektive als Lockspitzel eingeschleust, die die Betriebsratsmitglieder in Verruf bringen sollten und Kündigungsgründe provozieren und erfinden sollten.

Konkret sollte es angebliche Verstöße gegen das betriebliche Alkoholverbot ebenso wie vorgetäuschte Tätlichkeiten gegeben haben. Eine ehemalige stellvertretende Betriebsratsvorsitzende klagte deshalb vor Gericht auf Entschädigung, ebenso wie die ehemalige Betriebsratsvorsitzende.

Arbeitsgericht: Richter sehen fingierte Kündigungsgründe bestätigt

Im Prozess wurde ein Detektiv als Zeuge vernommen. Er konnte die strategische Vorgehensweise des Arbeitgebers bestätigen, mit der dieser unliebsame Betriebsratsmitglieder loswerden wollte. Dazu gehörte, dass der Arbeitgeber der ehemaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden einen Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot unterschob, um ihre fristlose Kündigung gerichtlich betreiben zu können.

Die eigentliche Betriebsratsvorsitzende wurde zudem von zwei weiteren Detektiven beschimpft und bespuckt, um sie zu einer Tätlichkeit zu provozieren. Da sie nicht zuschlug verletzte ein Detektiv den anderen. Diese Tätlichkeit wurde der Betriebsratsvorsitzenden untergeschoben.

Betriebsrat: Fingieren von Kündigungsgründen begründet Entschädigungsanspruch

Dennoch unterlag die ehemalige Betriebsratsvorsitzende vor Gericht. Sie hatte bereits 2014 mit dem Arbeitgeber einen Prozessvergleich vereinbart, der eine Ausschlussklausel enthielt. Diese wurde ihr nun in Bezug auf die Entschädigung zum Verhängnis und die entsprechende Klage von der Kammer abgewiesen. Die Klage der stellvertretenden ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden war dagegen erfolgreich.

Das Arbeitsgericht Gießen wertete das Vorgehen des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat, das dieser gemeinsam mit seinem Rechtsberater geplant hatte, als schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung (§§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB i.V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG). Beide wurden zu gemeinschaftlicher Entschädigungszahlung in Höhe von 20.000 Euro verurteilt.

Hinweis: Arbeitsgericht Gießen, Urteile vom 16.05.2019, Az:  3 Ca 433/17, Az: 3 Ca 433/17

Schlagworte zum Thema:  Kündigung, Betriebsrat, Urteil, Entschädigung