Fehlender Vermittlungsauftrag begründet Diskriminierung

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber Schadensersatz wegen Diskriminierung gefordert hatte. Das Arbeitsgericht entschied, dass die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Verfahrens- und Förderpflichten ein Anzeichen dafür ist, dass sich der Arbeitgeber nicht hinreichend um die Befolgung gekümmert hat und insbesondere seine Mitarbeiter nicht genügend geschult hat.

Der eine Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren geltend machende Bewerber ist mit einem Grad der Behinderung von 90 schwerbehindert. Er hat ein Studium der Betriebswirtschaftslehre und ein Jura-Studium vorzuweisen und darüber hinaus eine Promotion im rechtswissenschaftlichen Bereich. Er hat unter anderem als Rechtsanwalt gearbeitet und Startup-Unternehmen in den USA und Deutschland gegründet und verkauft. Zuletzt war er als Chief Innovation Evangelist in einem Unternehmen tätig.

Stellenausschreibung ohne Vermittlungsauftrag an die Arbeitsagentur

Beim beklagten Arbeitgeber sollte eine Stelle "Abteilungsreferent Digitalisierung & Automatisierung" geschaffen werden. Die Gesamtjahresvergütung sollte 85.000 Euro betragen. Der Arbeitgeber schrieb die Stelle aus, der zuständige Sachbearbeiter setzte allerdings nicht das erforderliche Häkchen in der Bewerberverwaltungssoftware, um einen Vermittlungsauftrag an die Bundesagentur für Arbeit zu erteilen.

Der Schwerbehinderte bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle. In seiner Bewerbung gab er seine Schwerbehinderung an. Gut zwei Wochen später forderte der Arbeitgeber von dem Bewerber eine Angabe zu seinen Gehaltsvorstellungen an. Eine weitere Woche später entschied der Arbeitgeber, dem schwerbehinderten Bewerber abzusagen. Per E-Mail wurde ihm mitgeteilt, dass seine Bewerbung nicht weiter berücksichtigt werden könne.

Diskriminierung durch Verletzung von Verfahrensbestimmungen?

Gut zwei Wochen nach dieser Absage wurde vom Arbeitgeber der Beschluss gefasst, bis auf Weiteres keinen Abteilungsleiter Digitalisierung & Automatisierung einzustellen. Daher wurde auch den weiteren 518 Bewerbern auf die Stelle abgesagt.

Kurz danach forderte der abgelehnte Bewerber den Arbeitgeber auf, ihm eine Entschädigung in Höhe von 37.500,00 € als Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, weil die Verfahrens- und Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen nicht eingehalten worden seien. Er machte unter anderem geltend, der Bundesagentur sei kein Vermittlungsauftrag erteilt worden. Der zuständige Sachbearbeiter habe das erforderliche Häkchen nicht nur aus bloßer Unachtsamkeit nicht gesetzt. Hier sei nicht von einem einmaligen Versehen auszugehen. Selbst bei einem Handeln aus Unachtsamkeit bei der Nichterteilung des Vermittlungsauftrags liege ein Indiz für eine Benachteiligung vor.

Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs erfüllt

Der Arbeitgeber bestritt eine Diskriminierung. Der schwerbehinderte Bewerber sei nur wegen seiner mangelnden fachlichen Eignung für die ausgeschriebene Stelle abgelehnt worden.

Das Arbeitsgericht sah die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG als erfüllt an und sprach dem abgelehnten Bewerber einen Schadensersatz in Höhe von 1,5 Monatsgehältern zu, bemessen am Jahresgehalt von 85.000 Euro, mit dem die Stelle ursprünglich dotiert war.

Arbeitgeber trägt Beweislast, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt

Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus. Der abgelehnte Bewerber hat ein hinreichendes Indiz im Sinne von § 22 AGG vorgetragen, das eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung vermuten lässt, denn der Arbeitgeber hat mit der Agentur für Arbeit nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX Verbindung aufgenommen. Es fehlt an der Erteilung eines Vermittlungsauftrags. Das spezielle Benachteiligungsverbot des § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verbietet eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Zwischen der Benachteiligung und der Schwerbehinderung muss ein Kausalzusammenhang bestehen.

Grundsätzlich trägt die Person, die einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend macht, die Darlegungslast für das Vorliegen seiner Voraussetzungen. § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang jedoch eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall der abgelehnte Bewerber Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Schwere des Verschuldens spielt keine Rolle

Im vorliegenden Fall liegt aufgrund des unterlassenen Vermittlungsauftrags ein Verstoß gegen § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX mit der Folge vor, dass die Vermutungswirkung nach § 22 AGG eingreift.

Bei schwerbehinderten Menschen begründet der Verstoß des Arbeitgebers gegen Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung im Sinne von § 22 AGG. Auf die Schwere des Verschuldens kommt es dabei nicht an. Werden die Verfahrens- und Förderpflichten nicht eingehalten, ist dies ein Anzeichen dafür, dass sich der Arbeitgeber nicht hinreichend um die Befolgung gekümmert hat und insbesondere seine Mitarbeiter nicht genügend geschult hat.

Hinweis: Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. August 2025, Az. 13 Ca 2388/25


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Schlagworte zum Thema:  Behinderung , Schwerbehinderte , Diskriminierung
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