Ermittlungsverfahren darf ins Arbeitszeugnis
Auf Straftaten von Beschäftigten können Arbeitgeber mit einer Abmahnung, aber auch einer ordentlichen oder sogar fristlosen Kündigung reagieren. Ist das Arbeitsverhältnis einmal beendet, stellt sich die Frage: Was davon darf ins Arbeitszeugnis? Dies gilt umso mehr, wenn es sich um ein laufendes Verfahren handelt und die Unschuldsvermutung gilt. Im vorliegenden Fall verlangte ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Korrektur seines Arbeitszeugnisses. Das Arbeitsgericht Siegburg entschied: Die Passage, in der erwähnt wird, dass der Arbeitnehmer entlassen wurde, weil ein Ermittlungsverfahren wegen Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie gegen ihn läuft, darf bleiben.
Der Fall: Arbeitnehmer verlangt Zeugniskorrektur
Der Arbeitnehmer war als Bezirkssozialarbeiter im Jugendamt beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählten unter anderem die Wahrnehmung des Kinderschutzes, der Krisenintervention und der Inobhutnahme von gefährdeten Kindern sowie die Betreuung von Kindern in Notsituationen.
Im Jahr 2023 wurden die Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers von der Polizei durchsucht und das Diensthandy des Arbeitnehmers, auf welches er sich mehrere kinder- und jugendpornographische Dateien schicken ließ, beschlagnahmt. Der Arbeitgeber erhielt einen Polizeibericht, in dem ihm wegen es dringenden Tatverdachts empfohlen wurde, dem Arbeitnehmer jeglichen Zugriff auf Kinder und Jugendliche zu verweigern. In diesem Bericht wurde auch ein früheres Ermittlungsverfahren wegen eines ähnlichen Vorfalls erwähnt. Der Arbeitgeber beendete daraufhin das Arbeitsverhältnis.
Arbeitszeugnis erwähnt als Kündigungsgrund Ermittlungsverfahren
Im Arbeitszeugnis, das er dem Mitarbeiter ausstellte, nannte er als Grund für die Entlassung, dass gegen diesen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Inhalte geführt werde.
Der Arbeitnehmer klagte vor Gericht auf Berichtigung seines Zeugnisses. Er machte geltend, dass das Verfahren noch nicht beendet sei und es sich bisher nur um einen Verdacht handele. Die Erwähnung im Arbeitszeugnis gefährde seine Suche nach einer neuen Stelle.
Der Arbeitgeber war der Meinung, dass er schon aus Haftungsgründen anderen Arbeitgebern gegenüber verpflichtet sei, das laufende Ermittlungsverfahren ins Arbeitszeugnis zu nehmen. Das Verfahren stehe schließlich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Sozialarbeiters.
ArbG Siegburg: Hinweis auf Ermittlungsverfahren darf ins Arbeitszeugnis
Das Arbeitsgericht Siegburg entschied, dass der Arbeitgeber das Zeugnis nicht korrigieren muss. Es sei zwar richtig, dass Arbeitszeugnisse dem Grundsatz nach wohlwollend formuliert sein müssen, stellte das Gericht fest. Grundsätzlich gelte aber auch das Gebot der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit. Potentielle neue Arbeitgeber müssten sich darauf verlassen können, dass das Zeugnis richtig ist.
Auch wenn die in der Rechtsprechung und Literatur überwiegende Meinung ist, dass laufende staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren grundsätzlich nicht im Zeugnis aufzunehmen sind, merkte das Arbeitsgericht Siegburg an, könne im Ausnahmefall eine Aufnahme in das Zeugnis gerechtfertigt sein. Im vorliegenden Fall ging das Gericht davon aus, dass der Arbeitgeber verpflichtet gewesen sei, diesen speziellen Tatverdacht in das Arbeitszeugnis aufzunehmen.
Hierfür spreche nicht allein der Schutz eines zukünftigen Arbeitgebers, sondern vielmehr der Schutz der Kinder, die mit dem Arbeitnehmer berufsbedingt in Kontakt gelangen könnten.
Hinweis: Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 23. Januar 2025; Az. 5 Ca 1465/24
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