Pauschale Freistellungsklausel im Arbeitsvertrag ist unzulässig
Nach einer Kündigung folgt für Beschäftigte oftmals die sofortige Freistellung. Aus eigenem Interesse verzichtet der Arbeitgeber damit auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, während er den Lohn weiterzahlen muss.
Zum Streit kam es vorliegend, weil der Arbeitgeber gleichzeitig mit der Freistellung den Dienstwagen zurückforderte und dem Arbeitnehmer in der Folge eine weitere private Nutzung nicht mehr möglich war. Vor dem LAG Niedersachsen klagte er erfolgreich eine Entschädigung für die entgangene Privatnutzung seines Dienstwagens ein.
Der Fall: Freistellung und Dienstwagenrückforderung
Der Arbeitnehmer war seit 2022 als Gebietsleiter beschäftigt und berechtigt, seinen Dienstwagen auch privat zu nutzen. Als er 2024 mit sechsmonatiger Kündigungsfrist selbst ordnungsgemäß zu Ende Oktober kündigte, stellte ihn der Arbeitgeber im Mai einseitig von der Arbeit frei und verlangte die Rückgabe des Dienstwagens zu Ende Juni. Dabei stützte er sich auf eine formularmäßige Klausel im Arbeitsvertrag, die den Arbeitgeber bei oder nach Ausspruch einer Kündigung zu einer Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung berechtigte. Der Dienstwagenvertrag sah für diesen Fall den Widerruf sowohl der dienstlichen als auch der privaten Nutzung des Firmenfahrzeugs vor.
Arbeitnehmer verlangt Nutzungsausfallentschädigung
Der Arbeitnehmer gab den Dienstwagen wie gefordert zurück. Es handelte sich um das einzige, dem Arbeitnehmer zur Verfügung stehende Fahrzeug. Vor Gericht verlangte er vom Arbeitgeber für den Zeitraum von Juli bis November 2024 eine Entschädigung, da er den Dienstwagen während der Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht mehr nutzen konnte. Nach seiner Auffassung war sowohl die Freistellungsregelung im Arbeitsvertrag als auch die Widerrufsklausel im Dienstwagenvertrag unwirksam. Zudem habe der Arbeitgeber bei der Ausübung des Widerrufsrechts nicht hinreichend billiges Ermessen gewahrt.
Arbeitgeber muss Entschädigung leisten
Das LAG Niedersachsen stellte fest, dass die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Widerruf der Dienstwagennutzung nicht vorlagen. Die Freistellung innerhalb der Kündigungsfrist war aus Sicht des Gerichts weder aufgrund der pauschalen Freistellungsklausel im Arbeitsvertrag noch aufgrund anderer Gesichtspunkte rechtmäßig.
Pauschale Freistellungsklausel benachteiligt Arbeitnehmer
Das Gericht betonte, dass Beschäftigte auch nach einer Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist grundsätzlich einen Beschäftigungsanspruch haben. Eine einseitige Freistellung von der Arbeit durch den Arbeitgeber dürfe nur dann erfolgen, wenn dieser ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse habe. Das verlangt nach Ansicht der Richter ein konkretes Freistellungsinteresse des Arbeitgebers - wie es beispielsweise die Gefahr der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen, eine befürchtete Konkurrenztätigkeit oder die mögliche Mitnahme von Kunden begründen könne.
Eine Klausel, die den Arbeitgeber ohne weitere Voraussetzungen zur Freistellung eines Arbeitnehmers bis zur Kündigungsfrist berechtigt, genügt dagegen den Anforderungen nicht. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 2 BGB fordere zusätzlich, dass die zur Freistellung berechtigenden Gründe konkret in der Vereinbarung genannt werden. Die vorliegende pauschale Klausel erklärte das Gericht daher für unwirksam.
Hinweis: LAG Niedersachsen, Urteil vom 22. Mai 2025, Az. 5 SLa 249/25
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