Dynamische Bezugnahmeklausel gilt auch nach Betriebsübergang

Erwirbt ein Arbeitgeber einen Betrieb, ist er auch nach diesem Betriebsübergang an eine einzelvertragliche Klausel gebunden, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist. Nach einem Abstecher zum EuGH hat sich erneut das BAG mit dem Fall beschäftigt – und nun in der Sache entschieden.

Der konkrete Fall hatte schon einige Gerichte beschäftigt. Zuletzt hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) – auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts (BAG) – die Rechtsprechung der Erfurter Richter grundsätzlich bestätigt (EuGH, Urteil vom 27.04.2017, Az: C-680/15 und C-681/15). Allerdings gaben die Luxemburger Richter auch Vorgaben für den konkreten Fall weiter. So wies der EuGH darauf hin, dass der Erwerber eines Unternehmens in der Lage sein müsse, nach dem Übergang, die für die Fortsetzung seiner Tätigkeit aus wirtschaftlicher Sicht erforderlichen Anpassungen vorzunehmen.

Das BAG hatte nun den Sachverhalt erneut zu begutachten und entschied, dass die dynamische Bezugnahme durch den Betriebsübergang nicht beseitigt wird. 

Der Fall: Arbeitsvertrag enthält dynamische Bezugnahmeklausel

In dem einen der beiden Fälle ist eine Arbeitnehmerin seit 1986 ununterbrochen in einem Krankenhaus, das sich bei ihrem Eintritt noch in kommunaler Trägerschaft befand, als Stationshilfe beschäftigt. 1995 übertrug der Kreis das Krankenhaus auf eine privatrechtlich organisierte GmbH. Der Betriebsteil, in dem die Arbeitnehmerin beschäftigt war, ging zudem 1997 auf die KLS Facility Management GmbH über. Diese gehörte keinem Arbeitgeberverband an, der an Tarifverhandlungen und der Annahme eines Tarifvertrags beteiligt war.

Die geschlossenen Arbeitsverträge enthielten eine "dynamische" Verweisungsklausel, wonach sich das Arbeitsverhältnis – wie vor dem Übergang – nach dem Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT‑G II), aber künftig nach den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen richten sollte. Später wurde die KLS FM GmbH Teil eines Krankenhaus-Konzerns. 2008 ging der Betriebsteil, in dem die Arbeitnehmerin beschäftigt war, auf eine andere Konzerngesellschaft, nämlich Asklepios, über.

Neue Arbeitgeberin fühlt sich nach Betriebsübergang  nicht an Dynamik gebunden

Mit ihrer Klage hat die Arbeitnehmerin die Anwendung des TVöD-VKA und des TVÜ-VKA auf ihr Arbeitsverhältnis begehrt. Sie ist - anders als die Arbeitgeberin - der Auffassung, diese seien als den BMT-G II ersetzende Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis dynamisch anwendbar. Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben.

EuGH: Vereinbarkeit mit europäischem Recht gegeben

Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB mit dem Unionsrecht ersucht (BAG, Beschluss vom 17. 06. 2015, Az: 4 AZR 95/14 (A). Mit Urteil vom 27. 04. 2017 hat der EuGH entschieden, dass die RL 2001/23/EG in Verbindung mit Art. 16 GRC der dynamischen Fortgeltung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber nicht entgegen steht, sofern das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht. Als eine solche komme im deutschen Recht eine Änderungskündigung in Betracht.

BAG: Arbeitgeberin muss Dynamik der Klausel gegen sich gelten lassen

Die Revision der Arbeitgeberin war daher vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Der vierte Senat entschied, dass die für die Betriebsveräußererin und die Arbeitgeberin verbindliche dynamische Bezugnahmeklausel auch im Arbeitsverhältnis der Prozessparteien weiterhin eine dynamische Wirkung hat.

In der Begründung führte er bezugnehmend auf das EuGH-Urteil an, dass ein Betriebserwerber nach nationalem Recht zwei Möglichkeiten hat eine erforderliche Anpassung der arbeitsvertraglichen Bedingungen vorzunehmen: Sowohl – einvernehmlich – im Wege des Änderungsvertrags als auch – einseitig – im Wege der Änderungskündigung (§ 2 KSchG). Unter welchen Voraussetzungen eine Änderungskündigung zum Zwecke der „Entdynamisierung“ einer Bezugnahmeklausel im Einzelfall sozial gerechtfertigt ist, musste das Gericht aber vorliegend nicht entscheiden, da die Arbeitgeberin keine Änderungskündigung erklärt hatte.

Hinweis: BAG, Urteil vom 30. August 2017, Az: 4 AZR 95/14, Vorinstanz: Hessisches LAG, Urteil vom 10. Dezember 2013, Az: 8 Sa 512/13