Sozialplan: Keine Extraregelung für Schwerbehinderte bei Abfindungen
Die Bundesrichter bescheinigten einem Arbeitgeber aus Nordrhein-Westfalen am Dienstag in Erfurt, mit einer Sozialplanregelung gegen das Diskriminierungsverbot nach dem Gleichbehandlungsgesetz verstoßen zu haben. Der Sozialplan hatte älteren Schwerbehinderten mit 10.000 Euro deutlich niedrigere Abfindungen zugesprochen als älteren, nichtbehinderten Arbeitnehmern mit bis zu 40.000 Euro.
Der Fall: Schwerbehinderte mit Rentenanspruch im Sozialplan schlechter gestellt
In dem entschiedenen Fall hatten die Betriebsparteien einen Sozialplan vereinbart, demnach sich die Abfindung für die Milderung der Nachteile aus einem Arbeitsplatzverlust wegen einer Betriebsänderung individuell nach dem Bruttomonatsentgelt, der Betriebszugehörigkeit und einem Faktor (Formelberechnung) berechnet. Die hiernach ermittelte Abfindung war bei vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern, welche nach einem Arbeitslosengeldbezug von längstens zwölf Monaten die vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erstmals in Anspruch nehmen können, auf maximal 40.000 Euro begrenzt. Hingegen waren Mitarbeiter, die aufgrund einer Schwerbehinderung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rente beanspruchen können, von der individuellen Abfindungsberechnung ausgenommen. Sie hätten laut Sozialplan eine Abfindungspauschale in Höhe von 10.000 Euro erhalten sowie einen Zusatzbetrag von 1.000 Euro, der allen schwerbehinderten Arbeitnehmern zusteht.
Kläger erhielt 30.000 Euro weniger Abfindung
Der 1950 geborene und schwerbehinderte Kläger war seit Mai 1980 bei der Beklagten beschäftigt. Anlässlich der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 31. März 2012 erhielt er neben dem Zusatzbetrag weitere 10.000 Euro als Abfindung, die sich nach der Formelberechnung ansonsten auf 64.558 Euro belaufen hätte. Mit seiner Klage hat er zuletzt die Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 30.000 Euro unter Berücksichtigung der Begrenzung für rentennahe Jahrgänge verlangt.
BAG bestätigt Entscheidungen der Vorinstanzen
In diesem Umfang haben die Vorinstanzen der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Differenziert ein Sozialplan für die Berechnung einer Abfindung zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen, hat ein damit einhergehender Systemwechsel die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu beachten.
Unmittelbar an das Merkmal der Behinderung anknüpfende Ungleichbehandlung
In der Regelung über den pauschalierten Abfindungsbetrag für Arbeitnehmer, die wegen ihrer Schwerbehinderung rentenberechtigt sind, liegt eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Ungleichbehandlung. Diese benachteiligt behinderte Arbeitnehmer, denen nach einer für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer geltenden Berechnungsformel ein höherer Abfindungsbetrag zustehen würde. Sie darf gemäß § 7 Abs. 2 AGG ihnen gegenüber nicht angewendet werden. (BAG, Urteil vom 17. November 2015, 1 AZR 938/13).
Kürzung der Abfindung bei nichtbehinderten "rentennahen" Arbeitnehmern zulässig
Bei nichtbehinderten "rentennahen" Arbeitnehmern hingegen ist eine Kürzung der Sozialplanabfindung zulässig. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einem Fall im März 2013 entschieden. Der Kläger in dem damaligen Fall hatte die geringeren Abfindungen für Mitarbeiter, die bei Arbeitsplatzverlust vorzeitig in Rente gehen können, für eine unzulässige Altersdiskriminierung gehalten. Das Bundesarbeitgericht war anderer Meinung.
Kürzung der Sozialplanabfindung stellt keine Altersdiskriminierung dar
Die an das Lebensalter anknüpfende Berechnung der Abfindung sei nach § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG zulässig. Wegen der Überbrückungsfunktion einer Sozialplanabfindung sei es nicht zu beanstanden, wenn die Betriebsparteien bei rentennahen Arbeitnehmern nur deren bis zum vorzeitigen Renteneintritt entstehenden wirtschaftlichen Nachteile nach einer darauf bezogenen Berechnungsformel ausgleichen. (BAG, Urteil vom 27.3.2013, 1 AZR 813/11).
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