Rz. 9

Mit Abs. 1 wird die entsprechende Anwendung des GWB über die Zusammenschlusskontrolle bei freiwilligen Vereinigungen von Krankenkassen vorgeschrieben. Die Anordnung der (nur) entsprechenden Anwendung des GWB beruht darauf, dass Krankenkassen sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 16.3.2004, C-264/01 u. a., SozR 4-6035 Art. 81 Nr. 1) als auch des BSG (Urteil v. 22.6.2010, B 1 A 1/09 R, BSGE 106 S. 199) keine Unternehmen sind, auf die das GWB unmittelbar anwendbar wäre. Erst durch die jetzt durch die Vorschrift vorgesehene Anordnung der (entsprechenden) Anwendung des GWB wird die Zuständigkeit und Beteiligung des BKartA für das Verfahren bei der Vereinigung von Krankenkassen begründet.

 

Rz. 10

Die Anordnung der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des GWB, das inhaltlich auf den Zusammenschluss von privatwirtschaftliche Unternehmen durch den Erwerb eines anderen Unternehmens oder wesentlicher Teile eines anderen Unternehmens abstellt (§ 37 GWB), lässt jedoch, trotz der Modifizierung einiger Vorschriften in Abs. 2, viele Rechtsfragen offen (krit. zu Recht daher Mühlhausen, in: Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl., § 172a Rz. 11). Insbesondere führt, anders als beim Zusammenschluss privater Unternehmen nach § 37 GWB, die Vereinigung von Krankenkassen nicht dazu, dass sie die marktbeherrschende Stellung einer dieser Krankenkassen begründet oder verstärkt, sondern es entsteht ein gänzlich neuer Krankenversicherungsträger und die bisherigen Krankenkassen gehen unter (§ 144 Abs. 4). Daher ist es zwar konsequent, die Zusammenschlusskontrolle vorzuverlegen und die Genehmigung der Vereinigung nach § 144 Abs. 3 und der darauf verweisenden Vorschriften von der vorherigen kartellrechtlichen Prüfung abhängig zu machen, es wäre jedoch einfacher gewesen, die Genehmigung der Vereinigung auch von einer wettbewerbsrechtlichen Vereinigungskontrolle durch die Aufsichtsbehörde abhängig zu machen, zumal die Aufsichtsbehörde die auch sachnähere Behörde für die Beurteilung der Gründe und Folgen einer Krankenkassenvereinigung wäre (vgl. Komm. zu § 69).

 

Rz. 11

Die Anwendung des GWB ist auf die Fälle der freiwilligen Vereinigung von Krankenkassen (§ 144 Abs. 3, § 150 Abs. 2 Satz 1, § 160 Abs. 3 Satz 3, § 168a Abs. 1 Satz 3 und § 171a Abs. 1 Satz 3) beschränkt. Eine Zusammenschlusskontrolle findet daher nicht statt, soweit ein Zusammenschluss durch Rechtsverordnung (z. B. nach § 143 Abs. 2, § 145, § 168a) erfolgt und noch erfolgen könnte (ebenso Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 172a Rz. 10, Stand: September 2014; Soltèsz/Werner, KrV 2013 S. 185, 188).

 

Rz. 12

Selbstverständlich erfolgt daher auch keine Zusammenschlusskontrolle, wenn durch Gesetz eine Vereinigung von Krankenkassen vorgesehen wird, wie dies z. B. durch das Gesetz zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuorganisationsgesetz – LSV-NOG) v. 12.4.2012 (BGBl. I S. 579) erfolgte, durch den die bisherigen landwirtschaftlichen Krankenkassen in die bundesweit zuständige Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) als auch Träger der Krankenversicherung überführt wurden. Obwohl zur Zeit des Gesetzentwurfes für das LSV-Neuorganisationsgesetz (LSV-NOG) im November 2011 die Frage der Anwendung des GWB jedenfalls für die Zusammenschlusskontrolle und damit die Frage nach der Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs diskutiert wurde, findet sich in der Gesetzesbegründung zum LSV-NOG (BT-Drs. 17/7916) kein Hinweis auf wettbewerbsrechtliche Auswirkungen oder Aspekte des Gesetzes, obwohl für die nach dem KVLG 1989 Pflichtversicherten die SVLFG alleiniger bundesweiter Krankenversicherungsträger ist, die in soweit faktisch eine "Monopolstellung" inne hat; das gilt auch für die Nachfrage nach Leistungen für die dort Versicherten. Auch für die Fälle der Vereinigung von Krankenkassen durch Rechtsverordnung sind in die entsprechenden gesetzlichen Regelungen keine Vorbehalte eingefügt worden, die die Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch den so erfolgten Zusammenschluss ausschließen.

 

Rz. 13

Keine Anwendung finden die Regelungen der Zusammenschlusskontrolle auch auf sonstige organisatorische Veränderungen des Zuständigkeitsbereichs einer Krankenkasse. Weder die Ausdehnung einer Betriebskrankenkasse auf andere Betriebe desselben Arbeitgebers (§ 149 und Komm. dort) noch die Ausdehnung des Zuständigkeitsbereichs einer Innungskrankenkasse infolge der Vereinigung von Handwerksinnungen auf weitere Handwerksinnungen (§ 159 Abs. 1) und insbesondere auch nicht die Anpassung durch die zuständige Aufsichtsbehörde, wenn sich auf Grund von Änderungen des Handwerksrechts der Kreis der Innungsmitglieder einer Trägerinnung verändert (§ 159 Abs. 2 Satz 1), führen zur Notwendigkeit einer Zusammenschlusskontrolle. § 160 Abs. 2 regelt in sich geschlossen die zwingende Vereinigung der Innungskrankenkassen, wenn sich deren Trägerinnungen vereinigen, so dass hier keine freiwillige Vereinigung vorliegt (für eine entsprechende Anwendu...

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