Ausgehend von diesen Grundlagen entwickelten sich in Rechtsprechung und Literatur die Zielsetzungen und Begriffe im Arbeitsrecht. Das Arbeitsrecht soll nicht alles, was mit "Arbeit" zu tun hat regeln, sondern ist nur die Summe der rechtlichen Regelungen, die sich auf eine in abhängiger Tätigkeit geleistete Arbeit beziehen. Arbeit i. S. d. Arbeitsrechts wird von Arbeitnehmern geleistet. Diese Arbeitnehmer sind persönlich abhängig, weil sie die Arbeit persönlich erbringen müssen (§ 613 BGB) und dem Weisungsrecht (= Direktionsrecht) des Arbeitgebers hinsichtlich des Orts, der Art und die Zeit der Arbeitsleistung unterliegen.[1] Die Arbeitnehmer sind aber in aller Regel auch wirtschaftlich abhängig, weil sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts auf die Ausnutzung ihrer Arbeitskraft angewiesen sind. Welches dieser Kriterien schwerer wiegt, ist aktuell umstritten. Die Beantwortung der Frage hat allerdings schwerwiegende Konsequenzen.

Der Arbeitgeber muss sein Unternehmen nach wirtschaftlichen Grundsätzen führen. Deshalb ist er mit Blick auf die

  • Konkurrenten: an einer Kostensenkung,
  • Investoren im eigenen Betrieb: an einer Gewinnmaximierung,
  • rasanten Marktveränderungen: an einer schnellen Entscheidungsfindung und deren unverzüglichen Umsetzung interessiert.

Bei einem großen zur Verfügung stehenden Arbeitsmarkt (Überangebot an geeigneten Arbeitskräften), kann dieses Ziel rein wirtschaftlich betrachtet durch Zahlung niedriger Löhne, der Möglichkeit jederzeitiger Personalauswechslung, alleiniger Entscheidungsbefugnis und sehr weitgehendem Weisungsrecht im Arbeitsverhältnis erreicht werden. Dabei stehen dem Arbeitgeber

  • die Verfügungsmöglichkeit über die Produktionsmittel,
  • die Möglichkeiten der Gründung, Auf-, Abspaltung und Verlagerung von Unternehmen (= der Rechtsträger, z.B. AG, GmbH, KG, OHG, e. V.)[2], Betrieben (= die organisatorische Einheit im Hinblick auf bestimmte arbeitstechnische Zwecke)[3] oder Betriebsteilen sowie die
  • faktische Möglichkeit der Vertragsgestaltung[4] zur Verfügung.

Der Arbeitnehmer ist dagegen doppelt abhängig (persönlich und wirtschaftlich). Sein vorrangiges Interesse besteht an

  • hohem Lohn
  • einem gesicherten Arbeitsplatz
  • zusätzlicher Altersversorgung
  • möglichst weitgehender Beteiligung an Entscheidungsprozessen
  • weitgehender Einschränkung der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers.

Ihm stehen nur die Möglichkeiten, qualifiziertes Wissen zu erwerben und sich gemeinsam mit anderen (kollektiv) um Veränderungen zu bemühen, zur Verfügung.

Der Konflikt zwischen den gegenläufigen Interessen liegt auf der Hand, zwischen denen das Arbeitsrecht einen Ausgleich finden soll.

Da das Kräftegleichgewicht zu Lasten des Arbeitnehmers verschoben ist, wirkt das heutige Arbeitsrecht vor allem als Sonderrecht zum Schutz der Arbeitnehmer.[5] Es ist das Ergebnis einer über hundertjährigen Entwicklung. Besonders in der Zeit der industriellen Revolution hat sich gezeigt, daß der einzelne Arbeitnehmer aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Unternehmer der sozial Schwächere ist und daher eines besonderen Schutzes bedarf.

Ziel des Arbeitsrechts ist es, einen Ausgleich für die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers unter Beachtung der gegenläufigen Interessen der Beteiligten zu bilden. Denn durch seine persönliche Abhängigkeit ist der Arbeitnehmer gehindert, seine Arbeitskraft und seine Fähigkeiten nach Belieben je nach Marktangebot anderweitig zu verwerten.

[1] Schaub AH § 2 II. 1., S. 2.
[3] Vgl. hierzu Schaub AH § 18 I. 1., S. 80.
[4] Zur Auswertung von 921 Arbeitsverträgen unterschiedlicher Bereiche: Preis S. 51 ff, 58.
[5] Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Übersicht über das Recht der Arbeit 1989, Nr. 1.8, S. 26.

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