Rz. 7

Abs. 4 regelt eine besondere Fallgestaltung der Abtretung von Arbeitsentgeltansprüchen. Vom Regelungsgehalt des Abs. 4 wird nur die fremdbestimmte Vorfinanzierung von Arbeitsentgeltansprüchen erfasst, die vorrangig im Interesse des Finanzierenden liegt (z. B. zuletzt SG Speyer, Urteil v. 25.4.2018, S 1 AL 181/16 m. w. N.). Nicht erfasst werden von Abs. 4 bereits erarbeitete Arbeitsentgeltansprüche, die an einen Dritten abgetreten werden. Abs. 4 bezieht sich nur auf die kollektive Vorfinanzierung. Die individuelle Vorfinanzierung, bei denen sich Arbeitnehmer ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt vor Insolvenzeröffnung vorfinanzieren lassen, bleibt unberührt (Hunold, NZI 2015 S. 785 m. w. N.). Eine Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte mittels des Insolvenzgeldes dient dazu, die Arbeitnehmer durch die Zahlung des Arbeitsentgelts zur Weiterarbeit zu bewegen. Mit der Vorfinanzierung können insofern kurzfristige Unternehmenskrisen überwunden werden. Die Vorfinanzierung ist grundsätzlich zulässig. Mit Abs. 4 unternimmt der Gesetzgeber einen neuerlichen Versuch, Missstände bei der Vorfinanzierung von Arbeitsentgelt (z. B. Hinauszögern der Insolvenz, Bevorzugung von Gläubigern durch das Ausklammern von Arbeitsentgeltansprüchen aus den Konkursforderungen, gezielte Bevorzugung bestimmter Gläubiger durch Schuldtilgung mit in der Zwischenzeit noch erwirtschafteten Einnahmen, Ausgliedern rentabler Unternehmensteile) zu unterbinden. Die Vorgängervorschrift (§ 141k Abs. 2a AFG), nach der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu ihrer Vorfinanzierung abgetretene oder verpfändete Arbeitsentgeltansprüche einen Anspruch auf Konkursausfallgeld (Kaug) nur dann begründeten, wenn im Zeitpunkt der Übertragung oder Verpfändung der neue Gläubiger oder Pfandgläubiger nicht zugleich Gläubiger des Arbeitgebers oder an dessen Unternehmen beteiligt war, konnte den Missbrauch bei der Vorfinanzierung von Arbeitsentgelt noch nicht ausschließen. Das BSG hat es in seinem Urteil v. 22.3.1995 (10 RAr 1/94) z. B. als möglich, aber missbräuchlich angesehen, einzelnen Gläubigern oder Gläubigergruppen Sondervorteile auf Kosten der Konkursausfallversicherung zu verschaffen, indem die Produktion mit Hilfe einer Kaug-Vorfinanzierung aufrechterhalten wird, der Verwertungserlös aber ausschließlich bestimmten Gläubigern zufließt.

 

Rz. 8

Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, weiterhin arbeitsplatzerhaltende Sanierungsmaßnahmen über eine Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte zu ermöglichen. Abs. 4 schließt die beteiligten Gläubigerbanken und die am Unternehmen Beteiligten, die gerade ein besonderes eigenes Interesse an der arbeitsplatzerhaltenden Sanierung des Betriebes haben, nicht mehr aus dem Kreis der möglichen Kreditgeber zur Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte aus. Wird die Arbeitsentgeltforderung vor dem Insolvenzereignis zur Sicherung der Vorfinanzierung abgetreten oder verpfändet, ist die Wirksamkeit dieses Rechtsgeschäfts auch für den Anspruch auf Insolvenzgeld von der Zustimmung der Agentur für Arbeit abhängig. Durch dieses Zustimmungserfordernis soll eine größere Transparenz in die Sanierungsbemühungen gebracht werden. Die Agentur für Arbeit darf der Übertragung oder Verpfändung nur zustimmen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass mit der Vorfinanzierung ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze erhalten werden kann. Hinsichtlich der Erheblichkeit des Teiles der Arbeitsplätze, die erhalten werden sollen, sollte auf den Maßstab des § 101 Abs. 1 Nr. 2 abgestellt werden, der seinerseits auf § 17 Abs. 1 KSchG verweist.

 

Rz. 8a

Um eine solche Prognoseentscheidung treffen zu können, müssen der Agentur für Arbeit entsprechende Tatsachen mitgeteilt werden. Beurteilungsgrundlage sind die wirtschaftliche Lage des Schuldners und die Verhältnisse seines Unternehmens, wie sie sich im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zustimmung zur Vorfinanzierung darstellen. Nach der Praxis der Bundesagentur ist es ausreichend, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass die Erhaltung eines erheblichen Teils der Arbeitsplätze überwiegend wahrscheinlich ist. Eine – gegenüber der Prognoseentscheidung – nachträglich eingetretene ungünstigere wirtschaftliche Entwicklung bleibt dabei ohne Auswirkung.

 

Rz. 9

Die Zustimmung der Agentur für Arbeit ist ein Verwaltungsakt. Die Zustimmung kann sowohl im Sinne einer vorherigen Einwilligung als auch als nachträgliche Genehmigung erteilt werden. Gegen die ablehnende Entscheidung der Agentur für Arbeit ist der Klageweg vor den Sozialgerichten eröffnet, § 51 SGG. Die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes ist gegeben, § 86b SGG.

 

Rz. 10

Die Zustimmung ist von einer positiven Prognoseentscheidung der Agentur für Arbeit abhängig. Damit kommt der Agentur für Arbeit die schwierige Aufgabe zu, ein Sanierungskonzept auf Schlüssigkeit und Realisierbarkeit zu überprüfen. Dies ist mangels spezifischer betriebswirtschaftlicher Kenntnisse der Mitarbeiter regelmäßig nur summarisch möglich. Beurteilungsgrundlage sind die wirtschaftliche Lage...

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