Die Verletzung echter Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in einer mitbestimmungswichtigen Angelegenheit führt regelmäßig dazu, dass eine einseitige Maßnahme oder Anordnung des Arbeitgebers auch gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer unwirksam ist. Dies ist der wesentliche Inhalt der sog. "Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung".

 
Praxis-Beispiel

In der Krankenhaus GmbH verhängt der Personalleiter ohne die Zustimmung des Betriebsrats ein Alkoholverbot im gesamten Betriebsbereich. Dieter Durstig, der eine staubige Schleifarbeit in der Werkstatt macht, möchte auf sein Fläschen Bier nicht verzichten. Er wird von Personalleiter erwischt, als er in der Frühstückspause zur Flasche greift. Der Personalleiter spricht eine Abmahnung aus, gegen die sich Dieter Durstig vor dem Arbeitsgericht wehrt.

Dieter Durstig wird Erfolg haben. Zwar hat er gegen das allgemeine Alkoholverbot verstoßen. Das Verbot war jedoch nicht wirksam, da die Frage des Alkoholgenusses im Betrieb nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 als eine Frage der Ordnung des Betriebs der echten Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Der Betriebsrat hatte seine Zustimmung jedoch nicht erteilt.

Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung ist die Anordnung des Arbeitgebers unwirksam und es existiert rechtlich gesehen kein Alkoholverbot, gegen das Dieter Durstig verstoßen haben könnte. Die Abmahnung ist zu Unrecht erfolgt, da Dieter Durstig keinen Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten begangen hat.

Diese Unwirksamkeit gilt aber grundsätzlich nur bezüglich solcher Maßnahmen, die für den Arbeitnehmer belastend sind.

 
Praxis-Tipp

Ordnet der Arbeitgeber Überstunden ohne die Zustimmung des Betriebsrats an, so ist zwar die Überstundenanordnung an sich unwirksam (nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 hat der Betriebsrat auch hier ein echtes Mitbestimmungsrecht), jedoch behält der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch für die geleistete Mehrarbeit. Zahlt der Arbeitgeber übertarifliche Zulagen, ohne dass der Betriebsrat dem System der Zulagengewährung zugestimmt hat, so kann der Arbeitgeber nicht die einmal gezahlten übertariflichen Zulagen zurückfordern. Andererseits steht den Arbeitnehmern, die bisher keine Zulage erhalten haben, aufgrund der Verletzung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrats eine Zulage nicht zu.

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