Unklar ist, inwieweit die Regelung des § 2 Abs. 1 MiLoG einer flexiblen Verteilung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit über die Monatsgrenze hinweg entgegensteht. Es stellt sich vorrangig die Frage, ob in Monaten mit einer hohen Stundenleistung dennoch für die geleisteten Stunden der Mindestlohn gezahlt werden muss oder ob die Vereinbarung einer verstetigten Vergütung hier ausreicht.

 

Beispiel 1

Ein vollzeitbeschäftigter Fachangestellter für Bäderbetriebe (EG 5 St. 3) arbeitet in einem Freibad während der Badesaison 10 Stunden täglich bzw. an 6 Tagen in der Woche 60 Stunden die Woche. Im Oktober 2022 kommt er so auf 27 Arbeitstage mit 270 tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Es ist ein Arbeitszeitkonto errichtet und von der Möglichkeit des § 6 Abs. 2 Satz 1 TVöD wird Gebrauch gemacht. Die "Mehrleistung" zu der mit dem Monatstabellenentgelt abgegoltenen regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit wird zu anderen Zeiten durch entsprechende geringere Inanspruchnahme des Beschäftigten ausgeglichen.

Hier ist der Anspruch auf den Mindestlohn nicht mehr gewahrt. Der Mindestlohnanspruch für 270 Arbeitsstunden beträgt 3.350,07 EUR. Das Tabellenentgelt eines vollbeschäftigten Fachangestellten für Bäderbetriebe der Entgeltgruppe 5 Stufe 3 i. H. v. 3.245,11 EUR (s. Lösungsansätze dieser Problematik weiter unten).

Bei Beschäftigten mit geringerem Tabellenentgelt oder bei Nichtvollbeschäftigten, die während der Saison als Vollbeschäftigte eingesetzt werden und außerhalb der Saison zum Arbeitszeitausgleich ganz oder teilweise von der Arbeit freigestellt werden, kann es in solchen Fällen zu einer Unterschreitung des auf den Monat bezogenen Mindestlohnanspruchs durch den alleinigen Anspruch auf das Tabellenentgelt kommen.

 

Beispiel 2

Ein Helfer in einer Gärtnerei ist in die EG 1 Stufe 2 , eingruppiert. Es ist ein Vollzeitarbeitsverhältnis vereinbart. Es ist ein Arbeitszeitkonto errichtet und von der Möglichkeit des § 6 Abs. 2 Satz 1 TVöD wird Gebrauch gemacht. Der Mitarbeiter arbeitet in den Sommermonaten teilweise bis zu 220 Std. pro Monat. Die über 39 Std. pro Woche hinausgehende Arbeitszeit wird seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und in den Wintermonaten ausgeglichen. Es wird ein verstetigtes monatliches Entgelt gezahlt.

Das Tabellenentgelt i. H. v. 2.355,52 EUR unterschreitet bei 220 Std./Monat ebenfalls den Mindestlohn (s. Lösungsansätze dieser Problematik weiter unten).

Zu diesen in der Praxis gebräuchlichen und bewährten Arbeitszeitmodellen finden sich weder in den aktuellen Aussagen des BMAS noch in der Fachliteratur klare Aussagen. Soweit das Problem überhaupt gesehen wird, wird davon ausgegangen, dass derartige Arbeitszeitgestaltungen nur zulässig sind, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 MiLoG eingehalten sind. Die ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit wird der von § 2 Abs. 2 vorausgesetzten Mehrarbeit gleichgestellt. So wird vertreten, dass bei einem verstetigten Arbeitseinkommen in Form eines Jahresgehalts eine über den Monat hinwegreichende ungleiche Verteilung der Arbeitszeit an dem Fälligkeitsrahmen des § 2 Abs. 1 MiLoG scheitert. In diesem Fall verbiete sich eine auf das Jahr bezogene Durchschnittsbetrachtung, da sonst nicht gewährleistet werde, dass in Monaten mit erhöhter Arbeitsbelastung aufgelaufene Arbeitsstunden innerhalb des Fälligkeitsrahmens des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG vergütet werden.[1] Teilweise wird angenommen, dass bei diskontinuierlichem Arbeitsanfall zur Prüfung der Einhaltung des Mindestlohns das im 2-monatigen Referenzzeitraum nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG gezahlte Bruttoarbeitsentgelt nach der Durchschnittsbetrachtung durch die in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitsstunden dividiert wird. Der so ermittelte gezahlte Stundensatz dürfe nicht den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG festgelegten Mindestlohnsatz unterschreiten.[2]

Andererseits wird wiederum vertreten, dass die Fälligkeitsregelung des § 2 Abs. 1 MiLoG die Fälle der ungleichmäßigen Verteilung der vereinbarten Arbeitszeit nicht erfassen will und daher teleologisch zu reduzieren sei: Ein Arbeitgeber genügt seiner Pflicht zur rechtzeitigen Zahlung des Mindestlohns, wenn von ihm – entsprechend § 2 Abs. 2 MiLoG – im 12-monatigen Bezugszeitraum der Mindestlohnanspruch durch das verstetigte Arbeitsentgelt bewirkt wird.[3]

Die letzte Auffassung ist zutreffend, alle anderen verkennen, dass es sich bei derartigen Arbeitszeitverteilungen gerade nicht um Mehrarbeit handelt. Denn Mehrarbeit liegt nur dann vor, wenn Arbeit über das vertraglich geschuldete Arbeitszeitvolumen hinaus geleistet wird. Bei den in den Beispielen dargestellten flexiblen Arbeitszeitmodellen geht es aber gerade nicht um Mehrarbeit, sondern um eine flexible Anpassung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit an den Bedarf. Im Hinblick auf den saisonal schwankenden Arbeitsanfall wird die Arbeitskraft zu den Zeitpunkten abgerufen, wenn die Arbeit anfällt, ohne dass Mehrarbeit oder gar Überstunden anfallen.

Zwar enthält das Gesetz in § 2 Abs. 2 Satz 1 MiLoG eine Regelung ...

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