Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf Kündigungsschutz in Ausgleichsquittung

 

Orientierungssatz

1. In der Rechtsprechung und fast einhelligen Rechtslehre ist allgemein anerkannt, daß in einer Ausgleichsquittung auch auf die Erhebung oder Fortführung der Kündigungsschutzklage verzichtet werden kann. Ein derartiger Verzicht kann der Rechtsnatur nach ein Vergleich, Erlaßvertrag, deklatorisches negatives oder konstitutives Schuldanerkenntnis sein.

2. Ein Verzicht auf die Erhebung oder Fortführung einer Kündigungsschutzklage muß aus Gründen der Rechtsklarheit in der Urkunde selbst unmißverständlich zum Ausdruck kommen.

3. Unterschreibt ein entlassener Arbeitnehmer die Klausel: "ich erhebe gegen die Kündigung keine Einwendungen", so liegt hierin ein wirksamer Verzicht auf den Kündigungsschutz.

4. Hat der Arbeitnehmer zwar bereits Kündigungsschutzklage erhoben, ist dies dem Arbeitgeber jedoch weder durch Zustellung noch auf andere Weise bekannt, so ist es nicht erforderlich, daß die Ausgleichsquittung weder durch Zustellung noch auf andere Weise bekannt, so ist es nicht erforderlich, daß die Ausgleichsquittung zusätzlich den Vermerk erhält, der Arbeitnehmer nehme seine Klage zurück.

5. Ist ein ausländischer Arbeitnehmer der deutschen Sprache soweit mächtig, daß er das, was ihm erklärt oder zum Durchlesen vorgelegt wird, verstehen kann oder hätte verstehen können, wenn er es durchgelesen hätte, so ist er im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Ausgleichsquittung nach den gleichen Grundsätzen wie ein deutscher Arbeitnehmer zu behandeln.

 

Verfahrensgang

ArbG Rheine (Urteil vom 22.02.1984; Aktenzeichen 2 Ca 1112/83)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 22.02.1984 – 2 Ca 1112/83 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten sich in der Berufungsinstanz hauptsächlich darüber, ob die Klägerin in einer von ihr unterzeichneten Ausgleichsquittung auf die Durchführung der Kündigungsschutzklage verzichtet hat.

Die Klägerin, die türkischer Nationalität ist, ist am 08.10.1948 geboren. Sie ist verheiratet und Mutter von drei unterhaltsberechtigten Kindern. Das älteste Kind ist dreizehn Jahre alt und wurde 1971 bereits in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Das jüngste Kind wurde am 10.03.1983 geboren. Die Klägerin hatte nach der Entbindung bis zum 10.09.1983 Mutterschaftsurlaub. Seit wann die Klägerin sich genau in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat, konnte in der Berufungsinstanz nicht geklärt werden, da sie sich mit ihrer Familie wieder in die Türkei zurückbegeben hat. Sie beherrscht jedenfalls die deutsche Sprache so gut, daß sie sich ohne fremde Hilfe unterhalten kann. So hat sie auch persönlich ohne Dolmetscher am Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 22.02.1984 teilgenommen. Die Prozeßvertreter der Klägerin haben in beiden Instanzen lediglich hinsichtlich des als Zeugen benannten Ehemanns der Klägerin die Ladung eines Dolmetschers beantragt, da dieser der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei.

Die Klägerin war seit dem 05.06.1979 bei der Beklagten, die ca. 90 bis 100 Arbeitnehmer beschäftigt und bei der ein Betriebsrat in Funktion ist, als Stepperin in der Lohnstepperei beschäftigt. Der Stundenlohn betrug zuletzt 10,50 DM brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.

Während der Beschäftigungszeit war die Klägerin in 1979 fein 5, in 1980 an 98, in 1981 an 88 und in 1982 an 63 Arbeitstagen wegen unterschiedlicher Erkrankungen arbeitsunfähig krank. Seit dem 19.10.1983 war sie wieder erkrankt. Wielange dabei die Arbeitsunfähigkeit dauerte, ist zwischen den Parteien umstritten. Die Beklagte zahlte der Klägerin von 1979 bis 1983 Lohnfortzahlung von insgesamt 22.498,36 DM brutto.

Da die Produktion in der Lohnstepperei von ca. 10.000 Meter an Ware pro Arbeitstag in 1981 auf arbeitstäglich ca. 1.000 Meter an Ware ab August 1983 zurückgegangen war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zur Klägerin mit Schreiben vom 10.11.1983, das der Klägerin auf dem Postweg am 11.11.1983 zuging, zum 25.11.1983.

Zuvor hatte die Beklagte den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG angehört. Dieser hatte nach seiner Sitzung am 10.11.1983 noch am selben Tage der Beklagten folgendes schriftlich mitgeteilt. „Der Betriebsrat hat die Kündigung zur Kenntnis genommen.”

Mit einem am 30.11.1983 beim Arbeitsgericht Rheine eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin gegen die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung Klage erhoben, die der Beklagten am 16.12.1983 zugestellt worden ist.

Vor Klagezustellung hatte die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann die Beklagte aufgesucht und dabei ihre Arbeitspapiere erhalten. Dabei hatte sie folgende von der Zeugin M. unter dem 12.12.1983 handschriftlich ausgefüllte Formularerklärung unterschrieben:

„Empfangsbestätigung und Ausgleichsquittung … S., M. geboren am 08.10.1948 … Ich erkläre, hiermit, aus dem am 05.06.1979 begonnenen und am 25.11.1983 beendeten Arbeitsverhältnis mi...

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