Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderlichkeit. Schulungsteilnahme zum Thema Arbeitskampf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beantwortung der Frage, ob die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer eintägigen Schulungsveranstaltung „Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf” erforderlich im Sinne von § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist, hängt nicht davon ab, ob bereits ein Arbeitskampf in dem Tarifgebiet, in dem der Betrieb mit dem schulungswilligen Betriebsratsmitglied liegt, begonnen hat. Vielmehr muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass nach den aktuellen Verhältnissen dieses Betriebes Fragen anstehen, die die Rechte und Pflichten des Betriebsrats während eines Arbeitskampfes betreffen.

2. Eine derartige Wahrscheinlichkeit liegt noch nicht in dem Zeitpunkt vor, in dem die Friedenspflicht in dem betreffenden Tarifgebiet abgelaufen ist.

 

Normenkette

BetrVG 1972 § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 09.10.2002; Aktenzeichen 6 Ca 3169/02 v)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom09.10.2002 – 6 Ca 3169/02 v – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erstattung von Schulungskosten nach § 37 Abs. 6 BetrVG.

Die am 25.10.1952 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 18.10.1976 als Montagearbeiterin tätig und seit 1998 Mitglied des Betriebsrats.

Mit Ablauf des 28.03.2002 endete die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie u. a. für das Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen (NRW). Mit Rundschreiben vom 04.04.2002 an alle Betriebsräte in tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie NRW wies die Ortsverwaltung der IG Metall W. daraufhin, dass sich die Verhandlungen für die Tarifrunde 2002 in dieser Branche als schwierig erweisen würden und es zunehmend wahrscheinlich werde, dass nach Ablauf der Friedenspflicht und auch nach Warnstreiks kein überzeugendes Verhandlungsergebnis zustande komme. Sie fasse die Durchführung von Urabstimmungen und die Anleitung von Streikmaßnahmen ins Auge. Sie halte es für dringend erforderlich, Schulungen für die Betriebsräte aus tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie NRW durchzuführen. In diesem Zusammenhang wies die Ortsverwaltung der IG Metall W. auf eine Betriebsratsschulung mit dem Thema „Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf” am 25.04.2002 hin, das in der Zeit von 08:30 Uhr bis ca. 16:30 Uhr in W. stattfinden sollte, hin. In dem diesem Rundschreiben beigefügten Themenplan heißt es u. a.:

„Um die Betriebsräte sowohl von möglichen Streikbetrieben als auch von solchen Betrieben, die mit Arbeitskampf bedingten Fernwirkungen zu rechnen haben, hinreichend vorzubereiten, werden folgende Themen in der Schulungsmaßnahme behandelt:

  • ▸die Neutralitätspflicht des Betriebsrats als Organ im Arbeitskampf § 74 Abs. 2 BetrVG
  • ▸die Mitbestimmungsrechte und Pflichten des Betriebsrats in Streikbetrieben
  • ▸die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in nicht bestreikten Betrieben innerhalb des Kampfgebiets
  • ▸Informationsansprüche des Betriebsrats im Hinblick auf Fernwirkungen des Arbeitskampfes (welche Vorkehrungen hat der Arbeitgeber im Vorfeld getroffen)
  • ▸Betriebsrisikolehre des BAG, Kurzarbeitsregeln des Manteltarifvertrages und die Rechte des Betriebsrates bei arbeitskampfbedingter Kurzarbeit
  • ▸die Pflichten des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitsämtern und die Beteiligung des Betriebsrats
  • ▸Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 und 102 BetrVG
  • ▸Mitbestimmung des Betriebsrats bei Beendigung von Arbeitskampf und Fernwirkungen”

In seiner Sitzung vom 10.04.2002 beschloss der Betriebsrat einstimmig, dass sein Mitglied, Frau E., sowie die Klägerin an dem von der IG Metall in W.angekündigten Tagesseminar am 25.04.2002 teilnehmen sollten. Dies teilte der Betriebsrat der Geschäftsleitung der Beklagten noch am gleichen Tag mit.

Nach Ablauf der Friedenspflicht am 28.03.2002 wurden in NRW Warnstreikmaßnahmen durchgeführt, in die der Beklagten am 11.04.2002 und 15.05.2002 jeweils in der Zeit von 12:00 Uhr bis 15:15 Uhr einbezogen war. In der Zeit bis zum 18.04.2002 beteiligten sich rund 150.000 Beschäftigte aus 812 Betrieben in Nordrhein-Westfalen an den Warnstreikmaßnahmen.

Am 22.04.2002 beschloss die Tarifkommission für die Metall- und Elektroindustrie NRW beim Vorstand der IG Metall zu beantragen, dass dieser das Scheitern der Verhandlungen formell feststellen möge, die Bezirksleitung der IG Metall NRW zu beauftragen, dieses der Arbeitgeberseite mitzuteilen und ferner die Bezirksleitung der IG Metall NRW mit der Durchführung einer Urabstimmung zu beauftragen. Dieser Beschluss wurde dem Vorstand der IG Metall für die am 23.04.2002 stattfindende Vorstandssitzung übermittelt unter Beifügung eines detailliert ausgearbeiteten Streikkonzeptes für das Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen. Darauf beauftragte der Vorstand der IG Metall noch am gleichen Tag alle Bezirksle...

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