Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsnorm gem. § 3 Abs. 2 TVG. Betriebsnorm. Beschäftigungssicherung. Arbeitszeitverkürzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betreffen Betriebsnormen in Tarifverträgen Regelungsgegenstände, die nur einheitlich gelten können (BAG, Beschl. v. 17.06.1997 – 1 ABR 3/97, AP Nr. 2 zu § 3 TVG Betriebsnorm = NZA 1998, 213 = DB 1998, 86). Ihre Regelung im Individualvertrag wäre zwar nicht im naturwissenschaftlichen Sinne unmöglich, sie würde aber wegen evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit ausscheiden, weil eine einheitliche Regelung auf betrieblicher Ebene unerläßlich ist (BAG, Beschl. v. 26.04.1990 – 1 ABR 84/87, BAGE 64, 368 = AP Nr. 57 zu Art. 9 GG = NZA 1990, 850 = SAE 1991, 236).

2. Mag es auch durchaus naturwissenschaftlich möglich sein, die Verkürzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit individualrechtlich umzusetzen, so wäre dies dennoch evident sachlogisch unzweckmäßig. Auch eine Differenzierung zwischen organisierten und nichtorganisierten Arbeitnehmern ist praktisch kaum durchführbar und würde das Ziel der Beschäftigungssicherung und langfristigen Erhaltung der Einrichtung nicht erreichen. Nur wenn die Arbeitszeit im Betrieb bzw. einzelnen Abteilungen einheitlich geregelt wird, ist das Ziel der Beschäftigungssicherung erreichbar und betriebswirtschaftlich sinnvoll.

 

Normenkette

TVG § 3 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 23.07.1998; Aktenzeichen 10 Ca 111/98)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg, vom 23.07.1998 – 10 Ca 111/98 – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 24.03.1998 für den Zeitraum vom 25.03.1998 bis einschließlich 08.04.1998 unwirksam ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/5 und die Beklagte 2/5.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Schreiben der Beklagten vom 24.03.1998 gegenüber der Klägerin wirksam ist.

Die Klägerin war seit dem 01.10.1994 bis zum 30.09.1998 als Diätassistentin bei der Beklagten beschäftigt und verdiente DM 3.300,– brutto im Monat. Sie ist nicht Mitglied der Gewerkschaft ÖTV.

Die Beklagte ist ein bundesweit agierendes Unternehmen, welches in … die Klinik … betreibt. Infolge der Gesundheitsreform hat die Klinik Belegungsprobleme, die bereits zum Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen führten.

Mit Schreiben vom 24.03.1998 (ABl 33) verfügte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf 32 Stunden für die Zeit vom 25.03.1998 bis einschließlich 30.04.1998. Als Grundlage für diese Maßnahme berief sich die Beklagte auf einen mit der Gewerkschaft ÖTV Bezirk Baden-Würtemberg am 18.12.1997 geschlossenen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung (ABl 10 ff). § 8 des Tarifvertrages lautet wie folgt:

  1. Zur Sicherung von Beschäftigungsmöglichkeiten, die Vorrang vor betriebsbedingten Kündigungen hat, sind alle Möglichkeiten zum sozialverträglichen Personalabbau auszuschöpfen. Insbesondere hat zunächst einmal der Abbau der Arbeitszeitkonten zu erfolgen.
  2. Die durchschnittliche individuelle regelmäßige Arbeitszeit kann für Vollzeitbeschäftigte befristet innerhalb der Laufzeit dieses Tarifvertrages auf bis zu 32 Stunden wöchentlich herabgesetzt werden. Dies gilt für alle Beschäftigten oder für einzelne Einrichtungen, Betriebsteile, Abteilungen oder Beschäftigungsgruppen. Die Löhne und Gehälter und alle von ihnen abgeleiteten Leistungen vermindern sich entsprechend der verkürzten Arbeitszeit.
  3. Bei Teilzeitbeschäftigten ist eine anteilige Reduzierung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf höchstens bis zu 22 Stunden zulässig. Im übrigen gilt die Regelung für Vollzeitbeschäftigte entsprechend.
  4. Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer erhält einen monatlichen Teillohnausgleich. Der monatliche Teillohnausgleich beträgt ein Drittel der Differenz zwischen der vertraglichen und des infolge der Arbeitszeitverkürzung verminderten vertraglichen Bruttoentgelts, höchstens jedoch DM 45,– brutto je verkürzter Wochenarbeitsstunde. Berechnungsgrundlage sind das vertraglich vereinbarte Bruttoentgelt sowie die durchschnittlich verkürzten Wochenarbeitsstunden pro Monat.
  5. Die Arbeitszeitverkürzung bedarf der Zustimmung der jeweils zuständigen Kreisverwaltung der ÖTV. Die Arbeitszeitverkürzung ist mit einer Frist von 14 Tagen gegenüber der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer anzukündigen. Parallel hierzu ist der ÖTV Mitteilung zu machen. Der Arbeitgeber wird die Arbeitszeitverkürzung begründen. Die Tarifparteien verpflichten sich innerhalb der 14 – Tage – Frist zusammenzukommen um ein Ergebnis über die angestrebte Arbeitszeitverkürzung zu erzielen. Unbenommen hiervon bleibt die Möglichkeit e...

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