Die enge Anbindung des kirchlichen Arbeitsrechts an die Tarife des öffentlichen Dienstes hat zunächst historische Gründe, weil öffentlicher und kirchlicher Dienst in der Vergangenheit als Einheit betrachtet wurden. Die Strukturen beider Bereiche sind auch oft ähnlich. Zudem sind viele Einrichtungen von Caritas und Diakonie wegen ihrer (teilweisen) Finanzierung durch die öffentliche Hand zu einer ähnlichen Vergütungsstruktur wie im öffentlichen Dienst verpflichtet, da ihre Personalausgaben nicht höher liegen dürfen (sog. Besserstellungsverbot). Schließlich wird das Vergütungs- und Leistungsniveau des öffentlichen Dienstes auch als Ausdruck angemessener Arbeitsbedingungen für den kirchlichen und dencaritativ/diakonischen Dienst angesehen.

Gleichwohl gibt es im Bereich von Caritas und Diakonie in jüngster Zeit verstärkte Bemühungen, eigenständige Regelungen zu entwickeln. Diese zielen weniger auf eine generelle Absenkung des Vergütungsniveaus ab, sondern sollen das Arbeitsrecht im Hinblick auf das Leistungsgeschehen in den Einrichtungen flexibler gestalten und die Wettbewerbssituation mit privaten Anbietern berücksichtigen.

Dabei sind die Arbeitsvertragsordnungen für den kirchlichen Dienst und die Arbeitsvertragsrichtlinien für die caritativen und diakonischen Einrichtungen zwar sicherlich keine Tarifverträge im Sinne des Tarifvertragsgesetzes. Es ist jedoch streitig, ob es sich um einseitige Richtlinien der Dienstgeber ohne Normcharakter handelt, die kraft einzelvertraglicher Vereinbarung für die Dienstverhältnisse gelten[1], oder ob es sich um eigenständige kollektive Arbeitsrechtsordnungen mit normativem Charakter handelt, die den Tarifverträgen gleichzusetzen sind.[2]

Das Bundesarbeitsgericht folgert jedenfalls aus der ausdrücklichen Einbeziehung der AVR Caritas und der AVR Diakonie im Dienstvertrag, dass die Mitarbeiter einen Anspruch auf die Leistungen nach AVR Caritas oder AVR Diakonie haben, weil damit zum Ausdruck gebracht wird, dass sämtliche Bestimmungen für das Arbeitsverhältnis maßgebend sein sollen.[3]

Soweit der Inhalt der kirchlichen Arbeitsvertragsordnungen und -richtlinien mit den Bestimmungen des BAT oder anderer Tarife des öffentlichen Dienstes identisch ist, werden die kirchlichen Bestimmungen vom Bundesarbeitsgericht in gleicher Weise ausgelegt.[4]

[1] So das BAG bisher in ständiger Rspr., vgl. Urt. v. 06.12.1990 – 6 AZR 159/89, NZA 1991, 350, 352; neuerdings vorsichtiger: BAG, Urt. v. 17.04.1996 – 10 AZR 558/95, NZA 1997, 778; Urt. v.28.01.1998 – 4 AZR 491/96, NZA-RR 1998, 424.
[2] Vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, München 2. Aufl. 1992, S. 178ff.
[3] BAG, Urt. v. 12.12.1990 – 4 AZR 306/90, ZTR 1991, 199; Urt. v. 06.11.1996 – 5 AZR 335/95, NZA 1997, 778; Urt. v. 06.08.1997 – 4 AZR 195/96, NZA 1998, 263.
[4] BAG, Urt. v. 12.02.1992 – AZR 314/91, AP Nr. 2 zu Anlage 5 AVR Caritasverband; Urt. v. 06.11.1996 – 5 ! AZR 335/95, NZA 1997, 778.

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