0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Als Nachfolgenorm von § 560 Abs. 1 Satz 1 und 5, § 634 Abs. 1 und 2, § 635 RVO wurde die Vorschrift zum 1.1.1997 durch das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) mit leichten Änderungen in das SGB VII eingefügt. Nach dem Wortlaut des Abs. 1 ist nun auf den Tag, ab dem (vorher "an dem") die Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird, abzustellen. Nach einer redaktionellen Neufassung der Norm zum 1.7.2001 durch das SGB IX v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046) wurde durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften und Lebenspartnerschaften v. 16.2.2001 (BGBl. I S. 266) in Abs. 2 zum 1.8.2001 der "Lebenspartner" aufgenommen.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Abs. 1 normiert den Beginn der Zahlung von Verletztengeld.

Nach Abs. 2 kann durch Satzung bestimmt werden, dass bei Unternehmern, ihren Ehegatten und Lebenspartnern sowie bei den den Unternehmern Gleichgestellten in den ersten 13 Wochen Verletztengeld gar nicht oder nur teilweise gezahlt wird.

Abs. 3 regelt das Ende des Verletztengeldbezuges in verschiedenen Fallkonstellationen.

2 Rechtspraxis

2.1 Anspruchsbeginn (Abs. 1)

 

Rz. 3

Bei Arbeitsunfähigkeit wird das Verletztengeld nach dem Gesetzeswortlaut von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt worden ist. Die Feststellung kann von jedem Arzt getroffen werden (BSG, Urteil v. 24.2.1976, 5 RKn 26/75). Da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur ein Beweismittel ist, ist die Feststellung für den Träger nicht bindend und damit überprüfbar (so Ricke, in: KassKomm, SGB VII, § 46 Rz. 4; Nehls, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 46 Rz. 4; ebenso zum Krankenversicherungsrecht: BSG, Urteil v. 17.8.1982, 3 RK 28/81; Urteil v. 8.11.2005, B 1 KR 18/04 R; LSG Berlin, Urteil v. 5.7.2000, L 9 KR 88/99). Dies gilt auch bei einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Ärzten außerhalb der EU (BSG, Urteil v. 26.2.1992, 1/3 RK 13/90).

 

Rz. 3a

Bei Arbeitnehmern, die sich in ihrem Heimatstaat im EU-Ausland aufhalten und die nach Art. 21 Abs. 1 i. V. m. Art. 36 Abs. 3 der Verordnung EGV 883/2004 Anspruch auf Geldleistungen nach dem SGB VII haben, ist der Unfallversicherungsträger gemäß Art 18 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 an die Feststellungen des ausländischen Arztes gebunden, es sei denn, er lässt nach Maßgabe von Art. 18 Abs. 5 den Versicherten durch einen Arzt seiner Wahl untersuchen (EuGH, Entscheidung v. 3.6.1992, C-45/90).

 

Rz. 4

Umstritten ist, ob Verletztengeld auch für die Zeit vor der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gezahlt werden kann, wenn der Arzt rückwirkend die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt (so Nehls, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 46 Rz. 4, Fröhlke, in: Lauterbach, SGB VII, § 46 Rz. 8 ff.; a. A. Ricke, in: KassKomm, SGB VII, § 46 Rz. 2). Dafür spricht der Wortlaut der Regelung, der nicht "von dem Tag an, an dem", sondern "von dem Tag an, ab dem" formuliert. Nach der historischen Auslegung ist hingegen von einem Redaktionsversehen auszugehen, da der Gesetzgeber keine Änderung der Rechtslage beabsichtigt hatte. Unabhängig davon besteht Einigkeit, dass eine rückwirkende Zahlung des Verletztengeldes (nur) in Ausnahmefällen und entsprechend der Praxis beim Krankengeld (§ 46 SGB V) regelmäßig längstens für 2 Tage in Betracht kommt (vgl. zum Ganzen: Fröhlke, in: Lauterbach, SGB VII, § 46 Rz. 9 bis 12; Ricke, in: KassKomm, SGB VII, § 46 Rz. 3). Eine § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V entsprechende Regelung, wonach der Krankengeldanspruch ruht, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird, gibt es im SGB VII nicht. Soweit ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht, hat die Frage nach einem rückwirkenden Verletztengeldbezug allenfalls für den Ablauf der Bezugsdauer Bedeutung (vgl. Nehls, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 46 Rz. 4). Die Rücknahme einer infolge der zu Unrecht bescheinigten Arbeitsunfähigkeit rechtswidrigen Verletztengeldbewilligung sowie die Rückforderung des Verletztengeldes ist nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48, 50 SGB X zulässig.

 

Rz. 5

Bei Heilbehandlungsmaßnahmen, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindern, beginnt der Verletztengeldanspruch am ersten Tag der Maßnahme. Zum Begriff der Heilbehandlungsmaßnahme vgl. Komm. zu § 45.

2.2 Sonderregelung für Unternehmer (Abs. 2)

 

Rz. 6

Die Träger der Unfallversicherung haben nach Abs. 2 die Möglichkeit, durch Satzung zu bestimmen, dass Unternehmern, ihren Ehegatten und Lebenspartnern und den nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 den Unternehmern Gleichgestellten Verletztengeld längstens für die Dauer der ersten 13 Wochen, gar nicht oder nur zum Teil ausgezahlt wird. Dies liegt im Ermessen des Satzungsgebers. Die Regelung gilt vor dem Hintergrund, dass aus selbständiger Arbeit für einen begrenzten Zeitraum auch weitere Einnahmen erzielt werden können, wenn der Selbständige vorübergehend nicht tätig ist.

Da der Ausschluss nur für den Zeitraum nach dem Beginn der Verletztengeldzahlung gemäß Abs. 1 möglich ist, ist der Verletztengeldanspruch für den ersten Tag nicht ausschließbar.

Eine entsprechende Wartezeit darf indes nicht für Personen bestimmt werden, d...

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