2.1 Landwirtschaftliche Unternehmen (Abs. 1)

 

Rz. 3

Die ausdrückliche Bezeichnung der landwirtschaftlichen Unternehmen (Nr. 1 bis 8) dient der Abgrenzung zur allgemeinen Unfallversicherung und der damit verbundenen Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften einerseits sowie zur Unfallversicherung der öffentlichen Hand andererseits.

 

Rz. 4

Bedeutung erlangt insoweit die Ausnahmeregelung in § 129 Abs. 4 Nr. 4, die landwirtschaftliche Unternehmen der Gemeinden von der kommunalen Unfallversicherung ausnimmt, weil nach Auffassung des Gesetzgebers die Unfallverhütung durch die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft auch in kommunalen landwirtschaftlichen Betrieben sachgerechter bewirkt werde (BT-Drs. 13/2204 S. 107 zu § 129).

 
Praxis-Beispiel
  • Erfolgt die Pflege der städtischen Parks und Anlagen von einem kommunalen Eigenbetrieb, so greift die Ausnahme des § 129 Abs. 4 Nr. 4, wonach es bei der Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft nach § 123 Abs. 1 Nr. 1 bleibt.
  • Entsprechend ist beispielsweise die Freie und Hansestadt Hamburg Mitglied der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft nach § 123 Abs. 1 Nr. 1, § 129 Abs. 4 Nr. 4 im Hinblick auf die von ihr unterhaltenen Friedhöfe.

2.2 Unternehmerbegriff

 

Rz. 5

Die landwirtschaftliche Unfallversicherung baut ebenso wie die allgemeine Unfallversicherung auf dem Unternehmensbegriff auf. Besondere Bedeutung haben in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zwei Merkmale, die in der gewerblichen Unfallversicherung eher nur eine geringe Rolle spielen. Erstens kommt es auf eine Gewinnerzielungsabsicht des landwirtschaftlichen Unternehmers in versicherungsrechtlicher Hinsicht nicht an. Zweitens rücken die ausgeübten Tätigkeiten des landwirtschaftlichen Unternehmers und dessen Ehepartners oder Lebensgefährten in den Mittelpunkt, da sie zum Kreis der versicherten Personen von Gesetzes wegen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 gehören.

 
Praxis-Beispiel
  • Ein pensionierter Beamter besitzt ein mit Obstbäumen bestandenes Grundstück. Er erntet regelmäßig die Obstbäume ab, schneidet sie im Herbst zurück und versieht sie mit Leimringen. Damit ist eine planmäßige Aufzucht von Bodengewächsen gegeben (vgl. Rz. 6), die das Baumgrundstück zu einem landwirtschaftlichen Unternehmen machen (BSG, Urteil v. 31.1.1989, 2 RU 30/88). Der Pensionär ist landwirtschaftlicher Unternehmer, selbst wenn er dies alles nur zur eigenen Erbauung, sozusagen als Hobby tut.
  • Das Halten von 8 Altschafen auf einer Streuobstwiese von ca. 1,25 ha ist ein landwirtschaftliches Unternehmen. Es erfordert nach Sachverständigengutachten ca. 60 Stunden für die Betreuung der Schafe und ca. 12 Stunden für das Abernten von Obstbäumen, weshalb der Arbeitsaufwand nicht extrem gering ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 24.9.1991, L 5 U 90/88).
  • Das gelegentliche Mähen einer Wiese zur Abwehr von Beschwerden der Nachbarn wegen Unkrautsamenflugs begründet kein landwirtschaftliches Unternehmen (BSG, Beschluss v. 25.10.1989, 2 BU 99/89).
  • Dem gegenüber gehört das Mähen von Gras ohne weitere Verwendung des Heus zu den landwirtschaftlichen und damit dem Unfallversicherungsschutz unterliegenden Tätigkeiten (BSG, Urteil v. 18.1.2011, B 2 U 16/10 R).
  • Eine Untergrenze für geringfügige Tätigkeiten in der Landwirtschaft, die dem Unfallversicherungsschutz nicht unterliegen, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nicht gezogen.

2.3 Unternehmen der Landwirtschaft mit Bodenbewirtschaftung

 

Rz. 6

Landwirtschaftliche Tätigkeiten sind alle mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen im wesentlichen Zusammenhang stehenden Verrichtungen. Zentrale Bedeutung hat insoweit die Bodenbewirtschaftung, weshalb ein landwirtschaftliches Unternehmen zwingend Grund und Boden voraussetzt, die zum Zweck der Gewinnung organischer Naturerzeugnisse bearbeitet werden. Als konstitutive Verrichtung sind alle Tätigkeiten von nicht nur ganz kurzer Dauer, die dazu bestimmt sind, Bodengewächse planmäßig aufzuziehen und abzuernten, anzusehen (BSG, Urteil v. 31.1.1989, 2 RU 30/88). Dazu zählen insbesondere das Säen, Pflügen, Drainieren, Bewässern, Ernten, Beschneiden oder die Schädlingsbekämpfung (BSG, Urteil v. 26.4.1963, 2 RU 242/59). Auch die sich notwendig an die eigentliche Bodenbewirtschaftung anschließenden Arbeiten, wie das Einfahren, Dreschen, Lagern und Trocknen der Bodenerzeugnisse, gehören dazu. Schließlich umfassen Tätigkeiten der Selbstvermarktung von überwiegend selbst erzeugten Produkten den landwirtschaftlichen Unternehmerbegriff (BSG, SozR 2200 § 776 RVO Nr. 1).

 

Rz. 7

Das Merkmal Planmäßigkeit bei der Aufzucht von Bodengewächsen ist allerdings bereits gegeben, wenn bewusst und somit nicht planlos keinerlei Bodenpflege oder Bewirtschaftung erfolgt.

 

Rz. 8

Mangels Bodenbewirtschaftung liegt kein landwirtschaftliches Unternehmen mehr vor bei einer allein privaten Wohnbedürfnissen dienenden Bebauung ehemals landwirtschaftlich genutzter Anbauflächen (LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1973 S. 457). Hier ist von der endgültigen Einstellung der Bodenbewirtschaftung auszugehen (BSG, Urteil v. 10.5.1979, 11 RLw 7/78).

 

Rz. 9

Die Größe der Fläche hat keine Bedeutung, weil auch bei V...

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