Rz. 31

Die nach Aufhebung eines VA (Abs. 1) oder isoliert davon (Abs. 2) zu Unrecht bezogene und daher zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen VA festzusetzen. Das Schriftformerfordernis als Sondervorschrift zu §§ 33, 9 dient nicht allein der Rechtssicherheit, sondern der schriftliche Erstattungsbescheid hat insoweit erst rechtsbegründende Bedeutung für das Entstehen des Erstattungsanspruchs. Die Schriftform kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wobei dann die Voraussetzungen des § 36a SGB I (Eröffnung des Zugangs und qualifizierte elektronische Signatur des elektronischen Bescheides) erfüllt werden müssen. Die Aufhebung eines VA für die Vergangenheit oder die rechtsgrundlose Leistung begründet, wie sich auch aus Abs. 4 ergibt, nicht schon kraft Gesetzes einen Rückforderungsanspruch, wie der zivilrechtliche Bereicherungsanspruch. Der nach rückwirkender Aufhebung eines Bescheides oder nach Feststellung der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung geltend zu machende Erstattungsanspruch besteht bis zur bescheidmäßigen Festsetzung der Erstattung durch schriftlichen Bescheid gar nicht. Der bis dahin nur mögliche Erstattungsanspruch kann daher nicht vorher behauptet oder geltend gemacht werden. Auch mit oder gegen diesen möglichen Anspruch kann daher mangels eines aufrechenbaren Rechtsanspruchs nicht aufgerechnet/verrechnet werden. Dies gilt für Behörde und potentiell Erstattungspflichtigen gleichermaßen. Erst der Erstattungsbescheid, der den Erstattungsanspruch beziffern muss, lässt die Aufrechnung zu (so auch Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, § 50 Rz. 30).

Anders als § 50 Abs. 1 wird Abs. 3 im Rahmen des Hinzuverdienstrechts bei Beziehern gesetzlicher Renten nach dem SGB VI nicht durch § 34 SGB VI verdrängt und bleibt weiter anwendbar (Runzer, Kompass 2017 S. 8).

 

Rz. 31a

Will eine Behörde also mit einer angeblichen Erstattungsforderung gegen einen Anspruch des Bürgers aufrechnen oder eine "Verrechnung" vornehmen, muss zunächst ein Erstattungsbescheid ergehen. Eine unmittelbare Verrechnung ist nicht möglich (BSG, Urteil v. 20.3.2007, B 2 U 18/05). Anstelle des Vorgehens über § 50 Abs. 3 SGB X (Erlass eines Erstattungsbescheides) ist auch keine unmittelbare Leistungsklage möglich (Schütze, a. a. O.). Der Ausschluss der Leistungsklage greift aber nicht ein, wenn zwei Sozialleistungsträger um eine Erstattung streiten, denn § 50 ist typischerweise für Ansprüche der Verwaltung gegen den Bürger konzipiert worden (BSG, Urteil v. 11.6.1987, 7 RAr 103/85, SozR 1300 § 50 Nr. 17).

 

Rz. 31b

Streitig ist, ob der Festsetzungsbescheid nach § 50 bestandskräftig werden muss, bevor mit einer laufenden Leistung verrechnet werden kann. Für eine derartige Forderung ist jedoch kein zwingender Grund erkennbar (die Bestandskraft fordernd: Schütze, a. a. O., Rz. 30; Freischmidt, in: Hauck/Noftz, SGB X, 50 Rz. 19; wie hier: Schneider-Danwitz, in: GK-SGB X, § 50 Rz. 65). Die Bindungswirkung des Bescheides nach § 50 ist aber Anknüpfungspunkt für die Frage, wann die Frist für die Nachholung der Beantragung von Arbeitslosengeld II gemäß § 40 Abs. 3 SGB II a. F. i. V. m. § 28 SGB X beginnt, wenn zuvor Arbeitslosengeld I bewilligt worden war, diese Bewilligung aber rückwirkend aufgehoben wurde und ein Erstattungsbescheid bezüglich der Arbeitslosengeld I-Leistungen ergangen ist. Die Frist für den Antrag auf Arbeitslosengeld II beginnt erst dann zu laufen, wenn der Erstattungsbescheid nach § 50 SGB X bindend geworden ist (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.11.2014, L 34 AS 950/14).

 

Rz. 32

Die Regelung des Abs. 3 sieht daher die Verbindung von Aufhebung und Feststellung des Erstattungsbetrages in einem Bescheid nur als Sollvorschrift vor, die nicht zwingend ist und deren Nichtbeachtung nicht zur Rechtswidrigkeit der Bescheide führt (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 15.10.2014, L 5 KA 1161/12). Gleichwohl sollte die Vorschrift von der Verwaltung ernst genommen werden und i. d. R. eine Verbindung erfolgen. Trotz der Verbindung handelt sich jedoch um zwei eigenständige VA (vgl. BSG, Urteil v. 22.4.1987, 10 RKg 16/85). Die Regelung dient insoweit lediglich dazu, dem Erstattungspflichtigen die wirtschaftlichen Folgen des Aufhebungsbescheides zu verdeutlichen, soweit die Aufhebung für die Vergangenheit erfolgt. Einer gesonderten Begründung für die Nichtverbindung der beiden eigenständigen VA bedarf es nicht. Insbesondere kann und sollte die Behörde die notwendig vorrangige Aufhebung eines VA von der Feststellung des Erstattungsbetrages dann trennen, wenn an der rechtlichen Bewertung der rückwirkenden Aufhebbarkeit Zweifel bestehen. Vor Erlass des Erstattungsbescheides wird dann aber erneut angehört werden müssen.

 

Rz. 33

Aus der in Abs. 3 vorgesehenen Verbindung von Aufhebungs- und Erstattungsbescheid folgt, dass zuständige Behörde für den Erstattungsbescheid die Behörde ist, die auch nach § 44 Abs. 3 und den darauf verweisenden Vorschriften den Aufhebungsbescheid erlassen hatte.

 

Rz. 34

Die in Abs. 1 genannte Voraussetzung, "soweit ein VA aufgeho...

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