Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Antragserfordernis. Unterlassung wegen Beantragung von Arbeitslosengeld nach SGB 3. rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung. Beginn der Monatsfrist für die wiederholte Antragstellung bzw Nachholung der Antragstellung gem §§ 40 Abs 3 SGB 2, 28 SGB 10

 

Orientierungssatz

1. Auch ein Antrag auf Arbeitslosengeld II kann bis zu einem Jahr zurückwirken, wenn ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines solchen Antrags zunächst abgesehen hatte, weil er einen Antrag auf Arbeitslosengeld nach dem SGB 3 gestellt hat, der später abgelehnt wurde (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 16/09 R = SozR 4-4200 § 37 Nr 3).

2. Wird Arbeitslosengeld nach dem SGB 3 zunächst bewilligt, die Bewilligung aber rückwirkend aufgehoben, so beginnt die Frist für die Nachholung der Beantragung von Arbeitslosengeld II gem § 40 Abs 3 SGB 2 aF iVm § 28 SGB 10 erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Erstattungsbescheid nach § 50 SGB 10 der Bundesagentur für Arbeit bindend wird.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 26.03.2015; Aktenzeichen B 14 AS 345/14 B)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 2014 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Monat November 2010.

Der 1978 geborene, alleinstehende Kläger bezog bis Sommer 2009 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II unter Ansatz des Regelsatzes für Alleinstehende sowie von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 392,24 €. Am 20. Juli 2009 ging er ein auf zwölf Monate befristetes Arbeitsverhältnis ein. Nach Ablauf des Jahres war er zunächst wieder arbeitslos.

Am 29. September 2010 nahm er eine Beschäftigung bei einer Zeitarbeitsfirma auf, die den Lohn jeweils im Folgemonat auszahlte. Das Arbeitsverhältnis endete kündigungsbedingt am 07. Oktober 2010, woraufhin der Kläger sich noch am selben Tage mit Wirkung zum 08. Oktober 2010 erneut bei der Arbeitsagentur arbeitslos meldete.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2010 bewilligte diese ihm für den Zeitraum vom 08. Oktober 2010 bis zum 26. Januar 2011 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) in Höhe von täglich 22,30 €. Der Berechnung wurde ein Arbeitsentgelt in Höhe von 52,60 € und ein Leistungsentgelt in Höhe von 37,17 € täglich zugrunde gelegt.

Bereits zum 15. November 2010 wurde der Kläger wieder von der Zeitarbeitsfirma eingestellt, wovon er die Arbeitsagentur am selben Tage informierte. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2010 hob die Bundesagentur daraufhin die Leistungsbewilligung mit Wirkung ab dem 15. November 2010 auf. Mit Bescheid vom 16. Februar 2011 forderte sie von dem Kläger für die Zeit vom 15. bis zum 30. November 2010 die Erstattung von 356,80 €. Beide Bescheide wurden bestandskräftig.

Mit am 07. März 2011 beim Beklagten eingegangenen Antrag vom 06. März 2011 begehrte der Kläger die Gewährung aufstockender Leistungen nach dem SGB II für die Monate November und Dezember 2010. Zur Begründung schilderte er vorstehenden Sachverhalt und gab an, das Gehalt für November 2011 erst am 20. Dezember 2011 - gemeint ist jeweils 2010 - erhalten zu haben. Bekommen habe er nur Wohngeld in Höhe von monatlich 112,00 € bis einschließlich Dezember 2010. Darüber, dass er einen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II habe, habe die Bundesagentur ihn nicht informiert.

Mit Bescheid vom 16. März 2011 lehnte der Beklagte die Leistungsgewährung unter Berufung auf § 37 Abs. 2 SGB II ab und führte aus, dass eine rückwirkende Antragstellung nicht möglich sei.

Hiergegen legte der Kläger am 24. März 2011 Widerspruch ein und verwies auf die Regelung des § 28 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X).

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07. Juni 2011 zurück und führte zur Begründung aus, dass § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II die Erbringung von Leistungen für Zeiten vor der Antragstellung ausschließe. Auch liege keine Rückwirkung des Antrages entsprechend § 40 Abs. 5 SGB II i.V.m. § 28 SGB X vor. Weder liege für den Zeitraum vom 16. November bis zum 31. Dezember 2010 eine Erstattung von Leistungen nach dem SGB III vor noch sei der nachgeholte Antrag auf Leistungen nach dem SGB II unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Erstattung der Leistung nach dem SGB III bindend geworden sei, nachgeholt worden. Auch seien die Leistungen des SGB II nicht gegenüber den Leistungen des SGB III nachrangig i.S.d. § 28 Satz 1 SGB X.

Am 30. Juni 2011 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend hat er dargelegt, dass er Wohngeld auf Eigeninitiative beantragt habe. Seitens der Arbeitsagentur sei keine Beratung erfolgt. Diese habe mit Bescheid vom 16. Februar 2011 die Erstattung d...

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