Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Einbeziehung von Folgebescheiden. Ersetzungs- bzw Zweitbescheide. Rücknahme Abzweigungs- bzw Ursprungsbescheid mit untrennbarer Doppelwirkung. fehlende Ermessensausübung. Versäumung der Rücknahmefrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ersetzung eines Verwaltungsaktes stellt sich als Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes und Erlass eines neuen Verwaltungsaktes dar.

2. Rechtsgrundlage für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes im Rahmen einer Ersetzung sind die §§ 44ff SGB 10 (BSG vom 6.10.1994 - GS 1/91 = BSGE 75, 159 = SozR 3-1300 § 41 Nr 7).

3. Bei der Aufhebung eines Verwaltungsakt mit untrennbarer Doppelwirkung, der zugleich sowohl begünstigend als auch belastend wirkt, müssen die Voraussetzungen des § 44 SGB 10 und § 45 SGB 10 gleichzeitig beachtet werden.

4. Bei einer Abzweigungsentscheidung nach § 48 SGB 1 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit untrennbarer Doppelwirkung.

 

Tenor

I. Die Bescheide der Beklagten vom 7. Januar 2008 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Berufungsverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Abzweigung von Unterhaltsbeträgen aus dem Arbeitslosengeld des Klägers für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis 22. September 2004 in Höhe von insgesamt 10,09 € kalendertäglich an den Beigeladenen.

Der 1967 geborene Kläger war zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Beklagten (Januar 2004) verheiratet. Jedenfalls ab März 2004 lebte er von seiner Ehefrau getrennt. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen (W., geboren 1995, X., geboren 1991 und Y., geboren 1989). Ab dem 27. Januar 2004 stand der Kläger im Bezug von Arbeitslosengeld bei der Beklagten für eine Anspruchsdauer von 240 Kalendertagen nach einem Bemessungsentgelt von 524,98 € wöchentlich in der Leistungsgruppe C zum erhöhten Leistungssatz. Aus den internen Berechnungen der Beklagten ergibt sich, dass das Arbeitslosengeld des Klägers im hier maßgeblichen Zeitraum monatlich 1.140,53 € betrug.

Mit Schreiben vom 5. April 2004 (Sozialamt des Beigeladenen) und 5. Mai 2004 (Jugendamt des Beigeladenen), beide bei der Beklagten eingegangen am 6. Mai 2004, beantragte der Beigeladene jeweils die Auszahlung eines angemessenen Betrages aus den laufenden Leistungen des Klägers aufgrund § 48 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I). Diese Anträge begründete der Beigeladene damit, dass der Kläger gegenüber seinen drei minderjährigen Kindern und der Kindesmutter unterhaltspflichtig sei, dieser Unterhaltspflicht jedoch nicht nachkomme. Der Beigeladene erbringe daher Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) für das Kind W. A. sowie für alle Kinder des Klägers und dessen Ehefrau weitere Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Hinsichtlich des Abzweigungsantrages für den Sohn W. wurde der Kläger mit Schreiben vom 6. Mai 2004 angehört, wobei der Kläger angab, dass er zahlungsunfähig sei.

Der Abzweigungsantrag des Jugendamtes des Beigeladenen wurde mit Schreiben vom 19. Mai 2004 zurückgenommen, da die Unterhaltsansprüche insgesamt vom Sozialamt des Beigeladenen geltend gemacht werden würden.

Mit an den Beigeladenen gerichteten Bescheid vom 24. Mai 2004 entsprach die Beklagte dem Antrag des Beigeladenen auf Auszahlung eines angemessenen Teils der laufenden Geldleistungen des Klägers und zweigte von diesen Geldleistungen täglich 10,09 € ab. Der jeweilige Geldbetrag wurde einbehalten und an den Beigeladenen überwiesen.

Dem Kläger wurde mit Schreiben vom 19. Mai 2004 eine Durchschrift dieses Bescheides übermittelt. Dieser erhob am 7. Juni 2004 (Eingang bei der Beklagten) gegen den Bescheid vom 24. Mai 2004 Widerspruch. Zur Begründung trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass er aufgrund ehebedingter Verbindlichkeiten nicht leistungsfähig sei und schon ohne Abzweigung nicht wisse, wovon er leben solle.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2004 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 2. August 2004 (Eingang bei Gericht) Klage erhoben. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen weiter verdeutlicht, dass er nicht leistungsfähig sei. Die Beklagte habe bei ihrer Berechnung zu Unrecht seine ehebedingten Verbindlichkeiten nicht berücksichtigt.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 29. April 2005 den Werra-Meißner Kreis zum Verfahren beigeladen.

Mit Urteil vom 5. Juli 2007 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2004 auf und verpflichtete die Beklagte, die Folgen der Vollziehung des angefochtenen Bescheides rückgängig zu machen und dem Kläger für die Zeit ab Mai 2004 das an den Beigeladenen abgezweigte Arbeitslosengeld in Höhe von 10,09 € kalendertäglich auszuzahlen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wese...

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