Der Arbeitgeber ist jedoch auch nicht daran gehindert, sich den gegen ihn gerichteten Streikmaßnahmen zu beugen und den Betrieb/Betriebsteil in genau dem Umfang und genau für die Dauer stillzulegen, die der Streikaufruf vorgibt. Eine Betriebs(teil)stilllegung ist jedoch durch den räumlichen und zeitlichen Umfang des Streikaufrufs beschränkt.

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen bestreikten Betrieb oder Betriebsteil so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Er kann ihn vielmehr stilllegen mit der Folge, dass die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert werden und auch die hiervon betroffenen arbeitswilligen Arbeitnehmer ihren Entgeltanspruch verlieren. Ob dem Arbeitgeber die Heranziehung der Arbeitswilligen zur Arbeit möglich und zumutbar gewesen wäre, ist insoweit unerheblich[1].

Die Betriebs(teil)stilllegung kann nur unter folgenden Voraussetzungen erfolgen:

a) Begrenzung durch Streikaufruf

Die Stilllegung ist auf den zeitlichen und räumlichen Rahmen der gegnerischen Kampfmaßnahme beschränkt. Der Arbeitgeber kann seinen Betrieb nur im Umfang und für die Dauer des maßgebenden Streikbeschlusses einstellen[2].

Dies kann eine wichtige Rolle spielen, wenn nur bestimmte Betriebsteile bestreikt werden, der Arbeitgeber jedoch eine weitergehende Stilllegung wünscht. Es ist dabei der konkrete Streikaufruf/Streikbeschluss der Gewerkschaften entscheidend. Nur im Rahmen dieses Beschlusses kann der Arbeitgeber eine Stilllegung des Betriebs vornehmen, da er sich an den Kampfrahmen halten muss. So kann der Arbeitgeber für den Fall, dass z. B. bei einem Nahverkehrsunternehmen die Werkstatt bestreikt wird, nicht den gesamten Betrieb oder z. B. den Busbetrieb stilllegen. Jedoch braucht der Arbeitgeber den Betrieb (z. B. Busbetrieb) nicht fortzuführen und die arbeitswilligen Busfahrer nicht zu beschäftigen und zu entlohnen, wenn die Weiterarbeit aufgrund des Streiks in der Werkstatt nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

b) Erklärung des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber muss erklären, dass er den bestreikten Betrieb oder Betriebsteil nicht aufrechterhalten und die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Beschäftigten für die Dauer des Arbeitskampfes suspendieren will. Diese Erklärung muss sich an die betroffenen Beschäftigten richten. Hierfür genügt die Bekanntgabe der Stilllegungsentscheidung in betriebsüblicher Weise. Einer individuellen Benachrichtigung der betroffenen Arbeitnehmer bedarf es nicht.[3]

Eine Erklärung gegenüber der Gewerkschaft ist weder erforderlich noch ausreichend. Die tatsächliche Einstellung der Beschäftigung allein reicht nicht aus. An einer Stilllegungserklärung fehlt es, solange sich der Arbeitgeber nicht festlegt, sondern sich die rechtliche Möglichkeit offenhält, die Arbeitsleistung jederzeit in Anspruch zu nehmen. Die Stilllegungsabsicht muss hinreichend deutlich gemacht werden. Zum Ausdruck kommen muss, dass der Arbeitgeber sich dem Streik beugen und den Betrieb nicht, auch nicht teilweise, weiterführen will.

So lässt die Rechtsprechung die bloße Aufforderung "das Werkgelände zu verlassen" mit dem Hinweis, "streikbedingt sei der Arbeitsablauf nicht mehr gesichert" als schlüssige Willenserklärung für eine Betriebsstilllegung ausreichen[4]. Die (Weiter-)Beschäftigung von Beamten steht einer Stilllegungserklärung des Arbeitgebers nicht entgegen[5].

[1] BAG, 17.2.1998, 1 AZR 386/97, AP Nr. 152 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[2] BAG, 22.3.1994, 1 AZR 622/93, AP Nr. 130 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; ErfK/Linsenmaier, 2020, Art. 9 GG, Rn. 217 ff.
[4] BAG, 27.6.1995, 1 AZR 1016/94, AP Nr. 137 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[5] BAG, 11.7. 1995, 1 AZR 63/95, AP Nr. 138 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.

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