Zusammenfassung

hier: Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16, 9 AZR 541/15 und 9 AZR 321/16 sowie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 6. November 2018 - C-684/16 ("Max-Planck-Gesellschaft")
Bezug: Rundschreiben vom 3. September 2019 (Az.: D5-31001/3#16, D2-20202/1#43) und vom 7. März 2022 (Az.: D2-30106/1#12)
Aktenzeichen: D5-31001/3#16, D2-20202/1#43

Dieses Rundschreiben gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Hinblick auf Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen sowie praktische Hinweise zu den bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers. Das Rundschreiben gilt sowohl für den Tarif- als auch den Beamtenbereich und ersetzt das Rundschreiben vom 3. September 2019 (Az.: D5- 31001/3#16, D2-20202/1#43). Das o. g. Bezugsrundschreiben vom 7. März 2022 (Az.: D2- 30106/1#12) für den Bereich der Beamtinnen und Beamten gilt fort.

1 Zusammenfassung der Rechtsprechung

1.1 Kein Verfall von Urlaubsansprüchen bei fehlender Antragstellung von Beschäftigten, Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers

1.1.1 EuGH-Rechtsprechung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 6. November 2018 (C-684/16, "MaxPlanck") auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Folgendes entschieden: Das Unionsrecht lässt es nicht zu, dass eine Arbeitnehmerin/ein Arbeitnehmer die ihr/ihm im Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage automatisch am Ende des betreffenden Bezugszeitraums schon allein deshalb verliert, weil sie/er keinen Urlaub beantragt hat. Laut EuGH gilt dies im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsprechend für den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub (Urlaubsabgeltung). Darüber hinaus hat der Gerichtshof festgestellt, dass Urlaubsansprüche nur untergehen können, wenn Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer vom Arbeitgeber, z. B. durch angemessene Aufklärung, tatsächlich in die Lage versetzt wurden, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen.

Der Arbeitgeber habe konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, ihren/seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er sie/ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun. Damit sichergestellt ist, dass der Urlaub noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, verlangt der EuGH vom Arbeitgeber, dass er seinen Arbeitnehmern klar und rechtzeitig mitteilt, dass der nichtgenommene Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird. Die Beweislast trifft insoweit den Arbeitgeber.

1.1.2 BAG-Rechtsprechung

Das BAG hat die vorstehende Entscheidung des EuGH in seinen Urteilen vom 19. Februar 2019 (9 AZR 423/16, 9 AZR 541/15 und 9 AZR 321/16) ins deutsche Recht übertragen und die Grundsätze mit Urteil vom 7. September 2021 (9 AZR 3/21) noch einmal bestätigt. In richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) erlischt der nicht erfüllte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub danach in der Regel folglich nur dann am Ende des Kalenderjahres (bzw. des Übertragungszeitraums), wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, ihren/seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (BAG v. 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15, Rn. 27 sowie 9 AZR 423/16, Rn. 22).

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich in der Wahl des Mittels zur Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit frei; das Mittel muss jedoch zweckentsprechend sein (BAG v. 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15, Rn. 42 sowie 9 AZR 423/16, Rn. 40).

Nach der Rechtsprechung des BAG erfordert die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers, dass die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer eine Information in Textform über den konkreten Umfang der jeweiligen Urlaubsansprüche einschließlich der ggf. unterschiedlichen Verfallsfristen der jeweiligen Urlaubsansprüche erhält. Allgemein gefasste Hinweise, wie z. B. generelle Verweise oder Aushänge, die auf die einschlägigen gesetzlichen und tariflichen Urlaubsregelungen hinweisen, sind nicht ausreichend (BAG v. 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15, Rn. 43 f. sowie 9 AZR 423/16, Rn. 41 f.).

Darüber hinaus bedarf es der zeitgerechten Aufforderung - zu Beginn des Jahres-, die bestehenden Urlaubsansprüche vor Ablauf der jeweils einschlägigen Frist so rechtzeitig zu beantragen, dass der Urlaub noch innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres (bzw. des Übertragungszeitraums) genommen werden kann sowie eines Hinweises auf die konkret eintretenden Rechtsfolgen (BAG v. 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15, Rn. 43 sowie 9 AZR 423/16, Rn. 41).

Eine erneute Information kann notwendig werden, wenn im Einzelfall ein Urlaubsantrag aus anderen als den in § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG genannten Gründen abgelehnt wird oder der Arbeitgeber anderweitig eine Situation erzeugt, die geeignet ist, die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer davon abzuhalten, ihren/seinen Urlaub zu beantragen (BAG v. 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15, Rn. 44 sowie 9 AZR 423/16, Rn. 42).

Sind die erforderlichen Mitwirkungsobliegenheiten nicht oder u...

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