Betreff: Vererbbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs von Tarifbeschäftigten
hier: Folgerungen aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 22.01.2019 - 9 AZR 45/16 und vom 22.09.2015 – 9 AZR 170/14 sowie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 06.11.2018 – C-569/16 ("Bauer") und – C-570/16 ("Broßonn") und vom 12.06.2016 – C-118/13 ("Bollacke")
Aktenzeichen: D5 -31001/3#14

Einleitung

Die mit Bezugsrundschreiben bekannt gegebenen Hinweise zur Vererbbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs von Tarifbeschäftigten bedürfen infolge neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung einer Aktualisierung. Das Rundschreiben vom 14. März 2016, Az.: D5-31001/3#10, wird aufgehoben und durch diese Neufassung ersetzt. Der wesentliche Regelungsinhalt zur Vererbbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs bleibt erhalten. Ergänzt wurden die Hinweise zur erforderlichen Nachweisführung der Erbberechtigung durch die rechtmäßigen Erben.

Für den Bundesbereich wurden infolge der unionsrechtlichen Vorgaben des EuGH in in der "Bollacke"-Entscheidung vom 12. Juni 2014 - C-118/13 mit dem Bezugsrundschreiben bereits allgemeine Folgerungen gezogen. Ab dem 1. September 2015 wurde die Auszahlung der Urlaubsabgeltung an rechtmäßige Erben der Erblasserin bzw. des Erblassers generell zugelassen. Das BAG hingegen hatte in seinem Urteil vom 22. September 2015 – 9 AZR 170/14 noch die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs durch die Erben lediglich für den Fall anerkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Erblasserin/des Erblassers bereits vor deren/dessen Tod beendet wurde. Die vom Urlaubssenat des BAG erst jetzt mit Urteil vom 22. Januar 2019 – 9 AZR 45/16 vollzogene Rechtsprechungsänderung, wonach der Urlaubsabgeltungsanspruch auch dann entsteht, wenn der Tod der/des Beschäftigten zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, bestätigt im Ergebnis lediglich die bereits bestehende Praxis für den Tarifbereich des Bundes.

Entwicklung der Rechtsprechung (Darstellung in zeitlicher Abfolge)

Bereits in Folge der unionsrechtlichen Vorgaben des EuGH im Urteil vom 12. Juni 2014 - C-118/13 ("Bollacke"-Entscheidung) gab das BAG mit seiner o. g. Entscheidung vom 22. September 2015 - 9 AZR 170/14 seine bisherige Rechtsprechung auf.

Danach ging bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge des Todes des Arbeitnehmers sein Urlaubsanspruch ersatzlos unter. Der Senat verneinte deshalb bis da-hin in diesen Fällen auch die Umwandlung des Urlaubsanspruchs in einen Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) und den Übergang des Anspruchs nach § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die Erben (vgl. BAG vom 12. März 2013 - 9 AZR 532/11 - und vom 20. September 2011 – 9 AZR 416/10).

Der der Entscheidung des BAG vom 22. September 2015 zugrundeliegende Rechts-streit betraf die Abgeltung von Urlaubsansprüchen des vormaligen Klägers (Erblassers). Auf sein Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L) in der vom 1. März 2009 bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung Anwendung. Die Rechtsprechung des Urlaubssenats ist auf den Geltungsbereich des TVöD übertragbar.

Die Klägerinnen sind die Erbinnen des am 15. Mai 2013 verstorbenen Erblassers. Dieser war seit seiner Anerkennung als Schwerbehinderter am 9. Januar 2008 bis zu seinem Tod am 15. Mai 2013 arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete bereits am 17. März 2011. Die Parteien stritten über den Verfall des wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch genommenen Urlaubs und um den daraus resultierenden Übergang des Abgeltungsanspruchs auf die Erbinnen, da der Erblasser vor Abschluss des Verfahrens verstarb.

Bereits vor dem Hintergrund der EuGH Entscheidung vom 20. Januar 2009 in den verbundenen Rechtssachen - C-350/06 und C-520/06 ("Schultz-Hoff u. a.") hatte das BAG seine Rechtsprechung hinsichtlich des (späteren) Verfalls von gesetzlichen Urlaubsansprüchen, die aufgrund von Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch genommen werden können, den Vorgaben des Gerichtshofes angepasst. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem zu entscheidenden Fall waren demnach die noch nicht in Anspruch genommenen Urlaubsansprüche nicht verfallen und wandelten sich nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Urlaubsabgeltungsanspruch.

Ebenfalls in Folge der "Schultz-Hoff u. a."-Entscheidungen gab der Urlaubssenat seine Surrogatstheorie auf und ordnete den Urlaubsabgeltungsanspruch als reinen Geldanspruch ein; dieser unterscheidet sich nicht von anderen Zahlungsansprüchen gegen den Arbeitgeber (vgl. BAG vom 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - und vom 19. Juni 2012 - 9 AZR 652/10 -). Damit unterliegt dieser Anspruch, wenn er einmal entstanden ist, nicht dem Grundsatz der Unabdingbarkeit des § 13 Abs. 1 BUrlG. Die Urlaubsabgeltung ist weder von der Erfüllbarkeit noch von der Durchsetzbarkeit des Urlaubsanspruchs abhängig, geht nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers unter und wird mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort fällig.

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