Die in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Gruppenmerkmale dürfen letztlich mit Blick auf die Menschenwürde bei der Bildung von Vergleichsgruppen keine Rolle spielen. Das entspricht im Ansatz (nicht in den Einzelheiten) übereinstimmender Überzeugung der Völkergemeinschaft (s. nur Art. 1 Abs. 3 UN-Charta; Art. 2 Abs. 1 AMRE; Art. 14 EMRK; Art. 21 EU Grundrechtscharta) und wurzelt in der geschichtlichen Erfahrung mit vielfältiger Verfolgung und Diskriminierung von Minderheiten. Dennoch führte die Grundrechtsnorm in der Rechsprechung des Bundesverfassungsgerichts bisher "ein merkwürdiges Schattendasein".[1] Es steht allerdings zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht über Art. 3 Abs. 3 GG die Rechtsprechung des EuGH zur Antidiskriminierung aufnehmen wird.

Personen, die nur insoweit "ungleich" sind, als sie das in Art. 3 Abs. 3 genannte betreffende Merkmal aufweisen oder nicht, sind als "gleich" zu behandeln: "Das Geschlecht darf grundsätzlich - ebenso wie die anderen in Absatz 3 genannten Merkmale - nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt".[2]

 
Praxis-Beispiel

.[3] Gegen eine Firma wird ein Bußgeld verhängt, weil sie entgegen eines in der Arbeitszeitordnung vorgesehenen Nachtarbeitsverbots für Arbeiterinnen in der Nachtzeit Frauen beschäftigt. Dies ist rechtswidrig. Die AZO verstößt gegen das absolute Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG, weil es für die Differenzierung keinen sachlichen Grund gibt.

In Bezug auf dieses erste in Art. 3 Abs. 3 GG genannte Gruppenmerkmal "Geschlecht" ist vor allem zu erörtern, wie sich die Norm zu anderen Gleichberechtigungsregeln verhält. In Konkurrenz zum allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1GG) hat Art. 3 Abs. 3 GG grundsätzlich Vorrang. Hingegen ist dessen Verhältnis (mit Blick auf die doppelte Berücksichtigung des Geschlechts) zu Art. 3 Abs. 2 GG komplizierter: Während Art. 3 Abs. 3 GG die geschlechtsbezogene Gruppenbildung betrifft und sie verbietet, hat Art. 3 Abs. 2 GG einen darüber hinausgehenden Regelungsgehalt, indem er auf die Gleichstellung der Frauen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zielt (näher Die Gleichberechtigung der Frauen, Art. 3 Abs. 2 GG). Daraus ergibt sich zwangsläufig eine Kollision mit Art. 3 Abs. 3 GG, weil gezielte Frauenförderung notwendigerweise nach dem Geschlecht differenziert, wenn nicht unmittelbar, so doch zumindest mittelbar. Man löst diese Kollision (ggf. unter Berücksichtigung von Art. 33 Abs. 2 und 3 GG) heute überwiegend mithilfe von die so genannten einzelfallbezogenen Quoten (s. Das Bundesgesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern).

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