Entscheidungsstichwort (Thema)

ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL DES AFFAIRES DE SECURITE SOCIALE DE NANTERRE - FRANKREICH. KOOPERATIONSABKOMMEN EWG-ALGERIEN. ARTIKEL 39 ABSATZ 1. UNMITTELBARE WIRKUNG. DISKRIMINIERUNGSVERBOT. GELTUNGSBEREICH. WITWE EINES ALGERISCHEN ARBEITNEHMERS, DER IN EINEM MITGLIEDSTAAT BESCHAEFTIGT WAR. ZUSATZBEIHILFE DES FONDS NATIONAL DE SOLIDARITE. Verträge der Gemeinschaft. Unmittelbare Wirkung. Artikel 39 Absatz 1 des Kooperationsabkommens EWG°. Algerien. Völkerrechtliche Verträge. Kooperationsabkommen EWG. In einem Mitgliedstaat beschäftigte algerische Arbeitnehmer. Soziale Sicherheit. Gleichbehandlung. Ablehnung der Gewährung einer von einem nationalen Solidaritätsfonds gezahlten und zur Erhöhung der Einkünfte von Rentenempfängern bestimmten Beihilfe an die Witwe eines algerischen Arbeitnehmers, die weiterhin im Mitgliedstaat der Beschäftigung des Arbeitnehmers wohnt und eine Hinterbliebenenrente bezieht, aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit °. Unzulässigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Artikel 39 Absatz 1 des Kooperationsabkommens zwischen der EWG und Algerien, der klar, eindeutig und unbedingt das Verbot begründet, Arbeitnehmer algerischer Staatsangehörigkeit und die mit ihnen zusammenlebenden Familienangehörigen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit zu benachteiligen, enthält eine klare und eindeutige Verpflichtung, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlaß eines weiteren Aktes abhängen.

Nach ihrem Wortlaut sowie nach dem Ziel und dem Wesen des Abkommens, in dem sie steht, ist diese Bestimmung geeignet, unmittelbar angewandt zu werden, woraus folgt, daß der einzelne, auf den diese Bestimmung anwendbar ist, das Recht hat, sich vor den nationalen Gerichten auf sie zu berufen.

2. Aus dem in Artikel 39 Absatz 1 des Kooperationsabkommens EWG°Algerien enthaltenen Verbot jeder Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit im Bereich der sozialen Sicherheit folgt, daß der Witwe eines algerischen Wanderarbeitnehmers, die im Gebiet des Mitgliedstaats, in dem dieser Arbeitnehmers beschäftigt war, wohnt und dort für den Bezug einer von einem nationalen Solidaritätsfonds gezahlten beitragsunabhängigen Sonderleistung, die einkommensergänzend zur Sicherung eines Existenzminimums für die Empfänger einer Hinterbliebenenrente vorgesehen ist und deren Gewährung nicht voraussetzt, daß der Empfänger früher Arbeitnehmer war, alle Voraussetzungen mit Ausnahme derjenigen der Staatsangehörigkeit erfüllt, diese Leistung nicht wegen ihrer Staatsangehörigkeit versagt werden darf.

Der persönliche Geltungsbereich der genannten Bestimmung erstreckt sich nämlich nicht nur auf den algerischen Arbeitnehmer selbst, sondern auch auf seine Familienangehörigen, die nach seinem Tod in dem Mitgliedstaat, in dem er beschäftigt war, wohnen bleiben, ohne daß hinsichtlich dieser Angehörigen zwischen eigenen und abgeleiteten Rechten zu unterscheiden wäre, und der sachliche Geltungsbereich der Bestimmung erstreckt sich auf alle Leistungen, für die die Verordnung Nr. 1408/71 gemäß ihrem Artikel 4 gilt.

 

Normenkette

Kooperationsabkommen EWG°Algerien Art. 39 Abs. 1

 

Beteiligte

Zoulika Krid

Caisse nationale d'assurance vieillesse des travailleurs salariés (CNAVTS)

 

Tenor

Artikel 39 Absatz 1 des am 26. April 1976 in Algier unterzeichneten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien, im Namen der Gemeinschaft genehmigt durch die Verordnung (EWG) Nr. 2210/78 des Rates vom 26. September 1978, ist dahin auszulegen, daß er es einem Mitgliedstaat verwehrt, der Witwe eines algerischen Arbeitnehmers, die in diesem Mitgliedstaat wohnt und dort eine Hinterbliebenenrente bezieht, eine Leistung wie die Zusatzbeihilfe des FNS, die die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats für dessen Staatsangehörige mit Wohnsitz im Inland vorsehen, mit der Begründung zu versagen, daß die Betroffene die algerische Staatsangehörigkeit besitzt.

 

Gründe

1 Das Tribunal des affaires de sécurité sociale Nanterre hat mit Urteil vom 16. Dezember 1993, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 25. März 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 39 Absatz 1 des am 26. April 1976 in Algier unterzeichneten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien, im Namen der Gemeinschaft genehmigt durch die Verordnung (EWG) Nr. 2210/78 des Rates vom 26. September 1978 (ABl. L 263, S. 1, im folgenden: Kooperationsabkommen), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Zoulika Krid (im folgenden: Klägerin), die die algerische Staatsangehörigkeit besitzt, und der Caisse nationale d' assurance vieillesse des travailleurs salariés (im folgenden: Beklagte), in dem es um die Versagung einer Zusatzbeihilfe des Fonds national de solidarité (im folgenden: FNS) geht.

3 Aus den Akten geht hervor, daß die Klägerin die Witwe...

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