Entscheidungsstichwort (Thema)

Kooperationsabkommen. Algerischer Arbeitnehmer. Ruhestand. Behinderte Ehefrau. Beihilfe für Behinderte

 

Normenkette

EWGV 2210/78; EGV Art. 177 a.F.

 

Beteiligte

Babahenini

Henia Babahenini

Belgischer Staat

 

Gründe

1.

Das Tribunal du travail Charleroi hat mit Urteil vom 18. März 1997, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 20. März 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 39 Absatz 1 des am 26. April 1976 in Algier unterzeichneten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien, im Namen der Gemeinschaft genehmigt durch die Verordnung (EWG) Nr. 2210/78 des Rates vom 26. September 1978 (ABl. L 263, S. 1; im folgenden: Abkommen), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Babahenini (im folgenden: Klägerin), die die algerische Staatsangehörigkeit besitzt, und dem Belgischen Staat (im folgenden: Beklagter) wegen der Versagung einer Beihilfe für Behinderte.

3.

Nach den Akten ist die Klägerin die Ehefrau eines im Ruhestand befindlichen algerischen Arbeitnehmers. Sie wohnt mit ihrem Ehemann in Belgien, wo dieser als Arbeitnehmer beschäftigt war und eine Altersrente nach dem belgischen Recht bezieht. Sie selbst hat in Belgien nie eine berufliche Tätigkeit ausgeübt. Es steht fest, daß sie körperlich behindert ist.

4.

Am 11. September 1995 beantragte die Klägerin eine Beihilfe für Behinderte gemäß dem belgischen Gesetz vom 27. Februar 1987 (Moniteur belge vom 1. April 1987, S. 4832).

5.

Nach Artikel 4 Absatz 1 dieses Gesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 1991 (Moniteur belge vom 1. August 1991, S. 16951) setzt ein Anspruch auf eine Beihilfe für Behinderte voraus, daß der Betroffene seinen tatsächlichen Wohnsitz in Belgien hat, Belgier, Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats der Gemeinschaft, Flüchtling, Staatenloser oder Inhaber einer unbestimmten Staatsangehörigkeit ist oder bis zum 21. Lebensjahr den nach dem belgischen Recht vorgesehenen Zuschlag zur Familienbeihilfe erhalten hat. Das Gesetz vom 20. Juli 1991 trat am 1. Januar 1992 in Kraft.

6.

Am 27. September 1995 lehnten die zuständigen belgischen Behörden den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, sie erfülle nicht die Voraussetzungen des Artikels 4 Absatz 1 des Gesetzes vom 27. Februar 1987 hinsichtlich der Staatsangehörigkeit.

7.

Am 29. November 1995 erhob die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage beim Tribunal du travail Charleroi und machte dabei einen Verstoß gegen Artikel 39 Absatz 1 des Abkommens geltend, wonach es den Behörden der Mitgliedstaaten untersagt sei, einem Antragsteller die Gewährung der beantragten Leistungen der sozialen Sicherheit unter Hinweis auf seine algerische Staatsangehörigkeit zu verweigern.

8.

Der Arbeitsauditor beim Tribunal du travail Charleroi vertritt indessen die Auffassung, daß die Klägerin nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 39 Absatz 1 des Abkommens falle, weil das im belgischen Recht vorgesehene Recht auf Behindertenbeihilfen als ein eigenes Recht anzusehen sei und die Klägerin nicht selbst die Arbeitnehmereigenschaft besitze.

9.

Das Tribunal du travail Charleroi hat die Frage aufgeworfen, ob diese Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht den Anwendungsbereich des Abkommens einschränke, das gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. per Analogie Urteil vom 31. Januar 1991 in der Rechtssache C-18/90, Kziber, Slg. 1991, I-199) auch für die Familienangehörigen des algerischen Wanderarbeitnehmers gelte. Außerdem hat das Tribunal du travail erklärt, die von der Klägerin beantragten Leistungen seien ihr nur wegen ihrer Staatsangehörigkeit und nicht deshalb versagt worden, weil sie keine berufliche Tätigkeit ausgeübt habe, ein Erfordernis, das im übrigen keineswegs für Inländer gelte.

10.

Das Tribunal de travail Charleroi ist daher der Auffassung, daß der Rechtsstreit Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwirft, und hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es unter Berücksichtigung des Artikels 39 des mit der Verordnung (EWG) Nr. 2210/78 genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien zulässig, daß ein Mitgliedstaat es ablehnt, einem algerischen Behinderten, der selbst nicht in Belgien gearbeitet hat, Beihilfen für Behinderte (hier: nach dem belgischen Gesetz vom 27. Februar 1987) zu gewähren, wenn der Betreffende zusammen mit seinem Ehegatten, der algerischer Staatsangehöriger ist und eine belgische Altersrente erhält, in Belgien wohnt?

11.

Zunächst ist auf das Ziel und die einschlägigen Vorschriften des Abkommens zu verweisen.

12.

Ziel des Abkommens ist es nach seinem Artikel 1, eine globale Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien zu fördern, um zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Algeriens beizutragen und die Vertiefung ihrer Beziehungen zu erleichtern. ...

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