Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 22.06.1994; Aktenzeichen L 12 (15) Ar 88/92)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Juni 1994 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Berichtigung seines Geburtsdatums in seiner Versicherungsnummer (VNr).

Dem in der Türkei geborenen Kläger wurde von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Unterfranken eine VNr erteilt, die als Geburtsdatum des Klägers den 12. Februar 1944 enthielt. Die VNr entsprach hinsichtlich des Geburtsdatums den vom Kläger zum damaligen Zeitpunkt gemachten Angaben.

Im August 1991 legte er der LVA Unterfranken das Urteil des Amtsgerichts Ordu (Türkei) vom 10. April 1991 vor, durch das sein bisheriges Geburtsdatum vom 12. Februar 1944 auf den 12. Februar 1940 abgeändert wurde. Die Beklagte, der dieser Antrag zuständigkeitshalber übersandt wurde, lehnte den Antrag des Klägers auf Berichtigung der VNr ab (Bescheid vom 10. August 1993; Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1993). Die VNr habe lediglich eine Ordnungsfunktion; eine Änderung komme dann nicht in Betracht, wenn das zugrunde gelegte Geburtsdatum den im Zeitpunkt der Vergabe vom Versicherten gemachten Angaben entspreche. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. Februar 1994). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 22. Juni 1994). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Nach der auch vom erkennenden Senat für zutreffend erachteten bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) begründe die Änderung des Geburtsdatums eines Ausländers in den Personenstandsunterlagen seines Heimatlandes keinen Anspruch auf Vergabe einer neuen VNr mit dem geänderten Geburtsdatum. Die Aufgabe der VNr bestehe allein in ihrer Ordnungsfunktion.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Wie sich aus § 1 Abs 5 der Verordnung über die Vergabe und Zusammensetzung der VNr (VNV) ergebe, könne auch eine einmal vergebene VNr durch Vergabe einer neuen VNr dann geändert werden, wenn das Geburtsdatum des Versicherungsnehmers in der VNr unrichtig sei. Wenn das BSG annehme, das für die VNr maßgebliche Geburtsdatum sei das, welches von der betreffenden Person bei ihrer Vergabe angegeben worden sei, so sei dies rechtsfehlerhaft. Hier könne sowohl durch Urteil des Amtsgerichts Ordu wie auch durch Zeugen bewiesen werden, daß der Kläger nicht 1944, sondern 1940 geboren sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21. Februar 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10. August 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1993 zu verurteilen, das Geburtsdatum des Klägers in der Versicherungsnummer dergestalt zu berichtigen, daß als Geburtsdatum der 12. Februar 1940 ausgewiesen werde.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die durch Zulassung statthafte Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Berichtigung seiner VNr hat. Wie der Senat mit den Urteilen vom 13. und 14. Oktober 1992 (5 RJ 16/92 -BSGE 71, 170 = SozR 3-5748 § 1 Nr 1 – und 5 RJ 24/92 – SozVers 1993, 278) entschieden hat, begründet die Änderung des Geburtsdatums eines Ausländers in den Personenstandsunterlagen seines Heimatlandes keinen Anspruch auf Vergabe einer neuen VNr mit dem geänderten Geburtsdatum (vgl auch Urteil des Senats vom 18. Januar 1995 – 5 RJ 20/94).

Das Geburtsdatum hat keine das Versicherungskonto kennzeichnende Bedeutung. Identifizierungsmerkmal für das Versicherungskonto ist vielmehr die VNr; nach ihr ist das Versicherungskonto des Versicherten „geordnet” (§ 149 Abs 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung -≪SGB VI≫). Als Bestandteil der VNr nimmt das Geburtsdatum zwar einerseits an dieser ordnenden Funktion der VNr teil, geht aber andererseits gehaltlich auch nicht darüber hinaus, dh entfaltet insbesondere keine Verbindlichkeit für den – in seinen Voraussetzungen selbständig zu beurteilenden – Leistungsfall. Eine die Beteiligten für den Leistungsfall bindende Bedeutung könnte der Erfassung des Geburtsdatums durch den Versicherungsträger daher nur zukommen, wenn eine entsprechende spezifische Rechtsnorm dies anordnete. Weder in der früher geltenden Regelung der Rentenversicherung durch die Reichsversicherungsordnung noch in der jetzt gültigen Normierung durch das SGB VI ist jedoch eine derartige Bindungsvorschrift zu finden. Bindende Wirkung hinsichtlich der Erfassung eines Geburtsdatums haben nach der innerstaatlichen Rechtsordnung noch nicht einmal die Eintragungen in die Personenstandsbücher. Das Personenstandsgesetz (PersStdG) sieht lediglich vor, daß die Eintragungen in die Personenstandsbücher bei ordnungsgemäßer Führung unter anderem die Geburt und die darüber gemachten näheren Angaben beweisen (§ 60 Abs 1 Satz 1 PersStdG). Der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen ist zulässig (§ 60 Abs 2 Satz 1 PersStdG). Die Eintragung des Geburtsdatums in die Personenstandsbücher ist damit auch weder für den Versicherungsträger noch den Versicherten rechtlich verbindlich. Jeder von ihnen kann den Beweis der Unrichtigkeit der Eintragung führen, falls für eine Entscheidung des Versicherungsträgers das Geburtsdatum rechtserheblich ist. Wenn aber schon der Gesetzgeber selbst den Eintragungen in die von Amts wegen geführten Personenstandsbücher keine abschließende Feststellungswirkung beimißt, sondern nur eine Beweisregel hinsichtlich ihrer Richtigkeit aufstellt, so bedürfte erst recht die Befugnis einer Selbstverwaltungskörperschaft, Feststellungen über ein Geburtsdatum mit verbindlicher Wirkung für einen Rechtsbereich zu treffen, einer besonderen gesetzlichen Regelung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174145

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