Leitsatz (amtlich)

Unter einem Versicherungsvertrag mit einer öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmung iS des GAL 1957 § 26 ist nur ein privater Rentenversicherungsvertrag zu verstehen; die freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung steht einem solchen Vertrag nicht gleich. Diese Regelung verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (GG Art 3 Abs 1).

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; GAL § 26 Fassung: 1957-07-27; GAL 1957 § 26 Fassung: 1957-07-27

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 19. März 1959 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der Kläger bewirtschaftet seit 1933 eine 12,1 ha große landwirtschaftliche Siedlerstelle. Vorher war er seit 1917 als Landarbeiter invalidenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Nach Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebes setzte er seine frühere Versicherung freiwillig fort. Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 30. Oktober 1957 den Kläger als beitragspflichtigen Unternehmer in Anspruch. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er habe durch die freiwillige Weiterversicherung bereits für sein Alter vorgesorgt. Die Beklagte wies den Widerspruch am 3. Juni 1958 zurück, weil die freiwillige Versicherung in der Rentenversicherung nach § 26 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) keinen Grund zur Befreiung von der Beitragspflicht darstelle. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen, die freiwillige Versicherung in der Rentenversicherung der Arbeiter sei eine umfassendere und sicherere Altersversorgung als ein privater Versicherungsvertrag; sie müsse daher hinsichtlich der Befreiung von der Beitragspflicht die gleiche Wirkung haben. Das Sozialgericht (SG.) hat durch Urteil vom 14. August 1958 der Klage stattgegeben. Dagegen hat das Landessozialgericht (LSG.) durch Urteil vom 19. März 1959 die Klage abgewiesen; an der Entscheidung haben als Landessozialrichter je ein Beisitzer aus dem Kreis der Arbeitgeber und der Versicherten der Sozialversicherung mitgewirkt. Zur Begründung hat das LSG. ausgeführt, der Senat habe auch in den Streitsachen aus dem Gebiet der Altershilfe für Landwirte in der gleichen Besetzung wie in den übrigen Sozialversicherungssachen zu entscheiden, weil das Gesetz insoweit keine andere Regelung getroffen habe. Eine Befreiung von der Beitragspflicht nach § 8 Abs. 2 GAL liege nicht vor, weil der Kläger nicht in der Rentenversicherung der Arbeiter pflichtversichert sei. § 26 GAL sei nicht anwendbar, weil der Kläger keinen Versicherungsvertrag mit einer öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmung abgeschlossen habe und die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung einem solchen Vertrag nicht gleichgestellt werden könne. Darin liege keine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 des Grundgesetzes - GG -), weil die Regelung in § 26 GAL nicht willkürlich sei. Das LSG. hat die Revision zugelassen.

Das Urteil ist dem Kläger am 15. Mai 1959 zugestellt worden. Er hat am 13. Juni 1959 die Bewilligung des Armenrechts und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Diesem Antrag hat der Senat durch Beschluß vom 5. Februar 1960 stattgegeben. Der Prozeßbevollmächtigte hat daraufhin am 26. Februar 1960 Revision eingelegt und das Rechtsmittel im gleichen Schriftsatz begründet. Gleichzeitig hat er um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und der Revisionsbegründungsfrist gebeten.

Der Kläger rügt zunächst die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts; er meint, als Landessozialrichter dürfe kein Arbeitnehmer tätig werden, da auf dem Gebiet der Alterssicherung für Landwirte nur Ansprüche von Selbständigen zur Entscheidung stünden. Im übrigen ist er der Ansicht, eine freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sei einem Versicherungsvertrag im Sinne des § 26 GAL gleichzustellen. Es würde gegen den Gleichheitssatz verstoßen, wenn die freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung Weiterversicherten von der Möglichkeit ausgeschlossen seien, den Antrag auf Beitragsbefreiung nach § 26 GAL zu stellen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG. Schleswig vom 19. März 1959 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG. Schleswig vom 14. August 1958 zurückzuweisen.

Die Beklagte bittet um

Zurückweisung der Revision.

II.

Der Senat hat zunächst geprüft, ob er in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Beisitzer aus dem Kreis der Arbeitgeber und der Versicherten der Sozialversicherung vorschriftsmäßig besetzt ist, weil von der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts die Zulässigkeit jeder richterlichen Tätigkeit abhängt (vgl. BSG. 11 S. 1). Er ist dabei, wie er in der am gleichen Tage entschiedenen Sache - 3 RLw 1/59 - näher begründet hat, zu dem Ergebnis gekommen, diese Besetzung entspreche dem Gesetz. Dies ergibt sich aus § 22 GAL, wonach öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten dieses Gesetzes Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind. Nach § 12 Abs. 2 SGG gehören den Kammern der Sozialgerichte für Angelegenheiten der Sozialversicherung je ein ehrenamtlicher Beisitzer aus dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Das gleiche gilt für die Senate der Landessozialgerichte und des Bundessozialgerichts - BSG. - (§§ 33, 40 SGG). Ausnahmevorschriften, wie sie in § 12 Abs. 3 Satz 2 SGG für die Entscheidung von Streitigkeiten in den Angelegenheiten der Kassenärzte (Kassenzahnärzte) bestehen, gelten für das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte nicht; § 13 GAL, wonach in Angelegenheiten des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte in den Organen der Selbstverwaltung der landwirtschaftlichen Alterskassen die Vertreter der Arbeitnehmer nicht mitwirken, betrifft nur die Selbstverwaltung der landwirtschaftlichen Alterskassen, aber nicht das sozialgerichtliche Verfahren. Der erkennende Senat ist daher mit je einem Bundessozialrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber und der Versicherten der Sozialversicherung gesetzmäßig besetzt, und der Kläger kann auch - wie schon hier gesagt sei - mit seiner Rüge, das LSG. sei vorschriftswidrig besetzt gewesen, nicht durchdringen.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist als form- und fristgerecht eingelegt anzusehen, weil dem Kläger gegen Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist; er war vor der Entscheidung über sein Armenrechtsgesuch und der Beiordnung eines Rechtsanwalts ohne sein Verschulden verhindert, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten (§ 67 SGG). Die Revision ist jedoch unbegründet.

Das LSG. hat ohne Rechtsirrtum den Kläger als beitragspflichtigen Unternehmer angesehen. Nach § 8 Abs. 1 GAL ist jeder hauptberufliche landwirtschaftliche Unternehmer beitragspflichtig. Nach § 8 Abs. 2 besteht jedoch keine Beitragspflicht für solche landwirtschaftlichen Unternehmer, die wegen einer regelmäßigen Beschäftigung oder Tätigkeit versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sind, und zwar für die Dauer der diese Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung oder Tätigkeit. Diese Vorschrift ist hier nicht anwendbar, weil der Kläger nicht als Pflichtversicherter, sondern als freiwillig Versicherter der Rentenversicherung der Arbeiter angehört. Er könnte deshalb gemäß § 26 GAL nur dann auf seinen Antrag von der Beitragspflicht befreit werden, wenn er bis zum 1. Januar 1957 mit einer öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmung einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hätte, auf Grund dessen für den Fall des Todes oder des Erlebens des 65. Lebensjahres ein Anspruch auf Zahlung einer Rente von mindestens 50,- DM für den Erlebensfall und mindestens 30,- DM für den Todesfall an den überlebenden Ehegatten gegeben wäre. Die freiwillige Versicherung in der Rentenversicherung der Arbeiter kann aber einem derartigen Versicherungsvertrag nicht gleichgestellt werden. Schon der Wortlaut des Gesetzes spricht dagegen. Versicherungsverträge werden auf privatrechtlicher Grundlage mit privaten oder öffentlichen Versicherungsunternehmungen abgeschlossen, die Fortsetzung einer Versicherung in der Rentenversicherung der Arbeiter beruht aber nicht auf einem Versicherungsvertrag; sie begründet zudem ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsträger, auf das nicht die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes, sondern der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung finden. Des weiteren sind die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung keine öffentlichen oder privaten "Versicherungsunternehmungen", wie es § 26 GAL verlangt. Auch im Hinblick auf die dem § 26 GAL im Gesetz vorangestellten Überschrift ("Übergangsregelungen für Inhaber privater Rentenversicherungsverträge") kann nach dem hier eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers Beitragsfreiheit nur auf Grund eines den Kläger bindenden privaten Versicherungsvertrags, nicht aber auf Grund freiwilliger Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung herbeigeführt werden. Für diese Auslegung des Gesetzes spricht im übrigen auch, daß in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht Renten in bestimmter Mindesthöhe gewährt werden, wie es in § 26 GAL verlangt wird; die Höhe der Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung hängt von vielen nicht voraussehbaren Umständen ab (so Beitragsdauer, Höhe des Arbeitsentgelts). Eine Befreiung soll aber nach dem Willen des Gesetzes nur eintreten, wenn der Unternehmer durch einen privaten Versicherungsvertrag eine Altersvorsorge getroffen hat, die in ihrer Höhe einigermaßen dem entspricht, was als Leistungen nach dem GAL zu erwarten wäre. Die Befreiung von der Beitragspflicht ist somit bei freiwilliger Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zulässig (ebenso Schewe-Zöllner, Die Alterssicherung der Landwirte, § 26 Anm. 2 a; Noell, Altershilfe für Landwirte, S. 63).

Diese Regelung des § 26 GAL verstößt - entgegen der Meinung des Klägers - nicht gegen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Die bei der gesetzlichen und der privaten Versicherung bestehenden Unterschiede sind so groß, daß sie den Gesetzgeber ohne Mißbrauch seines gesetzgeberischen Ermessens zu einer unterschiedlichen Behandlung der Versicherten berechtigen. Während in der privaten Rentenversicherung der Versicherte durch den Vertrag - vorbehaltlich seines Kündigungsrechts nach § 165 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) - zur laufenden Prämienzahlung verpflichtet ist, kann er die freiwillige Weiterversicherung jederzeit beenden. Bei einer privaten Rentenversicherung stehen die später zu erwartenden Leistungen fest, während bei der Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung insbesondere in den Fällen des Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) die später zu erwartenden Leistungen nicht sicher voraussehbar sind, weil die Anwendung der Vergleichsberechnung u.a. die laufende Zahlung von neun Monatsbeiträgen in den Jahren 1957 bis 1961 voraussetzt. Es ergäben sich deshalb bei der Feststellung, ob die Beträge des § 26 GAL durch eine Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht werden, erhebliche Schwierigkeiten. Mag es auch der Sache nach schwer verständlich sein, daß der Gesetzgeber in § 26 GAL die Vorsorge durch freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung anders behandelt hat als die Vorsorge durch Abschluß eines privaten Versicherungsvertrages, so sind doch immerhin die dargelegten Unterschiede beider Sicherungsformen so erheblich, daß eine Verletzung des verfassungsmäßigen Gleichbehandlungsgrundsatzes noch nicht angenommen werden kann. Dabei ist auch im Sinne der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung zu berücksichtigen, daß nach § 26 GAL nicht alle privaten Rentenversicherungsverträge zu einem Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht berechtigen, sondern nur die bis zum 1. Januar 1957 abgeschlossenen, und daß der Antrag nur innerhalb von zwölf Monaten nach dem Inkrafttreten des GAL gestellt werden kann. Es ist somit nur für eine gewisse Übergangszeit eine Befreiung von der Beitragspflicht möglich.

Die Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2325803

BSGE, 88

NJW 1960, 1688

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