Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Rentenversicherungspflicht. Befreiung. Selbstständiger Lehrer. Stichtagsregelung. Klärungsbedürftigkeit. Verfassungsmäßigkeit. Begründung

 

Orientierungssatz

Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit hinsichtlich der Stichtagsregelung in § 231 Abs 6 SGB 6 sind nicht deshalb geringer, weil ein Versicherter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Regelung andeutet. Vielmehr muss die Begründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu Art 3 Abs 1 GG allgemein und zur Verfassungsmäßigkeit von Stichtagsregelungen im Besonderen darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 = BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11).

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; SGB 6 § 231 Abs. 6; SGG § 160a Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 18.03.2005; Aktenzeichen L 13 RA 14/03)

SG Düsseldorf (Urteil vom 07.01.2003; Aktenzeichen S 22 RA 60/02)

 

Gründe

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über den Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als selbstständiger Lehrer.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. März 2005 ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht oder - bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden.

Der Kläger beruft sich zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung. Die Beschwerdebegründung muss hierzu ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr: BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger hat zwar ausgeführt, "... es stellt sich bei Auslegung des § 2 Satz 1 Ziffer 9 SGB VI die Frage, ob nicht eine speziellere Vorschrift vorliegt, welche die Schutzbedürftigkeit für solche Selbständige mit verschiedenen Auftraggebern verneint, sodass auch konsequenterweise die Versicherungspflicht für diejenigen Lehrer entfallen muss, die nachweisen können, dass sie nicht im wesentlichen von mehr als einem Auftraggeber abhängig sind". Da es jedenfalls an den erforderlichen Darlegungen zur Klärungsfähigkeit fehlt, kann unerörtert bleiben, ob der Kläger hiermit eine (zumindest nach einer dem zu vermutenden Sinn seines Begehrens Rechnung tragenden Korrektur) hinreichend konkrete Rechtsfrage formuliert und deren Klärungsbedürftigkeit aufgezeigt hat. Bei § 2 Satz 1 Nr 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) handelt es sich nämlich auch insoweit um eine Regelung der Versicherungspflicht, als der Kläger offenbar der Auffassung ist, der Norm sei über ihren konkreten Anwendungsbereich hinaus eine generelle Neueinschätzung der Schutzbedürftigkeit Selbstständiger zu entnehmen. Er hat indes unerörtert gelassen, warum es hierauf im Zusammenhang des vorliegenden Rechtsstreits ankommen könnte, obwohl dessen Streitgegenstand allein auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Befreiung von der ihrerseits vorweg und bindend festgestellten Versicherungspflicht beschränkt ist. Hinsichtlich der fehlenden Darlegung der Klärungsfähigkeit gilt nichts anderes, soweit der Kläger - ebenfalls im Zusammenhang mit der Versicherungspflicht - die "Beachtung europarechtlicher Vorgaben" anspricht bzw eine Aussetzung des Verfahrens nach Art 100 Grundgesetz (GG) für geboten hält, obwohl insofern schon dunkel bleibt, auf welchen Zulassungsgrund sich der Kläger jeweils berufen will. Soweit der Kläger darüber hinaus die Stichtagsregelung in § 231 Abs 6 SGB VI problematisieren will, fehlt es jedenfalls an Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit. Diese sind nicht etwa deshalb geringer, weil der Kläger Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Regelung andeutet. Vielmehr hätte die Begründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BSG zu Art 3 Abs 1 GG allgemein und zur Verfassungsmäßigkeit von Stichtagsregelungen im Besonderen darlegen müssen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (BSG in SozR 1500 § 160a Nr 11). Hieran fehlt es indes selbst ansatzweise. Im Übrigen fehlten auch hier Ausführungen zur Klärungsfähigkeit, dh die Darlegung, dass die Voraussetzungen des § 231 Abs 6 SGB VI für eine Befreiung ohne Beachtung der Stichtagsregelung vorliegen.

Der Kläger macht darüber hinaus eine "Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts" geltend. Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellt hat. Die Beschwerdebegründung muss daher erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den herangezogenen höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG in SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67). Der Kläger hat jedenfalls einen oder mehrere vom Berufungsgericht aufgestellte Rechtssätze nicht angegeben. Soweit er vortragen will, das LSG habe die oberstgerichtliche Rechtsprechung auf den konkreten Sachverhalt nicht bzw unzutreffend angewandt, verkennt er die Voraussetzungen der Revisionszulassung. Nicht die etwaige Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (vgl dazu SozR 3-1500 § 160 Nr 26).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1755732

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