Entscheidungsstichwort (Thema)

Genügende Erörterung der Streitsache. Verletzung des § 103 SGG

 

Orientierungssatz

1. Der Beschwerdeführer muß bei der Rüge eines Verfahrensfehlers darlegen warum und wodurch es trotz gegebener rechtlicher Möglichkeiten nicht möglich gewesen sein soll, in einem Termin, in dem er rechtskundig vertreten war, auf die "genügende Erörterung der Streitsache" iS von §§ 121, 153 SGG zu dringen.

2. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nur dann verpflichtet, Sachverständige auf Antrag zur mündlichen Erläuterung ihrer schriftlichen Gutachten zu laden, wenn der Antragsteller sachdienliche Fragen ankündigt.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3, §§ 103, 121, 153 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 19.07.1990; Aktenzeichen L 1 U 63/89)

 

Gründe

Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, bei ihr einen Zustand nach Hirnabszeß als Folge einer Berufskrankheit nach Nr 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihr Verletztenrente zu gewähren, ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 22. Juli 1983; Urteile des Sozialgerichts vom 17. August 1989 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 19. Juli 1990). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, es habe sich aufgrund der Beweisaufnahme nicht feststellen lassen, daß die Klägerin durch ihre Tätigkeit in der Zentralsterilisation des St.       Krankenhauses in E.    eine Infektionskrankheit erlitten habe, die Ursache des bei ihr festgestellten Hirnabszesses einschließlich seiner Folgeerkrankungen sei.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin Verfahrensmängel geltend.

Die Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung verlangen diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54 und 58). Daran fehlt es der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin rügt als Verfahrensfehler, ihr sei in dem Termin am 19. Juli 1990 nicht hinreichend Zeit gegeben worden, die Streitsache "genügend" zu erörtern (§§ 121, 153 SGG). Diese Rüge ist unzulässig. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, warum und wodurch es ihr - trotz gegebener rechtlicher Möglichkeiten - nicht möglich gewesen sein sollte, in diesem Termin, in dem sie rechtskundig vertreten war, auf die "genügende Erörterung der Streitsache" zu dringen. Daß die Berufungsverhandlung sich "äußerst hektisch" gestaltet haben soll, reicht hierzu als Begründung nicht aus. Deshalb kann die Beschwerdeführerin diese Rüge in der Beschwerdeinstanz nicht mehr nachholen. Das gleiche gilt für die Verfahrensrüge der Klägerin, das LSG hätte einen von ihr im Termin am 19. Juli 1990 gestellten Beweisantrag, den Sachverständigen Dr. U.    mündlich zu hören, nicht protokolliert. Davon abgesehen hat die Beschwerdeführerin auch nicht vorgetragen, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Die Klägerin hat nämlich nicht dargelegt, inwiefern bei Protokollierung des Antrags auf Anhörung des Sachverständigen Dr. U.    das LSG zu einem der Beschwerdeführerin sachlich günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (s Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990 RdNr 203 mwN).

Der weitere von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verfahrensfehler kann auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Auch diese Voraussetzungen hat die Beschwerdeführerin nicht schlüssig dargelegt. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nur dann verpflichtet, Sachverständige auf Antrag zur mündlichen Erläuterung ihrer schriftlichen Gutachten zu laden, wenn der Antragsteller sachdienliche Fragen ankündigt (s Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, § 118 RdNr 12a). Zwar kann vom Beteiligten nicht verlangt werden, seine Fragen im einzelnen auszuformulieren. Die Notwendigkeit der Befragung muß jedoch nachvollziehbar dargelegt werden (s Beschluß des Senats vom 2. November 1989 - 2 BU 112/89 - mwN). Diesen Anforderungen wurde die Beschwerdeführerin weder - nach dem Akteninhalt - im Berufungsverfahren gerecht, noch genügt das Beschwerdevorbringen diesen Erfordernissen, selbst wenn man entsprechend ihrem Vortrag davon ausgeht, sie habe am 19. Juli 1990 einen Beweisantrag auf Anhörung des Sachverständigen Dr. U.    gestellt. Dies gilt insbesondere für den lediglich allgemein gehaltenen Hinweis der Beschwerdeführerin auf die unterschiedlichen Gutachtenergebnisse zwischen Prof. Dr. L.          und Prof. Dr. S.     einerseits und Dr. U.    andererseits.

Soweit der Beschwerdebegründung auch die Rüge entnommen werden kann, das LSG habe die Beweise unzutreffend gewürdigt, indem es den Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. L.          und Prof. Dr. S.     gefolgt sei, ist diese Rüge ebenfalls unzulässig, weil nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden kann (s BSG SozR 1500 § 160 Nr 26). Gegenstand des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde ist zudem nicht die Frage, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Gerade aber dies macht die Beschwerdeführerin im Kern zum Gegenstand ihrer Beschwerdebegründung.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650847

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