Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung: Pharmazieingenieurin in Krankenhausapotheke

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelsache zum Senatsurteil vom 25. September 1996 – 4 AZR 189/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen

 

Normenkette

BAT-O/VKA §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 21.09.1994; Aktenzeichen 4 Sa 468/93)

ArbG Neuruppin (Urteil vom 20.04.1993; Aktenzeichen 5 Ca 410/93)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 21. September 1994 – 4 Sa 468/93 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Vergütung der Klägerin für den Zeitraum von Juli 1991 bis März 1993.

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ÖTV, die Beklagte Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes Brandenburg e.V.

Die am 20. November 1956 geborene Klägerin war seit 1973 im Bezirkskrankenhaus N. bzw. R. Krankenhaus in der Krankenhausapotheke tätig. Auf den Briefbögen des R. Krankenhauses war als Träger des Krankenhauses der Kreis N., der ursprüngliche Beklagte, ausgewiesen. Am 1. Februar 1993 trafen der Kreis N. und die R. Klinikum g GmbH u.a. folgende Vereinbarung:

„§ 1 Übergang von Arbeitsverhältnissen

(1) Die Parteien sind sich einig, daß die Arbeitsverhältnisse der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer auf die „Ruppiner Klinikum g GmbH” übergehen, es sei denn, der jeweils betroffene Arbeitnehmer widerspricht

§ 2 Information der Arbeitnehmer

Beide Parteien werden die Arbeitnehmer durch gemeinsam unterzeichnete Schreiben vom Betriebsübergang unterrichten.

§ 3 Besitzstand der Arbeitnehmer

(1) Die „R. Klinikum g GmbH” tritt gemäß § 613 a BGB in die Rechte und Pflichten aus den übergegangenen Arbeitsverhältnissen ein …”

Seit dem 18. Januar 1993 betrieb die R. Klinikum GmbH i.G. das Krankenhaus.

Die Klägerin schloß ihre Ausbildung zur Apothekenfacharbeiterin im Februar 1975 ab. Sie nahm vom 1. September 1976 bis zum 31. Januar 1981 an einem Fernstudium der Fachrichtung Pharmazie teil. Nach dem Zeugnis über den Fachschulabschluß vom 1. Februar 1981 ist sie berechtigt, die Berufsbezeichnung „Pharmazieingenieur” zu führen. Das Sächsische Staatsministerim für Wirtschaft und Kunst teilte der Klägerin mit, daß der an der Ingenieurschule für Pharmazie in Leipzig erworbene Abschluß formal Abschlüssen gleichstehe, die an Vorläufereinrichtungen von Fachhochschulen (Ingenieurschulen und Höheren Fachschulen) in den alten Bundesländern erworben worden seien.

Die Klägerin ist zu 64 % ihrer Arbeitszeit mit der Herstellung von Rezepturen und zu 21 % mit der Herstellung von Zytostatiken beschäftigt. Die restliche Zeit umfaßt das Beliefern der Stationen (7,5 %) und allgemeine Apothekentätigkeiten (7,5 %). Die Klägerin arbeitet nicht unter Aufsicht. Sie ist dem Krankenhausapotheker unterstellt.

Sie wurde wie eine pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) nach der VergGr. V c BAT-O vergütet.

In der Sitzung des Gruppenausschusses der VKA für Kranken- und Pflegeanstalten am 21. Oktober 1991 wurde festgestellt, daß nach der Anlage I Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt II Nr. 22 a des Einigungsvertrages Pharmazieingenieure hinsichtlich ihrer Berufsausübung wie Apothekerassistenten zu behandeln sind. In der Sitzungsniederschrift heißt es weiter:

„Tätigkeitsmerkmale für Apothekerassistenten sind in der Anlage 1 a zum BAT nicht enthalten. Unter Hinweis auf seinen Beschluß vom 29. März 1974 zur Eingruppierung von Apothekenanwärtern/Apothekerassistenten erhob der Gruppenausschuß keine Bedenken, Pharmazieingenieure, die unter Aufsicht eines Apothekers tätig sind, während der ersten sechs Monate der Berufsausübung in VergGr. VII und danach in VergGr. VI b und Pharmazieingenieure, die selbständig ohne Aufsicht durch einen Apotheker tätig sind, in VergGr. V b und nach sechsmonatiger Berufsausübung in VergGr. IV b einzugruppieren”.

Mit ihrer am 8. Februar 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin unter Hinweis auf das Protokoll des Gruppenausschusses für den Zeitraum von Juli 1991 bis November 1991 die Vergütung nach der VergGr. V b BAT-O und für den Zeitraum von Dezember 1991 bis März 1993 nach der VergGr. IV b BAT-O begehrt. Sie hat die Vergütungsdifferenzen zu VergGr. V c BAT-O in unstreitiger Höhe von 8.396,95 DM geltend gemacht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei nach § 22 Abs. 1 BAT-O (VKA) i.V.m. Anlage 1 a Teil II A des Tarifvertrages für technische Angestellte vom 15. Juni 1972 in die VergGr. IV b einzugruppieren. Sie sei „technische Angestellte mit technischer Ausbildung” nach Nr. 2 der Vorbemerkung zu allen Vergütungsgruppen. Pharmazieingenieure seien nach dem Einigungsvertrag den Apothekerassistenten gleichgestellt. Das Apothekervorexamen, das Apothekerassistenten auszeichne, stehe der abgeschlossenen Fachhochschulausbildung gleich, was den Erwerb der Fähigkeiten anbelange. Im Gegensatz zur PTA, die pharmazeutische Tätigkeiten nur unter Aufsicht eines Apothekers ausüben dürfe, übe der Apothekenassistent diese Tätigkeit nur unter der Verantwortung eines Apothekers aus. Apothekerassistenten oder Pharmazieingenieure könnten den Apothekenleiter bis zu vier Wochen im Jahr vertreten. Damit werde die selbständige Berufstätigkeit der Apothekerassistenten deutlich von der Berufstätigkeit der PTA abgegrenzt.

Die Klägerin hat beantragt,

den beklagten Kreis zu verurteilen, an sie 8.396,75 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 30. März 1993 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er sei als Landkreis nicht Arbeitgeber der Klägerin. Passiv legitimiert sei die R Klinikum GmbH in Gründung.

Die Empfehlung des Gruppenausschusses führe nicht zu einem Rechtsanspruch der Klägerin. Da es besondere Tätigkeitsmerkmale für Pharmazieingenieure in der Anlage 1 a zum BAT-O (VKA) nicht gebe, sei die Tariflücke durch Anwendung des Tarifvertrages „Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen” vom 5. August 1971 zu schließen oder es seien die Tätigkeitsmerkmale der Fallgruppe 1 des Tarifvertrages vom 24. Mai 1975, die beim Fehlen von Merkmalen für eine bestimmte Tätigkeit als Auffangmerkmale anzusehen seien, anzuwenden.

In einer Krankenhausapotheke seien die Tätigkeiten einer Pharmazieingenieurin nicht von denen einer PTA zu unterscheiden. Die Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin umfasse das typische Berufsbild einer PTA.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung vom 8.396,75 DM für den in Rede stehenden Zeitraum. Die Vergütung der Klägerin hatte für den geltend gemachten Zeitraum weder nach der VergGr. V b BAT-O/VKA noch nach der VergGr. IV b BAT-O/VKA zu erfolgen. Deswegen konnte auch der Senat offen lassen, ob der beklagte Landkreis passiv legitimiert ist.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Bundes-Angestelltentarifvertrag Ost und die Anl. 1 a hierzu in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung Anwendung.

1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 8.396,95 DM folgt nicht aus der Festlegung des Gruppenausschusses der VKA vom 21. Oktober 1991. Die VKA ist zwar Tarifvertragspartei. Solche Feststellungen haben aber keinen rechtsgestaltenden Charakter für die Arbeitgeber, die Mitglieder der kommunalen Arbeitgeberverbände sind. Halten sich die Arbeitgeber nicht an eine solche bloß unverbindliche Empfehlung, ergibt sich daraus für den Arbeitnehmer kein Anspruch.

2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit zunächst davon ab, ob mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr in Anspruch genommenen VergGr. V b BAT-O bzw. IV b BAT-O entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT-O).

a) Damit ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Dazu haben weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht Ausführungen gemacht, während die Klägerin aus ihrer Sicht die Arbeitsvorgänge zusammengestellt und die Beklagte dem nicht widersprochen hat.

b) Zwar hat grundsätzlich der Senat die rechtliche Möglichkeit, die Arbeitsvorgänge der Klägerin selbst festzulegen (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 1992 – 4 AZR 69/92 – AP Nr. 164 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Das ist jedoch vorliegend nicht erforderlich, da die Klage aus anderen Gründen unbegründet ist. Im übrigen steht fest, daß die Klägerin ganz überwiegend mit der Herstellung von Rezepturen in ihrer spezifischen Funktion als Pharmazieingenieurin beschäftigt wird.

3. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß die Anlage 1 a zum BAT-O/VKA weder Tätigkeitsmerkmale für Pharmazieingenieure noch solche für Apothekerassistenten enthält, denen nach der Anlage I Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt II Nr. 22 a des Einigungsvertrages die Pharmazieingenieure gleichgestellt worden sind.

4. Zu Recht kommt das Landesarbeitsgericht auch zu dem Ergebnis, daß die Klägerin im Wege der gerichtlichen Lückenausfüllung nach den Tätigkeitsmerkmalen für pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) des Tarifvertrages „Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen” einzugruppieren ist.

a) Hierbei hat es die ständige Senatsrechtsprechung zugrunde gelegt, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien alle Angestellten des öffentlichen Dienstes nach der Vergütungsordnung des BAT einzugruppieren sind, sofern die Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen, was hier nicht der Fall ist.

Bei der Lückenausfüllung durch die Gerichte ist zu beachten, daß diese nur möglich ist, wenn hinreichende und sichere Anhaltspunkte dafür bestehen, wie die Tarifvertragsparteien die Lücke bei objektiver Betrachtung der wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge im Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses voraussichtlich geregelt hätten, falls sie an den nicht geregelten Fall gedacht hätten (BAGE 36, 218, 225 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, m.w.N.; Senatsurteil vom 18. Mai 1988 – 4 AZR 775/87 – AP Nr. 145 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Ergeben sich hiernach keine sicheren Anhaltspunkte für eine bestimmte zu vermutende Regelung oder sind verschiedene Regelungen denkbar, die billigem Ermessen entsprechen, kann ein mutmaßlicher Wille der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden und ist folglich keine Ausfüllung der Tariflücke durch die Gerichte möglich (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1981 – 4 AZR 569/79 – BAGE 36, 218 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten).

b) Beim Fehlen spezieller Tätigkeitsmerkmale sind bei der Eingruppierung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes zwar in der Regel die allgemeinen tariflichen Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnung des BAT für den Verwaltungsdienst heranzuziehen, da diesen nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eine Auffangfunktion zukommt (Senatsurteil vom 12. November 1986 – 4 AZR 718/85 – AP Nr. 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.; Senatsurteil vom 18. Mai 1988 – 4 AZK 775/87 –, a.a.O.). Entgegen der von der Revision hilfsweise vertretenen Auffassung sind aber die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst für die Eingruppierung der Klägerin nicht heranzuziehen. Wie das Landesarbeitsgericht insoweit zu Recht ausführt, gehören die Aufgaben einer Pharmazieingenieurin in einer Krankenhausapotheke auch nicht im weitesten Sinne zum Verwaltungsdienst. Die Revision hat jedenfalls keinen unmittelbaren Bezug der Tätigkeit der Klägerin zu den eigentlichen behördlichen bzw. herkömmlichen Verwaltungsaufgaben im engeren Sinne hergestellt (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1984 – 4 AZR 76/82 – AP Nr. 89 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

c) Entgegen der Auffassung der Revision sind nicht die tariflichen Tätigkeitsmerkmale für technische Angestellte nach dem „Tarifvertrag für Angestellte in technischen Berufen” vom 15. Juni 1972, geändert durch § 2 Abschn. C des Tarifvertrages zur Änderung der Anl. 1 a zum BAT vom 24. April 1991 heranzuziehen. Das Landesarbeitsgericht verneint insoweit zutreffend, daß die Klägerin nach den Merkmalen für Techniker eingruppiert werden kann.

Dabei kann dahinstellen, ob der Fachschulabschluß der Klägerin an der Fachschule für Pharmazie in Leipzig eine „technische Ausbildung” im Sinne der Bemerkung Nr. 2 zu allen Vergütungsgruppen ist und dem erfolgreichen Besuch einer in Nr. 2 aufgeführten Fachschule entspricht.

Die Klägerin ist keine technische Angestellte. Technische Angestellte und Techniker können nur solche Angestellte sein, deren Tätigkeit eine technische Ausbildung oder entsprechende technische Fachkenntnisse fordert und nach Art, Zweckbestimmung und behördlicher Übung technischen Charakter hat (vgl. Senatsurteil vom 3. Juni 1981 – 4 AZR 1178/78 – AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 18. Mai 1988 – 4 AZR 775/87 –, a.a.O.). Zwar mag die Tätigkeit der Klägerin einen gewissen technischen Charakter aufweisen; es handelt sich aber nicht um eine technische Tätigkeit. Dies hat die Klägerin jedenfalls nicht dargelegt. Die Klägerin ist als ausgebildete Pharmazieingenieurin überwiegend mit der Herstellung von Rezepturen befaßt. Dementsprechend wurden in der DDR Pharmazieingenieure dem medizinischen Bereich zugeordnet. Der Beruf des Pharmazieingenieurs war nach § 1 der 15. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Berufserlaubnis und Berufsausübung in den mittleren medizinischen Berufen sowie medizinischen Hilfsberufen vom 11. August 1971 (GBl DDR II S. 553) ein „mittlerer medizinischer Beruf” im Sinne der Verordnung über die Berufserlaubnis und die Berufsausübung in den mittleren medizinischen Berufen sowie in medizinischen Hilfsberufen vom 17. Februar 1955 (GBl DDR I S. 149 ff.).

d) Die Tätigkeit der Klägerin ist dem speziellen medizinisch-technischen Bereich zuzuordnen, den die Tarifvertragsparteien in dem Tarifvertrag vom 5. August 1971 für „Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen” erfaßt haben, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat. Ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung für technische Angestellte ist wegen dieser spezielleren tariflichen Regelung ausgeschlossen.

Die Tarifvertragsparteien haben in dem Tarifvertrag vom 5. August 1971 weder die Eingruppierung der Apothekerassistenten noch die der Pharmazieingenieure geregelt, weil es beide Berufsgruppen in der derzeitigen Form bei Abschluß des Tarifvertrages nicht gab, während die Berufsausbildung der pharmazeutisch-technischen Assistenten gesetzlich geregelt war. Der Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten wurde bereits durch das Gesetz über den Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten – PTA-Gesetz – vom 18. März 1968 (BGBl I S. 228) geschaffen, die Ausbildung durch die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für pharmazeutisch-technische Assistenten vom 12. August 1969 (BGBl I S. 1200) näher geregelt.

Die Ausbildung zum Pharmazieingenieur gab es in den alten Bundesländern nicht. Das Fachhochschulstudium des Berufsbildes des „Pharmaingenieurs bzw. des Diplom-Ingenieurs (FH) für Pharmatechnik” gibt es in der alten Bundesrepublik erst seit dem Wintersemester 1987/88, die ersten Diplom-Ingenieure der Pharmatechnik verließen erst im Herbst 1991 die Fachhochschule (vgl. Blätter zur Berufskunde, Bd. 2 I D 34, Diplom-Ingenieur/Diplom-Ingenieurin (FH) Pharmatechnik, S. 4). Das Berufsbild des Diplomingenieurs (FH) für Pharmatechnik ist nicht identisch mit dem Berufsbild des Pharmazieingenieurs in der ehemaligen DDR (vgl. Blätter zur Berufskunde, a.a.O., S. 68).

Die Tarifvertragsparteien haben die Eingruppierung der Apothekerassistenten, denen die Pharmazieingenieure nach Anlage 1 Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt II Nr. 22 a des Einigungsvertrages gleichgestellt worden sind, nicht geregelt, weil die Rechtsverhältnisse dieses „Mittelbaus” im Apothekenpersonal erst durch das am 9. Dezember 1973 in Kraft getretene Gesetz für die Rechtsstellung vorgeprüfter Apothekeranwärter vom 4. Dezember 1973 (BGBl I S. 1813 f.) geregelt worden sind. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber Folgerungen aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juli 1971 (BVerfGE 32, 1, 21 ff.) gezogen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschrift des § 11 Abs. 2 des PTA-Gesetzes vom 18. März 1968 insoweit für verfassungswidrig erklärt, als sie auch auf vorgeprüfte Apothekeranwärter, die ihre pharmazeutische Vorprüfung vor dem 1. Januar 1950 bestanden haben, Anwendung findet. Als Apothekerassistenten oder vorgeprüfte Apothekeranwärter werden diejenigen bezeichnet, die ursprünglich das Studium der Pharmazie angestrebt, die dafür vorgeschriebene zweijährige Praktikantenzeit mit anschließender pharmazeutischer Vorprüfung sowie einer weiteren einjährigen Assistentenzeit abgeleistet, dann aber die Apothekerausbildung nicht fortgesetzt, sondern im Anschluß daran eine Tätigkeit in Apotheken aufgenommen haben (BVerfGE 50, 265, 266 im Anschluß an BVerfGE 32, 1). Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung vor allem deshalb für verfassungswidrig erklärt, weil die bisherige Tätigkeit der vorgeprüften Apothekeranwärter als selbständiger Beruf anzusehen sei und die Überleitung dieser Personen in den neu geschaffenen Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) eine Herabstufung bedeute (Verstoß gegen die Berufsfreiheit), soweit es sich um vorgeprüfte Apothekeranwärter handelt, die ihre pharmazeutische Vorprüfung vor dem 1. Januar 1950 bestanden haben.

e) Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht weiter aus, daß die Tarifvertragsparteien dann, wenn sie auch eine Regelung für Apothekerassistenten getroffen hätten, voraussichtlich – jedenfalls für den Bereich der Apothekerassistenten in Krankenhausapotheken – die gleichen Regelungen wie für die pharmazeutisch-technischen Assistenten getroffen hätten. Denn der Gesetzgeber hat für den „vorgeprüften Apothekeranwärter” oder Apothekerassistenten keine eigenständigen Ausbildungsvoraussetzungen geschaffen, sondern auf die Ausbildung des PTA verwiesen und so die Tätigkeiten der „Vorexaminierten” und der PTA angeglichen (§ 11 Abs. 1 und Abs. 2 PTA-Gesetz). Nach dem PTA-Gesetz konnten die Apothekerassistenten oder Vorexaminierten ab 24. März 1969 nur noch in dem neu geschaffenen Beruf des PTA tätig sein. Die Tätigkeit des Apothekerassistenten war danach in dem Beruf des PTA aufgegangen.

Die Tarifvertragsparteien haben auch dann keinen Handlungsbedarf für eine eigenständige Eingruppierung von Apothekerassistenten gesehen, als der Gesetzgeber Folgerungen aus dem obengenannten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts gezogen hatte und das Gesetz über die Rechtsstellung für vorgeprüfte Apothekeranwärter vom 4. Dezember 1973 in Kraft getreten war. Das Gesetz erkennt zwar die bisherige Tätigkeit der vorgeprüften Apothekeranwärter weiterhin als selbständigen Beruf des Apothekerassistenten an (vgl. BR-Drucks. 307/73 S. 1). Hiermit wollte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, daß es sich nicht wie bisher beim vorgeprüften Apothekeranwärter um eine Zwischenstufe der Berufsausbildung handelte, sondern um ein abgeschlossenes Berufsbild (vgl. Wolf Bauer, Ausgewählte Aspekte zur Apothekenbetriebsordnung, Diss. Marburg/Lahn 1990, S. 227). Der Gesetzgeber sah aber in der Regelung der Rechtsstellung vorgeprüfter Apothekeranwärter eine Übergangsregelung, da es nach dem 31. Oktober 1974 weitere Zugänge zu dem Personenkreis der Apothekerassistenten nicht mehr gab (BR-Drucks. 307/73 S. 3). Denn die pharmazeutische Vorprüfung konnte nach § 21 Abs. 4 Nr. 2 der Approbationsordnung für Apotheker vom 23. August 1971 (BGBl I S. 1377) nur noch bis zum 31. Oktober 1974 abgelegt werden, so daß danach keine neuen Apothekerassistenten „nachwachsen” konnten (vgl. auch Bauer, a.a.O., S. 235).

f) Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend ausgeführt, daß sich die Tätigkeiten einer PTA und einer Apothekerassistentin/Pharmazieingenieurin in einer Krankenhausapotheke, wie sie die Klägerin zum überwiegenden Teil mit der Herstellung von Rezepturen ausübt, nicht wesentlich unterscheiden.

Diese Tätigkeit könne nach § 3 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sowohl durch eine PTA als auch durch eine Apothekerassistentin erfolgen. Ein Unterschied sei zwar insofern gegeben, als Apothekerassistenten befugt seien, pharmazeutische Tätigkeiten „unter der Verantwortung” eines Apothekers auszuüben (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsstellung für vorgeprüfte Apothekeranwärter), während die PTA nach § 3 Abs. 5 ApBetrO von einem Apotheker „zu beaufsichtigen” seien. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, daß die Begriffe „unter Verantwortung” und „unter Aufsicht” nicht gleichzusetzen seien, und dabei die Ansicht vertreten, daß die Tätigkeit der Vorexaminierten ihrem ganzen Zuschnitt nach der des angestellten Apothekers nahegestanden habe, während sich die Stellung des PTA von der des Apothekers deutlich abhebe. Aus der Begründung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich jedoch, daß diese Bewertung im wesentlichen darauf beruhe, daß den Vorexaminierten die Befugnis zur Vertretung des Apothekenleiters in gewissem Umfang zugestanden worden sei. Da nach § 2 Abs. 6 Satz 4 ApBetrO Apothekerassistenten bzw. Pharmazieingenieuren in einer Krankenhausapotheke diese Vertretungsbefugnis fehle, unterschieden sie sich in diesem wesentlichen Punkt nicht von den PTA.

g) Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Entgegen der Auffassung der Revision kann aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juli 1971 (BVerfGE 32, 1 ff.) und der späteren Entscheidung vom 28. Februar 1979 (BVerfGE 50, 265 ff.) nicht entnommen werden, daß sich die Tätigkeiten einer pharmazeutisch-technischen Assistentin und einer Pharmazieingenieurin oder Apothekerassistentin in einer Krankenhausapotheke in der Qualität der Tätigkeit wesentlich unterscheiden. Danach gibt es bei Apothekerassistenten und pharmazeutischtechnischen Assistenten zwar unterschiedliche Anforderungen in bezug auf die Vorbildung (Reifezeugnis einerseits bzw. abgeschlossene Realschulbildung oder andere gleichwertige Ausbildung andererseits) und der Berufsausbildung. Der Vorexaminierte hatte sich seine Kenntnis während einer zweijährigen Praktikantenzeit in einer Apotheke anzueignen, während die Ausbildung des PTA weniger praxisbezogen ist, da ein zweijähriger Lehrgang und das Ableisten einer halbjährigen praktischen Ausbildung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 5 PTA-Gesetz gefordert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat aber ausgeführt, daß sich die Prüfungsanforderungen für Vorexaminierte und pharmazeutisch-technische Assistenten nur unwesentlich unterscheiden (BVerfGE 32, 1, 30). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht zum Zuschnitt der Berufstätigkeit ausgeführt, daß der Vorexaminierte seine Tätigkeit „unter Verantwortung des Apothekers” weitgehend selbständiger ausüben könne, während der PTA „unter Aufsicht” des Apothekers gestellt werde und so zur Vertretung in der Apothekenleitung nicht befugt sei (BVerfGE 32, 1, 30 ff.). Der Begriff „Aufsicht” sei jedenfalls enger als der Begriff „Verantwortung”, was aber nicht notwendig bedeuten müsse, daß der Apotheker zur Aufsicht ständig und unmittelbar in der Apotheke anwesend sein müsse. Es lasse sich sonach zusammenfassend feststellen, daß dem Vorexaminierten im Vergleich zum pharmazeutisch-technischen Assistenten eine größere Selbständigkeit bei der Verrichtung von pharmazeutischen Tätigkeiten zukomme, die sich insbesondere in der Vertretungsbefugnis des Apothekerassistenten für den Apotheker äußere (BVerfGE 32, 1, 31 ff.; 50, 265, 266).

Die Revision verkennt, daß diese vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Unterschiede hinsichtlich der Vertretungsbefugnis des Apothekerassistenten/Pharmazieingenieurs einerseits und des pharmazeutisch-technischen Assistenten andererseits in einer Krankenhausapotheke nicht bestehen. Zwar waren die Pharmazieingenieure in der ehemaligen DDR ebenfalls unter „Verantwortung” des Apothekenleiters tätig und konnten diesen bis zu vier Wochen im Jahr eigenverantwortlich vertreten (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand September 1996, Teil II Abschnitt D außertarifl. Eingruppierungsrichtlinie Anl. 1 a – B, L Rz 288 a). Nach § 2 Abs. 6 Satz 4 ApBetrO kann sich der Leiter einer krankenhausversorgenden Apotheke aber nicht von Apothekerassistenten oder Pharmazieingenieuren vertreten lassen. Vielmehr kann nach § 27 Abs. 3 Satz 1 ApBetrO der Leiter der Krankenhausapotheke nur von einem Apotheker vertreten werden. § 28 Abs. 2 ApBetrO bestimmt, daß der Leiter der Krankenhausapotheke für den Einsatz des Apothekenpersonals verantwortlich ist. Diese Vorschriften haben sich durch die Bekanntmachung der Neufassung der Apothekenbetriebsordnung vom 26. September 1995 (BGBl I S. 1195 ff.) nicht geändert. Der Ausschluß der Vertretungsbefugnis für Vorexaminierte/Apothekerassistenten in krankenhausversorgenden Apotheken liegt darin begründet, daß mit der Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern regelmäßig höhere wissenschaftliche Anforderungen verbunden sind, so daß sich der Leiter einer krankenhausversorgenden Apotheke ausschließlich durch einen Apotheker vertreten lassen darf (vgl. BR-Drucks. 498/86 S. 69 zu § 2 des Entwurfs zur ApBetrO). Für die Vertretung des Leiters einer Krankenhausapotheke ist eine wissenschaftliche Ausbildung wegen der vielfältigen und verantwortungsvollen Aufgaben im Krankenhaus, insbesondere auch im Hinblick auf die neu in die Verordnung aufgenommene Verpflichtung zur Information und Beratung der Ärzte in Arzneimittel fragen sowie auf die Mitwirkung in der Arzneimittelkommission unerläßlich (BR-Drucks. 498/86 S. 82 zu § 27 des Entwurfs zur ApBetrO).

Das Landesarbeitsgericht ist damit zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die Tariflücke für Pharmazieingenieure in Krankenhausapotheken mit den Tätigkeitsmerkmalen für pharmazeutisch-technische Assistenten auszufüllen ist.

5. Bei Zugrundelegung der Tätigkeitsmerkmale für pharmazeutisch-technische Assistenten nach dem Tarifvertrag „Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen” vom 5. August 1971 konnte das Landesarbeitsgericht offenlassen, ob die Klägerin die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. V c Fallgr. 29 erfüllt, da die Klägerin die Tätigkeitsmerkmale der von ihr begehrten VergGr. IV b nicht erfüllt.

Rechtsfehlerfrei überprüft das Landesarbeitsgericht nacheinander die Merkmale der aufeinander aufbauenden VergGr. V b und die von der Klägerin begehrte VergGr. IV b. Das Landesarbeitsgericht kommt zutreffend zu dem Ergebnis, daß der Klägerin weder mindestens zwei PTA oder Apothekenhelferinnen mit Tätigkeiten mindestens der VergGr. VII durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind (Fallgr. 32) noch sie als Lehrkraft in staatlich anerkannten Lehranstalten für PTA eingesetzt ist (Fallgr. 33), oder sie als Hilfskraft bei wissenschaftlichen Forschungsaufgaben mit einem besonders hohen Maß an Verantwortung tätig ist (Fallgr. 34). Sie erfüllt daher die Tätigkeitsmerkmale für die VergGr. V b und die der darauf aufbauenden VergGr. IV b Fallgr. 19, die zusätzlich eine zweijährige Bewährung in dieser Tätigkeit erfordert, nicht. Die Klägerin ist ebenfalls nicht als Erste Lehrkraft an staatlich anerkannten Lehranstalten für PTA eingesetzt worden und erfüllt somit auch die Tätigkeitsmerkmale der Fallgr. 18 der VergGr. IV b nicht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Bott, Friedrich, Konow, Schamann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1091199

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