Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungszeit. Freundschaftspionierleiter

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit eines Freundschaftspionierleiters nach der Richtlinie 84 ist nach Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Übergangsvorschrift § 19 BAT-O von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen, weil sie aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.

 

Normenkette

Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 § 19; Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991 (Übergangsvorschrift § 19 (BAT-O) Nr. 1; Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991 (Übergangsvorschrift § 19 (BAT-O) Nr. 2; Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991 (Übergangsvorschrift § 19 (BAT-O) Nr. 4; Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 § 2; Verordnung über die Pflichten und Rechte der Lehrkräfte und Erzieher der Volksbildung und Berufsbildung – Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte – vom 29. November 1979 (GBl. I S. 444) § 1; Verordnung über die Sicherung einer festen Ordnung an den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen – Schulordnung – vom 29. November 1979 (GBl. I S. 433) § 6 Abs. 2; BGB § 362; ZPO § 561; Richtlinie zur Auswahl, zur Delegierung, zum Einsatz und zur Tätigkeit der hauptamtlich tätigen Freundschaftspionierleiter vom 5. April 1976 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung S. 23); RL z. Tätigkeit d. hauptamtl. Freundschaftspionierleiter u. Regelungen f. d. Leitungen d. FDJ z. Auswahl, z. Delegierung u. z. Einsatz d. Freundschaftspionierleiter v. 17.04.1984 Abschn. I; Anweisung Nr. 12/84 über die Planung, Vorbereitung und Durchführung des Berufseinsatzes der Absolventen des Lehrer- und Erzieherstudiums vom 16. April 1984 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung S. 70) § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 04.05.1994; Aktenzeichen 2 Sa 2304/93)

ArbG Bautzen (Urteil vom 03.11.1993; Aktenzeichen 11 Ca 11326/93 GR)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 4. Mai 1994 – 2 Sa 2304/93 – hinsichtlich der Kosten und insoweit aufgehoben, als es die Klage in Höhe von 1.392,-- DM nebst Zinsen abgewiesen hat.
  • Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 3. November 1993 – 11 Ca 11326/93 GR – wird insoweit zurückgewiesen, als die Beklagte zur Zahlung von 1.392,-- DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.
  • Im übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
  • Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Zahlung einer Abfindung.

Die Klägerin war nach Abschluß einer Ausbildung zur Freundschaftspionierleiterin mit der Lehrbefähigung in den Fächern Deutsch und Werken aufgrund eines Arbeitsvertrags mit dem Rat der Stadt G… seit dem 1. August 1986 als Freundschaftspionierleiterin an der …. Oberschule in G… beschäftigt. Nach der Geburt eines Kindes war sie seit Dezember 1988 von der Arbeit freigestellt. Ab dem 7. März 1990 war sie aufgrund Änderungsvertrags zum Arbeitsvertrag als Horterzieherin tätig. Am 4. Mai 1992 schloß sie einen Arbeitsvertrag mit der Stadt G…. Sie arbeitete weiterhin als Horterzieherin, bis das Arbeitsverhältnis durch Kündigung der Beklagten wegen mangelnden Bedarfs am 31. August 1992 endete. Das monatliche Bruttogehalt der Klägerin betrug zuletzt 2.784,-- DM.

Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 2 des Tarifvertrags zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 (TV soziale Absicherung). Darin heißt es:

“§ 2

Abfindung

  • Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt wird, weil

    • er wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist oder

      erhält eine Abfindung…

  • Die Abfindung beträgt für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit (§ 19 BAT-O ohne die nach der Übergangsvorschrift Nr. 3 hierzu berücksichtigten Zeiten bzw. die vergleichbaren, für die Arbeiter geltenden Bestimmungen) ein Viertel der letzten Monatsvergütung (§ 26 BAT-O zuzüglich der allgemeinen Zulage) bzw. des letzten Monatstabellenlohnes (§ 21 Abs. 3 MTV Arb-O, § 20 Abs. 2 BMT-G-O ggf. zuzüglich des Sozialzuschlags), mindestens aber die Hälfte und höchstens das Fünffache dieser Vergütung bzw. dieses Lohnes. …”

In § 19 des Tarifvertrags zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den Übergangsvorschriften dazu (fortan: Übergangsvorschrift § 19 BAT-O) heißt es:

“§ 19

Beschäftigungszeit

  • Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.

  • Übernimmt ein Arbeitgeber eine Dienststelle oder geschlossene Teile einer solchen von einem Arbeitgeber, der von diesem Tarifvertrag erfaßt wird oder diesen oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet, so werden die bei der Dienststelle bis zur Übernahme zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des Absatzes 1 als Beschäftigungszeit angerechnet.

Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991:

  • Als Übernahme im Sinne des Absatzes 2 gilt auch die Überführung von Einrichtungen nach Artikel 13 des Einigungsvertrages.
  • Ist infolge des Beitritts der DDR der frühere Arbeitgeber weggefallen, ohne daß eine Überführung nach Artikel 13 des Einigungsvertrages erfolgt ist, gelten als Beschäftigungszeit nach Maßgabe des Absatzes 1

    • für Angestellte der Mitglieder der Mitgliederverbände der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände

      Zeiten der Tätigkeit bei zentralen oder örtlichen Staatsorganen und ihren nachgeordneten Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen oder Betrieben, soweit der Arbeitgeber deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat.

  • Von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit sind ausgeschlossen

    • Zeiten jeglicher Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit (einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit),
    • Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der DDR,
    • Zeiten einer Tätigkeit, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.

      Die Übertragung der Tätigkeit aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe wird insbesondere vermutet, wenn der Angestellte

      • vor oder bei Übertragung der Tätigkeit eine hauptamtliche oder hervorgehobene ehrenamtliche Funktion in der SED, dem FDGB, der FDJ oder einer vergleichbar systemunterstützenden Partei oder Organisation innehatte,
      • als mittlere oder obere Führungskraft in zentralen Staatsorganen, als obere Führungskraft beim Rat eines Bezirkes, als Vorsitzender des Rates eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt (Oberbürgermeister) oder in einer vergleichbaren Funktion tätig war,
      • hauptamtlich Lehrender an den Bildungseinrichtungen der staatstragenden Parteien oder einer Massen- oder gesellschaftlichen Organisation war oder
      • Absolvent der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung war.

        Der Angestellte kann die Vermutung widerlegen.

  • …”

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Klägerin die Zeit vom 7. März 1990 bis zum 31. August 1992 als Beschäftigungszeit bei der Beklagten anzurechnen ist. Die Berücksichtigung der übrigen seit dem 1. August 1986 zurückgelegten Zeiten hat die Beklagte abgelehnt, weil die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin der Klägerin aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe im Sinne der Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Übergangsvorschrift § 19 BAT-O übertragen worden sei.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auch die Zeit vom 1. August 1986 bis zum 6. März 1990 sei als Beschäftigungszeit anzurechnen. Ihre Aufgabe habe vorrangig in der Vorbereitung von Freizeitveranstaltungen bestanden. Außerdem habe sie neben einem sechsstündigen Pflichtunterricht ca. vier bis fünf Stunden wöchentlich vertretungsweise Unterricht erteilt. Der Tatbestand von Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Doppelbuchst. aa Übergangsvorschrift § 19 BAT-O sei schon deshalb nicht erfüllt, weil sie die Funktion einer Freundschaftspionierleiterin nicht vor oder bei Übertragung der Tätigkeit ausgeübt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.177,50 DM brutto gleich netto Abfindung nebst 4 % Zinsen seit 23. Juli 1993 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Klägerin die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin aufgrund ihrer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden sei, folge daraus, daß sie in dieser Funktion hauptamtliche politische Funktionärin der Freien Deutschen Jugend (FDJ) gewesen sei. Die Berufung der hauptberuflichen Freundschaftspionierleiter sei durch die Sekretariate der Kreisleitungen der FDJ erfolgt. Diese seien auch Dienstvorgesetzte gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision und behauptet, die Zeit seit dem 7. März 1990, als die Klägerin nicht mehr Freundschaftspionierleiterin gewesen sei, habe sie als Beschäftigungszeit berücksichtigt und demgemäß an die Klägerin 1.223,51 DM gezahlt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat teilweise Erfolg. Die Klage ist in Höhe von 1.392,-- DM nebst Zinsen begründet. Insoweit ist das klageabweisende berufungsgerichtliche Urteil aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Abfindung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TV soziale Absicherung, weil ihr Arbeitsverhältnis wegen mangelnden Bedarfs durch die Beklagte gekündigt wurde. Die Abfindung beläuft sich nach § 2 Abs. 2 Satz 1 TV soziale Absicherung für jedes volle Jahr der Beschäftigung auf ein Viertel der letzten Monatsvergütung, die nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts 2.784,-- DM brutto betrug. Aufgrund der zwischen dem 7. März 1990 und dem 31. August 1992 von der Klägerin im Arbeitsverhältnis der Parteien zurückgelegten Zeit, die nach der rechtlich nicht zu beanstandenden übereinstimmenden Auffassung der Parteien als Beschäftigungszeit anzusehen ist, errechnet sich ein Abfindungsbetrag von 1.392,-- DM (2.784,-- DM : 4 × 2).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch nicht in Höhe von 1.223,51 DM durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) erloschen. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist (§ 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Weder dem Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts noch dem darin in Bezug genommenen Akteninhalt noch dem Sitzungsprotokoll ist zu entnehmen, daß die Klägerin bereits eine Abfindung von der Beklagten erhalten hat. Die von der Beklagten erstmalig in der Revisionserwiderung aufgestellte Behauptung, sie habe bereits am 15. Januar 1993 eine Abfindung in Höhe von 1.223,51 DM nach § 2 TV soziale Absicherung an die Klägerin gezahlt, kann daher vom Revisionsgericht nicht berücksichtigt werden.

II. Ein den Betrag von 1.392,-- DM übersteigender Anspruch auf Abfindung besteht nicht. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis darin zu folgen, daß die Zeit vor dem 7. März 1990 nicht als Beschäftigungszeit berücksichtigt werden kann. Die Zeit, in der die Klägerin als Freundschaftspionierleiterin tätig war, ist von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen. Dies folgt aus Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Übergangsvorschrift § 19 BAT-O.

Diese Vorschrift schließt Zeiten einer Tätigkeit von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit aus, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war. Dies trifft für die Tätigkeit der Klägerin als Freundschaftspionierleiterin zu.

1. Der Revision ist zuzugeben, daß die Tätigkeit der Klägerin zwischen dem 1. August 1986 und dem 6. März 1990 nicht nach der Richtlinie zur Auswahl, zur Delegierung, zum Einsatz und zur Tätigkeit der hauptberuflich tätigen Freundschaftspionierleiter vom 5. April 1976 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung 1976, S. 23) – im folgenden: Richtlinie 76 – zu beurteilen ist, die das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat. Für die hier zu beurteilende Zeit kommt es vielmehr auf die Richtlinie zur Tätigkeit der hauptamtlichen Freundschaftspionierleiter (Arbeitsrichtlinie) und Regelungen für die Leitungen der FDJ zur Auswahl, zur Delegierung und zum Einsatz der Freundschaftspionierleiter vom 17. April 1984 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung 1984, S. 77) – im folgenden: Richtlinie 84 – an, durch deren Schlußbestimmung die Richtlinie 76 mit Wirkung vom 1. August 1984 aufgehoben wurde. Aber auch wenn man die Tätigkeit der Klägerin aufgrund des vom Arbeitsgericht für den Senat bindend festgestellten Sachverhalts nach der Richtlinie 1984 beurteilt, ergibt sich, daß der Klägerin die Tätigkeit einer Freundschaftspionierleiterin aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.

Der Freundschaftspionierleiter war hauptamtlicher Funktionär der FDJ. In Abschnitt I Nr. 1 der Richtlinie 84 ist seine Stellung unter der Überschrift “Der Freundschaftspionierleiter als hauptamtlicher Funktionär der Freien Deutschen Jugend” beschrieben. Der Freundschaftspionierleiter war danach politischer Leiter der Pionierfreundschaft (Abschnitt I Nr. 1 Richtlinie 84). Er war nach Abschnitt I Nr. 2.1. Richtlinie 84 beauftragt, die Pionierfreundschaft auf der Grundlage der Beschlüsse der SED und der FDJ in Übereinstimmung mit den Bildungs- und Erziehungsaufgaben der Schule politisch-pädagogisch zu führen. Der Freundschaftspionierleiter stützte sich in seiner Tätigkeit auf die Kraft der Schulparteiorganisation der SED und legte vor ihr Rechenschaft über die Erfüllung seiner Aufgaben ab (Abschnitt I Nr. 2.2. Richtlinie 84). Die grundlegende Aufgabe des Freundschaftspionierleiters war es, “den Jungen Pionieren die Politik der SED, die Weltanschauung und Moral der Arbeiterklasse zu vermitteln und sie aktiv in den Kampf des werktätigen Volkes für die Stärkung und den Schutz des sozialistischen Vaterlandes, der Deutschen Demokratischen Republik, einzubeziehen” (Abschnitt I Nr. 3 Richtlinie 84). Bereits aus dieser Stellung und Aufgabenbeschreibung des Freundschaftspionierleiters, wie auch aus seiner Berufung durch das Sekretariat der Kreisleitung der FDJ (Abschnitt I Nr. 4.1 der Richtlinie 84), ergibt sich, daß die Übertragung der Tätigkeit eines Freundschaftspionierleiters eine besondere persönliche Systemnähe voraussetzte.

Aber auch aus Nr. 4 Satz 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa Übergangsvorschrift § 19 BAT-O läßt sich schließen, daß die Tätigkeit des Freundschaftspionierleiters zu den Tätigkeiten gehörte, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden waren. Nach dieser Bestimmung wird vermutet, daß die Übertragung einer Tätigkeit aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe erfolgte, wenn der Angestellte vor oder bei ihrer Übertragung eine hauptamtliche oder hervorgehobene ehrenamtliche Funktion in der SED, dem FDGB, der FDJ oder einer vergleichbar systemunterstützenden Partei oder Organisation innehatte. Ginge es um eine andere der Klägerin übertragene Tätigkeit, würde somit die hauptamtliche Funktion in der FDJ, die die Klägerin als Freundschaftspionierleiterin vor oder bei Übertragung jener Tätigkeit innehatte, zu Lasten der Klägerin die Vermutung der Nr. 4 Satz 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa Übergangsvorschrift § 19 BAT-O begründen. Daraus folgt, daß nach dem Willen der Tarifparteien in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich die Frage stellt, ob die Ausübung der Funktion selbst von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen ist, eine hauptamtliche FDJ-Funktion und damit die Freundschaftspionierleitertätigkeit im Sinne der Nr. 4 Satz 1 Buchstabe c Übergangsvorschrift § 19 BAT-O als aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen anzusehen ist. Auf die vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob die Klägerin die Vermutung widerlegt hat, daß ihr die Tätigkeit der Freundschaftspionierleiterin aufgrund besonderer persönlicher Systemnähe übertragen wurde (Nr. 4 Satz 3 Übergangsvorschrift § 19 BAT-O), kommt es somit nicht an. Diese Widerlegungsmöglichkeit, zu der die Klägerin im übrigen nichts vorgetragen hat, bestünde im vorliegenden Fall nicht.

2. Unerheblich ist bei dieser Sachlage, daß die Klägerin auch Pädagogin war und insofern eine Doppelstellung innehatte.

Zu Unrecht weist die Klägerin auf die Verordnung über die Pflichten und Rechte der Lehrkräfte und Erzieher der Volksbildung und Berufsbildung – Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte – vom 29. November 1979 (GBl. I, 444) hin. Nach ihrem § 1 Buchst. a gilt diese Verordnung auch für Freundschaftspionierleiter, die dort als Pädagogen bezeichnet sind, die sie auch waren (vgl. auch BAG Urteil vom 4. Dezember 1993 – 8 AZR 127/93 – AP Nr. 18 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dadurch entfällt aber nicht die Bewertung der Stellung des Freundschaftspionierleiters als hauptamtlicher Funktionär der FDJ mit dem Arbeitsplatz Schule (Abschnitt I Nr. 2.1. Richtlinie 84) und die daraus folgende rechtliche Konsequenz nach der Übergangsvorschrift § 19 BAT-O.

Soweit die Klägerin geltend macht, nach § 6 Abs. 2 der Verordnung über die Sicherung einer festen Ordnung an den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen – Schulordnung – vom 29. November 1979 (GBl. I, 433) sei der Arbeitsplan der Schule die Grundlage gewesen für die einheitliche politische und pädagogische Tätigkeit aller Lehrer und Erzieher und für die Zusammenarbeit des Direktors mit der Grundorganisation der Freien Deutschen Jugend und der Pionierfreundschaft der Pionierorganisation “Ernst Thälmann”, dem Elternbeirat, den Betrieben und den gesellschaftlichen Kräften im Wohngebiet, verkennt sie, daß dies der Stellung, die der Freundschaftspionierleiter als Funktionär der FDJ nach der Richtlinie 84 innehatte, nicht entgegenstand.

Dasselbe gilt für die Anweisung Nr. 12/84 über die Planung, Vorbereitung und Durchführung des Berufseinsatzes der Absolventen des Lehrer- und Erzieherstudiums vom 16. April 1984 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung 1984, S. 70), die nach ihrem § 1 Abs. 2 auch für den Berufseinsatz der Absolventen des Freundschaftspionierleiterstudiums gilt. In der Fußnote zu dieser Bestimmung ist ausdrücklich darauf hingewiesen, daß für Freundschaftspionierleiter außerdem die Richtlinie 1984 gilt.

3. Da somit die Zeit der Tätigkeit der Klägerin als Freundschaftspionierleiterin nach Nr. 4 der Übergangsvorschrift § 19 BAT-O bereits aus den vorstehenden Gründen von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen ist, bedarf es keiner Entscheidung zu der Frage, ob diese Zeit die übrigen Anrechnungsvoraussetzungen nach § 19 BAT-O, Übergangsvorschrift § 19 BAT-O erfüllen würde.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Hauck, D. Knauß, Gebert

 

Fundstellen

Haufe-Index 870905

BAGE, 143

NZA 1995, 1209

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