Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung der Hauptsache

 

Orientierungssatz

Anspruch auf bezahlte Ruhepausen aufgrund betrieblicher Übung.

 

Normenkette

ZPO § 91a

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 13.12.1985; Aktenzeichen 16 Sa 1058/85)

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 20.03.1985; Aktenzeichen 1 Ca 911/84)

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Kosten des von ihnen teilweise in der Hauptsache für erledigt erklärten Rechtsstreits.

Der bei der Beklagten seit 1975 als Omnibusfahrer beschäftigte Kläger erhielt in der Vergangenheit die gesamte Dienstzeit einschließlich der Wendezeiten und aller weiteren fahrplanbedingten Lenkzeitunterbrechungen vergütet. Ferner rechnete die Beklagte für Vorbereitungs- und Abschlußdienst bis zum 31. Dezember 1983 30 Minuten in die Arbeitszeit gem. § 2 des Firmentarifvertrages vom 3. April 1970 ein. Nach Kündigung des Tarifvertrages zum 31. Dezember 1983 schrieb sie ab 1. Januar 1984 lediglich noch 20 Minuten gut. Am 30. August 1983 schloß die Beklagte mit dem Betriebsrat Verkehr eine Betriebsvereinbarung, wonach die Dienstschichten zukünftig unbezahlte Ruhepausen enthielten.

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei verpflichtet, ihm auch zukünftig die gesamte Dienstschicht als Arbeitszeit zu vergüten und über den 31. Dezember 1983 hinaus 30 Minuten für Vorbereitungs- und Abschlußarbeiten auf die Arbeitszeit anzurechnen.

Das Arbeitsgericht hat seine Klage im wesentlichen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil auf die Berufung des Klägers abgeändert und seinen Anträgen bis zum 6. Februar 1985 entsprochen. Zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte dem Kläger eine Änderungskündigung ausgesprochen, die er unter Vorbehalt seiner Rechte angenommen hat. Über die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage ist noch nicht rechtskräftig entschieden.

Während des Revisionsverfahrens schloß die Beklagte mit der Gewerkschaft ÖTV am 25. September 1986 einen 1. Änderungstarifvertrag zum Tarifvertrag zur Ergänzung des BMT-G und des BZT-G/NRW, der die Vergütung der Pausen und der Vorbereitungs- und Abschlußzeiten regelt.

Daraufhin haben beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, jeweils der Gegenseite die Kosten aufzuerlegen.

II. Nachdem die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gem. § 91 a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Es ist auf den wahrscheinlichen Ausgang des Rechtsstreits abzustellen, wenn dieser sich nicht erledigt hätte. Danach sind dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, weil seine Klage von Anfang an unbegründet war.

1. Der Kläger hat keinen gesetzlichen oder tariflichen Anspruch auf Bezahlung der Pausen, insbesondere nicht aus § 14 Abs. 5 BMT-G II i.V. mit § 14 Abs. 1 Satz 1 BMT-G II, wonach Arbeitspausen in die regelmäßige Arbeitszeit - ausgenommen bei Wechselschichten - nicht eingerechnet werden. Wechselschichten sind nach der tariflichen Definition des § 67 Nr. 45 BMT-G II wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonn- und feiertags gearbeitet wird. Im Arbeitsbereich des Klägers werden keine Wechselschichten geleistet, weil dort nicht ununterbrochen gearbeitet wird, sondern eine Arbeitsunterbrechung im Fahrdienst von wenigstens 17 Minuten eintritt.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf bezahlte Ruhepausen aufgrund betrieblicher Übung. Denn die Beklagte hat dem Kläger in der Vergangenheit keine bezahlten Pausen gewährt.

Der Begriff der Pause ist weder gesetzlich noch tariflich definiert. So setzen die Bestimmungen der AZO und die tariflichen Normen wie § 15 Abs. 1 BAT und § 14 Abs. 1 BMT-G II den Pausenbegriff voraus. Das Bundesarbeitsgericht hat unter Rückgriff auf den natürlichen Sprachgebrauch Ruhepausen definiert als im voraus festliegende Unterbrechungen der Arbeitszeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten braucht, sondern freie Verfügung darüber hat, wo und wie er diese Ruhezeit verbringen will. Entscheidendes Kriterium für die Pause ist damit die Freistellung des Arbeitnehmers von jeder Dienstverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zum Dienst bereit zu halten (BAGE 18, 223 = AP Nr. 2 zu § 13 AZO; BAG Urteil vom 28. September 1972 - 5 AZR 198/72 - AP Nr. 9 zu § 12 AZO; Senatsurteil vom 5. Mai 1988 - 6 AZR 658/85 - zur Veröffentlichung bestimmt; so auch Bundesverwaltungsgericht Beschluß vom 8. März 1967 - VI C 79.63 - AP Nr. 4 zu § 13 AZO). Auch das Schrifttum versteht Pausen als im voraus festgelegte Zeiten der Arbeitsunterbrechung, die der Erholung des Arbeitnehmers und der Einnahme der Mahlzeiten dienen soll. Es wird verlangt, daß der Arbeitnehmer während der Ruhepausen von jeder Arbeit einschließlich Arbeitsbereitschaft freigestellt ist, weil anderenfalls keine von der Arbeitszeit absetzbare Ruhepause im arbeitsrechtlichen Sinne vorliege (vgl. Denecke/Neumann, AZO, 10. Aufl., § 12 Rz 17; Meisel/Hiersemann, AZO, 2. Aufl., § 2 Rz 109 ff. und § 12 Rz 40; Röhsler, Die Arbeitszeit, S. 108 ff.; Röhsler, AR-Blattei, "Pausen und Ruhezeiten I", unter D II 1; Herschel, DB 1965, 515). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts enthielten die Schichtpläne der Beklagten in der Vergangenheit keine unbezahlten Ruhepausen, sondern nur betriebsbedingte Lenkzeitunterbrechungen. Während dieser Zeit konnte der Kläger nach der Übung bei der Beklagten jeweils zu Tätigkeiten herangezogen werden. Wenn auch die Einzelheiten hinsichtlich der Häufigkeit der Heranziehung in den Lenkzeitunterbrechungen umstritten sind, leugnet der Kläger im Grundsatz nicht die Befugnis der Beklagten, die Omnibusfahrer während der Arbeitsunterbrechungen zu irgendwelchen Dienstleistungen, und sei es auch nur zu Nachschulungen, heranzuziehen. Die Berechtigung der Beklagten, den Kläger und seine Kollegen in den Arbeitsunterbrechungen anfordern zu können bzw. die bisher fehlende Anordnung der Beklagten, der Kläger dürfe zu einer bestimmten Zeit wegen einer feststehenden Pause nicht gestört werden, steht unstreitig fest. Das bedeutet, daß es im Fahrbetrieb der Beklagten bis zum September 1983 keine im voraus festliegenden Unterbrechungen der Arbeitszeit gegeben hat, in denen der Kläger tun und lassen konnte, was er wollte. Er hätte eine Anforderung zur Arbeit nicht berechtigt ablehnen können. Die "betriebliche Übung" ging also dahin, nicht als Pausen im arbeitszeitrechtlichen Sinne zu qualifizierende Arbeitsunterbrechungen zu vergüten, keineswegs aber wirkliche Pausen, die es bis dahin gar nicht gegeben hat.

3. Der Tarifvertrag vom 3. April 1970 kann in seinem § 2 (Vorbereitungs- und Abschlußzeiten) über den 11. Januar 1984 hinaus nicht nachwirken, nachdem die Beklagte und die Gewerkschaft ÖTV den zum 31. Dezember 1983 gekündigten Tarifvertrag bis zu diesem Zeitpunkt wieder in Kraft gesetzt haben und für den Zeitraum danach mit den Nrn. 7 und 10 des 1. Änderungstarifvertrages zum Tarifvertrag zur Ergänzung des BMT-G und des BZT-G/NRW durch eine andere Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG ersetzt haben. Da der Kläger bis zum 11. Januar 1984 aber keinen Dienst als Omnibusfahrer zu leisten hatte, kommt ihm die kurzfristige Nachwirkung nicht zugute.

Dr. Röhsler Schneider Dörner

Dr. Gehrunger Stenzel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440629

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