Sieht man von den beschriebenen Verschärfungsaspekten ab, so gilt aber auch für die "Restlaufzeit" der Rückerstattungsvorschrift:

Die Erstattungspflicht wird als Regelfall gesetzlich definiert, es bestehen aber zahlreiche Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen die Erstattungspflicht ausnahmsweise nicht eintritt. Die wichtigsten Bereiche dabei sind:

2.2.1 Anspruch auf eine andere Sozialleistung

Dies kommt nicht selten vor: Der Arbeitnehmer geht zwar zunächst davon aus, seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld auszuschöpfen. Aufgrund gesundheitlicher Mängel kann oder könnte er aber stattdessen eine andere Lohnersatzleistung, insbesondere eine gesetzliche Rente in Anspruch nehmen. In diesem Fall entfällt eine Erstattungspflicht, da der Anspruch auf eine "sonstige" Sozialleistung nach § 142 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 SGB III das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bewirkt. Wichtig dabei ist: Es kommt auf die Voraussetzungen des anderen Anspruchs, nicht auf den tatsächlichen Bezug an. Auch ist unbeachtlich, in welchem Verhältnis sich ein Anspruch, beispielsweise eine Rente wegen Erwerbsminderung gegenüber dem zurücktretenden Arbeitslosenanspruch, auswirkt. Als sonstige Leistungen kommen neben Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung insbesondere Krankengeldansprüche in Betracht.

 

Achtung Ausnahme

Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung haben Entschädigungscharakter und können daher dem Eintritt der Erstattungspflicht ebenso wenig wie Leistungen aus einer privaten Lebensversicherung entgegengehalten werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es sich um eine befreiende Lebensversicherung handelt, ohne die der Arbeitnehmer Ansprüche aus einer gesetzlichen Rente hätte.[1]

 
Praxis-Tipp

Hatte ein ausgeschiedener Arbeitnehmer während der letzten Monate häufige Fehlzeiten, etwa weil er in den letzten Monaten vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis krankgeschrieben war, so ist es legitim, der Agentur für Arbeit den Einwand entgegenzuhalten, dass dem ehemaligen Mitarbeiter entweder ein Anspruch auf Krankengeld zusteht oder dieser sogar ein Fall der Frühverrentung ist.

2.2.2 Ausnahmeregelungen für Kleinunternehmen

Für Arbeitgeber mit in der Regel nicht mehr als 20 Beschäftigten gelten folgende Ausnahmevarianten:

Der Rückforderungsanspruch

  • entsteht nicht
  • oder vermindert sich
  • oder entfällt nachträglich.

Bei der Feststellung der Anzahl der regelmäßig Beschäftigten zählen die zur Berufsausbildung beschäftigten Arbeitnehmer nicht mit. Ebensowenig Praktikanten oder Umschüler. Zur näheren Bestimmung wird auf § 10 des Lohnfortzahlungsgesetzes, geregelt ist dort das Umlageverfahren, Bezug genommen, in dem unter anderem die Einbeziehung von Teilzeitbeschäftigten in Abhängigkeit vom Umfang der Tätigkeit geregelt ist.

Als "Referenzjahr" gilt dabei das Kalenderjahr, das der Erstattungspflicht vorausgeht. Bei schwankenden Beschäftigungsgrößen ist die Kleinbetriebsregelung daher von Jahr zu Jahr immer neu zu überprüfen.

2.2.3 Keine Erstattungspflicht bei Eigenkündigung oder Kündigungsberechtigung

Nicht jede Kündigung hat automatisch eine Erstattungspflicht zur Folge. Kündigt der Arbeitnehmer selbst, so tritt ebenso wenig eine Erstattungspflicht ein wie bei einer Arbeitgeberkündigung, die sozial gerechtfertigt ist, oder bei einer berechtigten außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund.

Entscheidend für den gesamten Komplex der berechtigten Kündigung ist aber, dass bei der Beendigung keine Abfindung oder sonstige vergleichbare Entlassungsentschädigung gezahlt wird.

Aufhebungsvereinbarungen reichen, selbst wenn sie auf Wunsch des Arbeitnehmers abgeschlossen werden, dagegen grundsätzlich nicht für einen Wegfall oder eine Verminderung des Rückforderungsanspruchs aus. Nur in absoluten Ausnahmefällen kann ein Aufhebungsvertrag erstattungsrechtlich als Kündigung des Arbeitnehmers gewertet werden. Hier stellt die Rechtsprechung aber so hohe Anforderungen, dass sich Arbeitgeber auf ein solches Risiko nicht einlassen sollten.

 

Achtung Ausnahme

Liegen die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vor und einigen sich die Parteien zur Vermeidung eines "Makels" stattdessen darauf, eine Aufhebungsvereinbarung ohne jede Abfindungsregelung zu treffen, so kann, vorausgesetzt der Arbeitgeber kann beweisen, dass er außerordentliche Kündigungsgründe gehabt hätte, die Erstattungspflicht vermieden werden.[1]

Inzidenter Kündigungsschutzprozess

Ob eine Arbeitgeberkündigung sozial gerechtfertigt und damit "rückforderungsfrei" ist, entscheidet sich objektiv nach den Kriterien des Kündigungsschutzgesetzes; die Fiktion des § 7 KSchG, nach der eine Kündigung wirksam ist, wenn der Arbeitnehmer dagegen nicht innerhalb von drei Wochen Klage erhebt, gilt nicht. Beruft der Arbeitgeber sich auf den Ausnahmetatbestand "berechtigte Kündigung" und streitet er sich mit der Agentur für Arbeit darüber, wird bei der Entscheidungsfindung quasi inzident ein Kündigungsschutzprozess durchgeführt.

2.2.4 Nachvollziehbarer Personalabbau vermeidet Erstattungspflicht

Eine der wichtigsten Ausnahmen bei der Erstattungspflicht stellen Entlassungen dar, die nach der gesetzlichen Definition des § 147a Abs. 1 Satz 2 ...

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