Eine Abmahnung ist nicht notwendig, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Abmahnung die sechsmonatige Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) noch nicht zurückgelegt hat. Dies folgt aus der Zielrichtung der Abmahnung, die voraussetzt, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt. Nur wenn eine etwaige Kündigung auf ihre soziale Rechtfertigung hin zu prüfen wäre, erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor der verhaltensbedingten Kündigung im Regelfall eine Abmahnung.

Das BAG hat bislang nur in einer Entscheidung die gegenteilige Auffassung vertreten.[1] In diesem Fall war die Kündigung zwar innerhalb der Probezeit, aber erst nach Ablauf der gesetzlichen Wartezeit ausgesprochen worden. Deshalb lässt sich auch diese Rechtsprechung nicht auf den Regelfall übertragen, in dem die Probezeit höchstens 6 Monate beträgt.

Anders kann die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn der Arbeitgeber die Probezeit z. B. nach § 2 Abs. 4 Satz 1 TVöD auf weniger als 6 Monate verkürzt. In einem solchen Fall begründet er bei dem Beschäftigten das Vertrauen, sich nach Ablauf der (verkürzten) Probezeit schon vor dem Erwerb des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz in einem "gesicherten" Arbeitsverhältnis zu befinden. Deshalb ist zu empfehlen, bei einer Pflichtverletzung, die nach Ablauf der Probezeit, aber noch innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses liegt, nicht ohne Weiteres von der Entbehrlichkeit der Abmahnung auszugehen. Dies gilt erst recht dann, wenn die Verkürzung der Probezeit zugleich auch als Verzicht auf die Erfüllung der gesetzlichen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ausgelegt werden könnte.

Umgekehrt ist bei einer (nach TVöD unzulässigen) Verlängerung der Probezeit über 6 Monate hinaus nicht anzunehmen, dass der Arbeitgeber ohne Abmahnung kündigen kann, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der ersten 6 Monate, aber noch innerhalb der (verlängerten) Probezeit, eine Pflichtverletzung begeht.

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