Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung eines Orchestermusikers

 

Leitsatz (redaktionell)

Die gebotene Berücksichtigung der grundrechtlich verbürgten Kunstfreiheit (Art 5 Abs 3 Satz 1 GG), die auch die subjektiv-künstlerischen Vorstellungen des Orchesterträgers bzw -leiters umfaßt, führt nicht dazu, daß bei einer gegenüber einem künstlerischen Tendenzträger (hier: Orchestermusiker) innerhalb der - die Wartefrist des § 1 Abs 1 KSchG übersteigenden - Probezeit erklärten ordentlichen Kündigung das Erfordernis der vorherigen Abmahnung entfällt.

 

Orientierungssatz

Ordentliche Kündigung eines Orchestermusikers während der Probezeit nach mehr als sechsmonatigen Bestehen des Arbeitsverhältnisses wegen angeblicher Leistungsmängel.* 2. Am Anschluß an die Rechtsauffassung anderer oberster Bundesgerichte muß zwar auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Urteil, das den Parteien später als zwölf Monate nach seiner Verkündung zugestellt wird, als ein ohne Gründe versehenes Urteil angesehen werden. Wird aber diese äußerste Frist nicht überschritten, so kann nicht zwingend angenommen werden, bei der Urteilsabsetzung sei dem Gericht das Ergebnis der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr geläufig und gegenwärtig gewesen. Der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr 7 ZPO liegt daher noch nicht ohne weiteres vor, wenn zwischen Urteilsverkündung und Zustellung des Urteils weniger als ein Jahr liegt, sondern es bedarf konkreter Anhaltspunkte (zB Widersprüche und Auslassungen wesentlicher Umstände im Tatbestand oder in den Entscheidungsgründen des Urteils) dafür, daß dem Gericht das Verhandlungs- und Beratungsergebnis beim Abfassen des Urteils nicht mehr gegenwärtig war.

 

Normenkette

GG Art. 5; ZPO § 551 Nr. 7, § 554 Abs. 3 Nr. 3 b; KSchG § 1 Abs. 2 Fassung 1969-08-25; ArbGG § 64 Abs. 8 Fassung: 1979-07-02, § 60 Abs. 4 S. 3 Fassung: 1979-07-02, § 50 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1979-07-02, § 69 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1979-07

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Entscheidung vom 10.12.1981; Aktenzeichen 5 Sa 21/81)

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 26.11.1980; Aktenzeichen 3 Ca 208/80)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.

Die Beklagte stellte den Kläger ab 1. August 1979 für das von ihr betriebene Philharmonische Orchester als Stimmführer der 2. Geigen ein. Nach Ziff. 3 des schriftlichen Arbeitsvertrags gilt die Spielzeit 1979/80 als Probezeit; in Ziff. 4 ist die Geltung des Tarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 in der jeweils gültigen Fassung vereinbart.

Nach einer Probeabstimmung am 15. Dezember 1979 teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 8. Januar 1980 mit, aufgrund der von ihm gezeigten Leistungen müsse sein Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit zum 31. August 1980 beendet werden. Außerdem bat die Beklagte den Kläger um Mitteilung bis zum 31. Januar 1980, ob eine einverständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich sei. Mit Schreiben vom 26. März 1980 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. August 1980, da nach Feststellung der Leitung des Musiktheaters seine Leistungen als Orchestermusiker leider nicht den Anforderungen entsprächen.

Mit seiner am 14. April 1980 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er genüge aufgrund seiner überdurchschnittlichen Konzertpraxis allen an einen Orchestermusiker zu stellenden Anforderungen. Nach keiner Aufführung sei ihm gegenüber Kritik geübt oder eine Ermahnung ausgesprochen worden, aus der er eine Unzufriedenheit mit seinen Leistungen hätte entnehmen können. Die einzel- wie tarifvertragliche Probezeit von mehr als sechs Monaten habe das Kündigungsschutzgesetz nicht außer Kraft setzen können. Die Beklagte hätte ihn daher zunächst abmahnen oder die Kündigung vor Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist aussprechen müssen. Bei der Probeabstimmung hätten sich alle Befragten für ihn ausgesprochen. Wenn die Beklagte meine, erst nach längerer Zeit des Kennenlernens sei eine Leistungsbeurteilung möglich, so habe sie die Probeabstimmung viel zu früh angesetzt. Dem Erfordernis der Abmahnung könne auch nicht entgegengehalten werden, sie sei eher schädlich als nützlich.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 26. März 1980 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Ansicht, aufgrund der einjährigen Probezeit finde das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Sie brauche daher keine Kündigungsgründe zu benennen. Jedenfalls seien für die Kündigung ausschließlich künstlerische Gründe maßgebend gewesen, die gerichtlich nicht nachprüfbar seien. Es habe daher auch keiner Abmahnung bedurft, die im künstlerischen Bereich nicht üblich, vor allem auch eher schädlich als nützlich sei. Anstelle einer förmlichen Abmahnung trete die Probenarbeit, bei der alle Musiker und insbesondere auch die Probanden korrigiert und an den subjektiven künstlerischen Geschmack des Orchesterleiters herangeführt würden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Vereinbarung einer Probezeit von mehr als sechs Monaten berühre nicht die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Da die Beklagte bereits während der Wartefrist eine Gesamtbeurteilung des Klägers vorgenommen habe, sei die Berufung auf die verlängerte Probezeit rechtsmißbräuchlich. Schließlich sei auch im künstlerischen Bereich vor Ausspruch einer Kündigung eine vorherige vergebliche Abmahnung erforderlich, die unstreitig aber nicht ausgesprochen worden sei.

Die gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht mit am 10. Dezember 1981 verkündetem und am 26. April 1982 dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zugestelltem Urteil zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe § 50 Abs. 1 Satz 2 und § 64 Abs. 8 ArbGG verletzt, da das am 26. November 1981 verkündete Urteil den Parteien erst am 26. April 1982 zugestellt worden sei, ist unbegründet.

1. Zunächst hat die Revision übersehen, daß das angefochtene Urteil nicht schon am 26. November 1981, dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht, sondern erst am 10. Dezember 1981, dem Tag des am 26. November 1981 anberaumten besonderen Verkündungstermins, verkündet worden ist. Der Zeitraum zwischen Verkündung und Zustellung des angefochtenen Urteils betrug daher nicht genau fünf Monate, wie von der Revision angenommen, sondern 4 1/2 Monate.

2. Die Auffassung der Revision, das Landesarbeitsgericht habe den gemäß § 64 Abs. 7 ArbGG auch im Berufungsverfahren geltenden § 50 Abs. 1 Satz 2 ArbGG verletzt, indem es ohne Zustimmung der Parteien das Urteil erst fünf Monate nach seiner Verkündung zugestellt habe, verkennt den Anwendungsbereich des § 50 Abs. 1 ArbGG. Nach dieser Vorschrift hat die Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts das vollständig abgefaßte Urteil binnen drei Wochen seit Übergabe den Parteien zuzustellen. Im Streitfall spricht nichts dafür, die Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts habe diese Frist überschritten. Die weiteren Schlußfolgerungen der Revision beruhen daher auf nicht einschlägigen Voraussetzungen.

3. Im Ergebnis will die Revision rügen, das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen (vgl. § 551 Nr. 7 ZPO), da es verspätet abgesetzt worden sei. Wenn auch die Geltendmachung eines absoluten Revisionsgrundes im Sinne des § 551 ZPO ordnungsgemäß unter Beachtung der in § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO gestellten Anforderungen zu rügen ist, soweit es sich nicht um von Amts wegen zu prüfende Prozeßvoraussetzungen handelt (vgl. BGH LM Nr. 10 zu § 551 Ziff. 1 ZPO), so ist es doch unschädlich, daß die Revision den von ihr unter genauer Bezeichnung der Tatsachen aufgezeigten Verfahrensfehler rechtlich unzutreffend qualifiziert hat.

Die zulässige Verfahrensrüge ist aber unbegründet. Zwar hätte das angefochtene Urteil gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 in Verb. mit § 60 Abs. 4 Satz 2 ArbGG bereits bei der Verkündung in vollständiger Form abgefaßt sein müssen. Die Verletzung dieser Vorschrift durch das Landesarbeitsgericht kann aber ebenso wie ein Verstoß gegen § 60 Abs. 4 Satz 3 ArbGG grundsätzlich nicht mit der Revision gerügt werden, da es sich hierbei lediglich um Sollvorschriften mit bloßer Ordnungsfunktion handelt (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 7. Dezember 1983 - 4 AZR 394/81 -, zur Veröffentlichung bestimmt, mit weiteren Nachweisen). Für den in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannten Ausnahmefall, daß aufgrund der verspäteten Absetzung des Urteils die dreimonatige Frist gemäß § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO zur Erstellung eines Tatbestandsberichtigungsantrags verstrichen war (vgl. BAG 2, 194, 196; 4, 81, 83 = AP Nr. 1 und 2 zu § 60 ArbGG 1953) hat die Revision nichts vorgetragen.

Im Anschluß an die Rechtsauffassung anderer oberster Bundesgerichte (vgl. BSGE 51, 122; BVerwGE 50, 278) muß zwar auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Urteil, das den Parteien später als zwölf Monate nach seiner Verkündung zugestellt wird, als ein ohne Gründe versehenes Urteil angesehen werden (vgl. BAG 38, 55, 57 f. = AP Nr. 1 zu § 68 ArbGG 1979; nicht veröffentlichtes Urteil vom 9. März 1983 - 4 AZR 350/81 -). Wird aber diese äußerste Frist nicht überschritten, so kann nicht zwingend angenommen werden, bei der Urteilsabsetzung sei dem Gericht das Ergebnis der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr geläufig und gegenwärtig gewesen. Der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 7 ZPO liegt daher noch nicht ohne weiteres vor, wenn zwischen Urteilsverkündung und Zustellung des Urteils weniger als ein Jahr liegt (vgl. BAG, nicht veröffentlichtes Urteil vom 24. November 1982 - 5 AZR 190/81 -, unter I 1 der Gründe: 11 1/2 Monate; BAG 39, 217, 219 = AP Nr. 19 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW, unter I 2 der Gründe: mehr als sieben Monate; BAG Urteil vom 7. Dezember 1983, aaO: rund sieben Monate), sondern es bedarf konkreter Anhaltspunkte (z.B. Widersprüche oder Auslassungen wesentlicher Umstände im Tatbestand oder in den Entscheidungsgründen des Urteils) dafür, daß dem Gericht das Verhandlungs- und Beratungsergebnis beim Abfassen des Urteils nicht mehr gegenwärtig und geläufig war. Dies ist im Streitfall nicht ersichtlich und wird auch von der Revision nicht behauptet.

Soweit im Schrifttum (vgl. Grunsky, ArbGG, 4. Aufl. 1981, § 60 Rz 11; Zöller/Schneider, ZPO, 13. Aufl. 1981, § 551 Anm. 7 b) unter Hinweis auf die Regelung des § 552 ZPO, nach der die einmonatige Revisionsfrist spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach Urteilsverkündung zu laufen beginnt, ein Urteil als nicht mit Gründen versehen immer schon dann angenommen wird, wenn seit der Urteilsverkündung fünf Monate vergangen sind, während der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts unter Hinweis auf § 9 Abs. 5 ArbGG dieser Auffassung für das Arbeitsgerichtsverfahren zu folgen ablehnt (vgl. unveröffentlichtes Urteil vom 9. März 1983 - 4 AZR 350/81 -; Urteil vom 7. Dezember 1983, aaO; zustimmend Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 41. Aufl. 1983, § 551 Anm. 8 B), bedarf es vorliegend keiner Stellungnahme zu dieser Streitfrage, da im Streitfall zwischen Verkündungstermin und Urteilszustellung weniger als fünf Monate lagen.

4. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich für Kündigungsverfahren aus § 64 Abs. 8 ArbGG keine Abweichung zu vorstehend ausgeführten Rechtsgrundsätzen. Zwar sind nach dieser (§ 61 a ArbGG entsprechenden) Bestimmung Kündigungsverfahren im Berufungsverfahren vorrangig zu erledigen. Wie Kündigungsverfahren vorrangig zu erledigen sind, steht aber im Ermessen des Gerichts und ist gesetzlich nicht näher vorgeschrieben. Ebensowenig wie für eine Verletzung des allgemeinen Beschleunigungsgrundsatzes gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind im Arbeitsgerichtsgesetz Rechtsfolgen für einen Verstoß gegen die gebotene vorrangige Erledigung von Kündigungsverfahren gesetzlich geregelt. Ob die Verletzung der besonderen Prozeßförderungspflicht für Kündigungsverfahren aufgrund allgemeiner Rechtsgrundsätze Rechtsfolgen hat, kann im Streitfall offenbleiben. Jedenfalls ist nicht ersichtlich und auch von der Revision nicht vorgetragen worden, die erst 4 1/2 Monate nach dem Verkündungstermin erfolgte Zustellung des Urteils habe sich auf den Entscheidungsinhalt ausgewirkt (vgl. auch Grunsky, aaO, § 9 Rz 5) bzw. das angefochtene Urteil beruhe (vgl. § 549 Abs. 1 ZPO) auf einer Verletzung des § 64 Abs. 8 ArbGG. Ebensowenig kann angenommen werden, daß im Kündigungsverfahren anders als in sonstigen Verfahren schon zu einem früheren Zeitpunkt dem Gericht bei der Urteilsabsetzung das Ergebnis der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr geläufig und gegenwärtig ist und daher schon nach einem kürzeren Zeitraum als einem Jahr zwischen Verkündung und Zustellung des Urteils der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 7 ZPO vorliegt.

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. März 1980 nicht beendet worden.

1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die zwischen den Parteien einzelvertraglich vereinbarte Probezeit von einem Jahr entspreche § 3 Abs. 2 TVK und sei angesichts der schwieriger zu beurteilenden Erprobung von Orchestermusikern rechtlich nicht zu beanstanden. Die Probezeitvereinbarung berühre aber nicht die Anwendbarkeit des zum Nachteil des Arbeitnehmers unabdingbaren Kündigungsschutzgesetzes, wenn erst nach Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG eine Kündigung ausgesprochen werde. Gleichwohl komme bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung dem Umstand, daß sie innerhalb der vereinbarten Probezeit ausgesprochen worden sei, eine gewisse Bedeutung zu, wenn die Kündigung wie im Streitfall mit dem Zweck der Probezeitvereinbarung zusammenhänge. Ob der Probezeit durch geringere Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozeß oder bei der Würdigung der Kündigungsgründe Rechnung zu tragen sei, könne im Streitfall offenbleiben. Wenn das Theater oder der Intendant zur Überzeugung gelange, ein Schauspieler oder ein sonstiges Solo-Bühnenmitglied passe nicht in das künstlerische Konzept, sei diese auf vorwiegend subjektiven künstlerischen Gründen beruhende Entscheidung als dringendes betriebliches Erfordernis vom Gericht anzuerkennen, da sonst der Prozeßausgang letztlich vom Urteil eines Sachverständigen abhinge. Wolle der Arbeitgeber im künstlerischen Bereich sich hingegen von einem objektiv ungeeigneten, unfähigen Bühnen- oder Orchestermitglied trennen, so gelte der Bestandsschutz des Kündigungsschutzgesetzes im herkömmlichen Sinne, weil bei Störungen im Leistungsbereich auf einen objektiven Prüfungsmaßstab zurückgegriffen werden könne. Dies sei der Fall, wenn die Beklagte dem Kläger die erforderlichen rhythmischen Führungsqualitäten für die ihm obliegende Aufgabe eines Stimmführers der 2. Geigen abspreche. Die Beklagte hätte daher den Kläger vor Kündigungsausspruch zunächst abmahnen müssen, um ihm Gelegenheit zu geben, sich den von der Beklagten gestellten Anforderungen anzupassen. Es sei nicht ersichtlich, daß eine Abmahnung keinen Erfolg versprochen hätte. Das aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz resultierende Erfordernis der Abmahnung sei auch nicht aufgrund der noch andauernden Probezeit entfallen. Im Streitfall sei eine wirksame Abmahnung nicht ausgesprochen worden, da weder das beanstandete Verhalten aufgezeigt worden noch eine Kündigungsandrohung erfolgt sei. Schließlich könne die laufende Probearbeit mangels kündigungsrechtlicher Warnfunktion eine Abmahnung nicht ersetzen. Der Kläger habe unbestritten vorgetragen, die von ihm geführte Streichergruppe sei bei den Proben weniger als andere Streichergruppen beanstandet worden. Aufgrund der fehlenden Abmahnung sei die ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt.

2. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die zwischen den Parteien in Ziff. 3 des Arbeitsvertrages für die Dauer der Spielzeit 1979/80 vereinbarte Probezeit für wirksam erachtet.

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts steht mit Recht auf dem Standpunkt, daß nach der Neufassung des § 1 Abs. 1 KSchG durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14. August 1969 (BGBl. I, S. 1106) dem Erprobungszweck für die Erfüllung der Wartezeit keine wesentliche Bedeutung mehr zukomme, da für den Erwerb des Kündigungsschutzes nunmehr allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses maßgeblich sei (vgl. BAG 28, 176, 181 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, zu I 2 a der Gründe; Urteil vom 12. Februar 1981 - 2 AZR 1108/78 - AP Nr. 1 zu § 5 BAT, unter B III 1 der Gründe). Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts sieht zwar in der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG grundsätzlich eine "gesetzliche Probezeit" (BAG Urteil vom 15. März 1978 - 5 AZR 831/76 - AP Nr. 45 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, unter I 2 b der Gründe). Er hat aber darauf hingewiesen, daß eine sechsmonatige Probezeit nicht immer ausreichend ist, da insbesondere bei künstlerisch oder wissenschaftlich tätigen Arbeitnehmern eine Beurteilung über Eignung und Leistung schwieriger sei und nicht innerhalb von sechs Monaten abschließend erfolgen könne. Wenn somit jedenfalls in den Fällen der vorliegenden Art eine längere Probezeit als zulässig anzusehen ist (vgl. ferner BAG Urteil vom 7. Mai 1980 - 5 AZR 593/78 - AP Nr. 36 zu § 611 BGB Abhängigkeit, unter II 3 b der Gründe), so wird damit zugleich der grundrechtlich verbürgten Kunst- und Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bzw. bei im Medienbereich künstlerisch oder wissenschaftlich tätigen Arbeitnehmern der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schon im Rahmen der Vertragsgestaltung Rechnung getragen (vgl. auch BVerfGE 59, 231 ff. = AP Nr. 1 zu Art. 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit, unter C III 1 der Gründe). Auch unter Berücksichtigung der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit kann die Probezeit im Interesse des Arbeitnehmers aber nicht unangemessen verlängert werden, sondern nur um den zur Beurteilung der Eignung und Leistung des Arbeitnehmers für die von ihm auszuübende künstlerische oder wissenschaftliche Tätigkeit erforderlichen Zeitraum. Welcher Zeitraum in diesen Fällen als angemessen anzusehen ist, läßt sich vor allem den einschlägigen Tarifverträgen entnehmen, da die Tarifvertragsparteien für ihren Bereich am besten beurteilen können, welche Probezeit jeweils erforderlich ist (vgl. BAG Urteil vom 15. März 1978, aa0).

Im vorliegenden Fall sieht § 3 Abs. 2, 1. Unterabs. des dem Arbeitsverhältnis zugrundegelegten Tarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern vom 1. Juli 1971 (TVK) vor, daß die Zeit vom Beginn der Beschäftigung bis zum Ende des laufenden für das Orchester üblichen Beschäftigungsjahres als Probezeit gilt. Darüber hinaus gilt bei einer unter sechs Monaten liegenden Beschäftigungsdauer bis zum Ende des laufenden Beschäftigungsjahres die Zeit vom Beginn der Beschäftigung bis zum Ende des folgenden Beschäftigungsjahres als Probezeit (vgl. § 3 Abs. 2, 2. Unterabs. TVK). In diesem Fall kann die Probezeit daher bis zu einem Tag weniger als 18 Monate betragen. Diese lange Probezeitdauer erscheint letztlich nur mit Rücksicht auf die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit bzw. die Rundfunkfreiheit vertretbar. Die im Streitfall in Anlehnung an § 3 Abs. 2, 1. Unterabs. TVK vereinbarte Probezeit für die Dauer der Spielzeit 1979/80 ist daher wirksam.

3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, durch die vorgeschaltete Probezeit von mehr als sechs Monaten werde die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nach Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nicht ausgeschlossen.

Der dem Arbeitnehmer nach § 1 KSchG zustehende Allgemeine Kündigungsschutz kann weder einzelvertraglich noch durch Tarifvertrag zu Lasten des Arbeitnehmers abbedungen werden (vgl. Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 23 a, 161; KR-Becker, § 1 KSchG Rz 12); auf den Kündigungsschutz kann auch nicht im voraus wirksam verzichtet werden (vgl. BAG 26, 417, 423 = AP Nr. 3 zu § 620 BGB Bedingung, zu B II 3 c der Gründe mit weiteren Nachweisen). Eine nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist dem Arbeitnehmer zugegangene ordentliche Kündigung ist daher, auch wenn zu diesem Zeitpunkt die zulässigerweise vereinbarte Probezeit noch nicht beendet war, nur wirksam, wenn sie gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist (vgl. Dieterich, AR-Blattei D, Probearbeitsverhältnis I, E. I 1; Freitag, Das Probearbeitsverhältnis, 2. Aufl. 1981, S. 33 f.; Hueck, aaO, § 1 Rz 23 a; ders. Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 5 BAT, unter 1; Walter, Arbeitsverhältnisse zur Probe und zur Aushilfe, 3. Aufl. 1965, S. 45; anderer Ansicht ohne nähere Begründung Erdmann/Müller, Das Kündigungsschutzgesetz, 2. Aufl. 1954, § 1 Rz 13 b; Butz, BB 1955, 1147, 1149). Da der Erprobungszweck für den Erwerb des Kündigungsschutzes keine wesentliche Bedeutung mehr hat (vgl. BAG Urteil vom 12. Februar 1981, aaO, unter B III 1 der Gründe), widerspricht die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht dem Wesen des Probearbeitsverhältnisses.

4. Dem Landesarbeitsgericht ist ferner darin zu folgen, trotz Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes komme der Probezeitvereinbarung eine rechtliche Bedeutung zu. Sonst gäbe es nämlich keinen Sinn, die Vereinbarung einer mehr als sechsmonatigen Probezeit für bestimmte Tätigkeiten als zulässig anzusehen. Wie der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 12. Februar 1981 (aaO, zu B IV 1 b der Gründe) ausgeführt hat, kann aufgrund der Probezeitvereinbarung auch nach Erwerb des Kündigungsschutzes das Arbeitsverhältnis mit den gesetzlichen Mindestkündigungsfristen oder mit den für die Probezeit tarifvertraglich vereinbarten kürzeren Kündigungsfristen gekündigt werden. Im Streitfall ist daher unschädlich, daß die Beklagte die Kündigungsfrist gemäß § 41 Abs. 2 TVK von sechs Monaten zum Ende des Beschäftigungsjahres nicht eingehalten hat, da sie nach § 41 Abs. 1 TVK während der Probezeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ende der Probezeit kündigen durfte.

Darüber hinaus ist die Probezeitvereinbarung bei der Würdigung der Kündigungsgründe zu berücksichtigen, soweit diese im Zusammenhang mit dem Probezweck stehen (vgl. BAG Urteil vom 12. Februar 1981, aaO; Dieterich, aaO, E. I 2 mit weiteren Nachweisen). Im Schrifttum wird ferner die Auffassung vertreten, an die Darlegungslast des Arbeitgebers seien geringere Anforderungen als bei einer Kündigung außerhalb der Probezeit zu stellen, da die Beurteilung der Eignung häufig subjektiv sei und daher nicht hinreichend substantiiert werden könne (vgl. Freitag, aaO, S. 34).

5. Im Streitfall haben beide Vorinstanzen der Probezeitvereinbarung nicht die - in der Rechtsprechung und im Schrifttum, soweit ersichtlich, bislang nicht erörterte - Bedeutung zugemessen, bei Störungen im Leistungsbereich sei im Unterschied zu einer Kündigung außerhalb der Probezeit eine vorherige vergebliche Abmahnung nicht erforderlich. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind nicht durchgreifend. Im einzelnen gilt folgendes:

a) Das Erfordernis einer vorherigen, vergeblichen Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung und der Zweck der Probezeit widersprechen sich nicht.

Mit der Vereinbarung einer Probezeit soll bei den Arbeitsvertragsparteien eine leichtere Lösung gegenüber einem endgültigen Arbeitsverhältnis ermöglicht werden (vgl. BAG Urteil vom 2. August 1978 - 4 AZR 46/77 - AP Nr. 1 zu § 55 MTL II; Dieterich, aaO, A. I 1; Freitag, aaO, S. 3 f. mit weiteren Nachweisen). Entsprechend dieser Zwecksetzung ist in der Vereinbarung einer Probezeit im Regelfall auch die Vereinbarung der gesetzlich zulässigen Mindestkündigungsfristen zu erblicken (vgl. BAG 23, 393, 396 = AP Nr. 11 zu § 620 BGB Probearbeitsverhältnis). Weitergehend können durch Tarifvertrag noch kürzere Kündigungsfristen bis zur Möglichkeit einer entfristeten Kündigung vereinbart werden (vgl. BAG Urteil vom 2. August 1978, aaO). Über die leichtere Lösungsmöglichkeit hinaus dient die Probezeitvereinbarung, wie bereits die Bezeichnung andeutet, der Erprobung des Arbeitnehmers für die vertraglich vorgesehene Tätigkeit, d.h. vor allem dem Arbeitgeber soll eine Prüfung der persönlichen Eignung und fachlichen Befähigung des Arbeitnehmers für die von ihm auszuübende Arbeit ermöglicht werden (vgl. BAG Urteil vom 15. März 1978, aaO; Dieterich, aaO, A. I 1; Freitag, aaO, S. 3 f.; G. Hueck, Anm. zu BAG AP Nr. 3 zu § 620 BGB Probearbeitsverhältnis). Beide Zwecksetzungen sind in der Weise miteinander verknüpft, daß der Arbeitgeber sich während der Probezeit schneller von dem Arbeitnehmer lösen kann, wenn dieser den an ihn zu stellenden Anforderungen nicht genügt (vgl. BAG Urteil vom 21. Oktober 1954 - 2 AZR 40/53 - AP Nr. 1 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).

Durch eine Abmahnung soll dem Arbeitnehmer gegenüber zum Ausdruck gebracht werden, daß der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsleistungen oder ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers als nicht vertragsgemäß ansieht und dies künftig hinzunehmen nicht mehr gewillt ist. Demgemäß kann von einer Abmahnung nur gesprochen werden, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise die Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfalle seien der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 1980 - 7 AZR 75/78 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, unter 2 a der Gründe).

Die Erprobungsfunktion der Probezeit für den Arbeitgeber und die Beanstandungsfunktion der Abmahnung für den Arbeitnehmer ergänzen sich dadurch, daß die vom Arbeitgeber während der Probezeit festgestellten Eignungs- und Leistungsmängel dem Arbeitnehmer aufzuzeigen sind und ihm dadurch Gelegenheit gegeben wird, den Erwartungen und Anforderungen des Arbeitgebers noch bis zum Ablauf der Probezeit zu genügen. Die der Abmahnung innewohnende Warn- und Ankündigungsfunktion erfordert zwar, daß dem Arbeitnehmer die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen nicht genügender Eignung und Befähigung deutlich gemacht wird, berührt aber nicht die in der Probezeit durch kürzere Kündigungsfristen gegebene schnellere Lösungsmöglichkeit des Arbeitsverhältnisses. Das Erfordernis der Abmahnung steht daher nicht im Widerspruch zu den mit der Vereinbarung einer Probezeit verfolgten Zwecksetzungen, sondern verlangt vom Arbeitgeber lediglich, die Eignung und Befähigung des Arbeitnehmers für die Probezeit zu beurteilen und im Falle negativer Beurteilung dies dem Arbeitnehmer unter Hinweis auf eine deswegen beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitzuteilen (vgl. auch Bunge, Anm. zu BAG EzA § 620 BGB Nr. 34, unter II 1 c).

b) Auch die gebotene Berücksichtigung der grundrechtlich verbürgten Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG führt nicht dazu, daß bei einer gegenüber einem künstlerischen Tendenzträger innerhalb der - die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG übersteigenden - Probezeit das Erfordernis der vorherigen Abmahnung entfällt.

Für die Frage der Eignung und Befähigung eines Orchestermusikers spielen neben dessen fachlicher Qualifikation auch die - durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten - subjektiven künstlerischen Vorstellungen des Orchesterträgers bzw. -leiters sowie die Befähigung zur Zusammenarbeit mit den anderen Orchestermitgliedern eine nicht unerhebliche Rolle. Der Senat verkennt nicht, daß sich die fehlende Eignung eines Orchestermusikers wegen der subjektiv-künstlerischen Aspekte häufig nicht anhand von konkreten Tatsachen aufzeigen läßt. Es kann daher vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, daß in diesem mehr subjektiv- künstlerischen Bereich liegende Eignungsmängel im einzelnen bezeichnet werden. Diese die Beanstandungsfunktion einer Abmahnung betreffenden Einschränkungen, die sich im Kündigungsschutzprozeß zugunsten geringerer Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers auswirken, ohne daß lediglich pauschale Bewertungen schon als ausreichender Vortrag anzusehen wären (vgl. auch Freitag, aaO, S. 34), berühren aber nicht die Warn- und Ankündigungsfunktion der Abmahnung. Denn wenn auch die aus einer mehr subjektiv-künstlerischen Beurteilung sich ergebenden Eignungsmängel sich nicht immer konkret bezeichnen lassen und daher schwerer als rein fachliche Leistungsmängel zu beheben sein werden, so kann auch hier ein Hinweis genügen, um den Anforderungen gerecht zu werden (vgl. auch BAG Urteil vom 29. Juli 1976 - 3 AZR 50/75 - AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, unter 4 d der Gründe). Es kann daher nicht allgemein davon ausgegangen werden, Eignungsmängel im subjektiv-künstlerischen Bereich seien überhaupt nicht behebbar, und eine Abmahnung sei stets wegen Erfolglosigkeit entbehrlich.

c) Der in den Vorinstanzen von der Beklagten vertretenen Auffassung, die förmliche Abmahnung mit Androhung der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei für die künstlerische Individualität eher schädlich als nützlich, kann nicht gefolgt werden. Sie ist unvereinbar mit der während der Probezeit einzuhaltenden tarifvertraglichen Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende der Probezeit (vgl. § 41 Abs. 1 TVK). Denn der Ausspruch einer Beendigungskündigung mindestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses müßte der künstlerischen Individualität wesentlich mehr als eine Abmahnung schaden, durch die dem abgemahnten Orchestermusiker noch die Gelegenheit eröffnet wird, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzuwenden. Wäre die Auffassung der Beklagten zutreffend, so hätte es nahegelegen, daß die Tarifvertragsparteien für eine Kündigung während der Probezeit eine wesentlich kürzere Kündigungsfrist oder sogar eine entfristete Kündigung vereinbart hätten.

Im Streitfall steht zudem die Berufung der Beklagten auf die vorgeblich schädliche Wirkung einer Abmahnung im Widerspruch zu ihrem eigenen früheren Verhalten, nämlich der mit Schreiben vom 8. Januar 1980 erfolgten Ankündigung, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum Ablauf der Probezeit am 31. August 1980 zu kündigen.

Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das Landesarbeitsgericht hätte die zu dieser Frage angebotenen Beweise nicht erhoben, genügt nicht den Anforderungen gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO, da die Fundstelle des Beweisantrags nicht näher bezeichnet worden ist (vgl. BAG 12, 328 = AP Nr. 22 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).

d) Ebensowenig kann der Ansicht der Revision zugestimmt werden, die Orchesterproben ersetzten eine kündigungsrechtliche Abmahnung. Der Revision ist zwar zuzugeben, daß die während der Proben von dem Orchesterleiter vorgenommenen Korrekturen das gesonderte Aufzeigen von Eignungs- und Leistungsmängeln überflüssig machen können, da hierin schon eine Beanstandung liegt. Wie das Landesarbeitsgericht bereits ausgeführt hat, genügen diese Korrekturen aber mangels Hinweises auf eine beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht der unverzichtbaren Warn- und Ankündigungsfunktion einer Abmahnung.

Im Streitfall kommt hinzu, daß nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die vom Kläger geführte Streichergruppe weniger als andere Streichergruppen beanstandet worden ist. Dann brauchte der Kläger aber auch nicht etwa aufgrund einer überdurchschnittlichen Zahl von Beanstandungen während der Proben davon auszugehen, die Beklagte sei mit seinen Leistungen nicht zufrieden und beabsichtige daher, das Arbeitsverhältnis zum Ende der Probezeit zu lösen.

e) Schließlich begegnet die - auch vom Landesarbeitsgericht vertretene - Auffassung der Revision Bedenken, es liege ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor, wenn ein Künstler nicht in das künstlerische Konzept eines Orchesterleiters oder Theaterintendanten passe, deshalb sei eine hierauf gestützte Kündigung auf ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit nicht gerichtlich überprüfbar.

Auch bei einer derartigen Fallkonstellation handelt es sich um einen Eignungsmangel des gekündigten Arbeitnehmers und damit um eine personenbedingte Kündigung. Gegen das Vorliegen einer betriebsbedingten Kündigung sprechen auch die hier nicht passenden Rechtsfolgen gemäß § 1 Abs. 3 KSchG. Die grundrechtlich verbürgte Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) wird daher in diesen Fällen im Rahmen der Interessenabwägung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu berücksichtigen sein. Eine Berücksichtigung von verfassungsrechtlich geschützten Arbeitgeberinteressen im Rahmen der einzelfallbezogenen Interessenabwägung hat das Bundesarbeitsgericht auch bei kirchlichen Mitarbeitern vorgenommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 23. März 1984 - 7 AZR 249/81 -, unter I 3 c aa der Gründe m.w.N.) sind die Kirchen trotz ihrer durch Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV gewährten Autonomie an das für alle geltende Arbeitsrecht gebunden, wenn sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Personen in abhängiger Stellung als Arbeitnehmer beschäftigen, und zwar auch dann, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Bindung an den übergeordneten Auftrag der Kirche ausgeführt wird. Die besonderen in der Kirchenautonomie begründeten Belange des kirchlichen Arbeitgebers sind jeweils im Rahmen der für die ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG und für die außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen. Diese Grundsätze gelten entsprechend bei der Kündigung von künstlerischen Tendenzträgern.

Da es im Streitfall bereits an einer ordnungsgemäßen Abmahnung fehlt, bedarf es keiner abschließenden Stellungnahme zu der Frage, welche Umstände bei der Interessenabwägung in den Fällen der vorliegenden Art im einzelnen zu berücksichtigen sind.

f) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Schreiben der Beklagten vom 8. Januar 1980 an den Kläger, in dem diese dem Kläger die beabsichtigte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses angekündigt und zugleich den Abschluß eines Aufhebungsvertrags angeboten hat, stelle keine Abmahnung dar, ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt nachprüfbar, da es sich bei dem Schreiben um eine nichttypische Willenserklärung handelt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. etwa BAG Urteil vom 27. Juni 1963 - 5 AZR 383/62 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß). Wenn das Landesarbeitsgericht vor allem auf die fehlende Beanstandung der angeblich mangelhaften Leistungen des Klägers abgestellt hat, so liegt hierin keine Verkennung des Rechtsbegriffs der Abmahnung. Denn dem Schreiben der Beklagten ist in keiner Weise zu entnehmen, warum die vom Kläger gezeigten Leistungen nicht ausreichend seien. Das Ergebnis der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, denn ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze ist ebensowenig wie die Nichtberücksichtigung wesentlicher Umstände ersichtlich.

g) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß auch in den Fällen der vorliegenden Art eine Abmahnung entbehrlich sei, wenn sie keinen Erfolg versprochen hätte. Diese Voraussetzungen hat es verneint, denn die Beklagte habe hierfür weder etwas dargelegt noch seien Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Kläger einer Abmahnung nicht nachgekommen oder daß die behauptete Leistungsstörung nicht behebbar gewesen wäre.

Mangels entsprechender Verfahrensrügen ist der Senat an diese tatsächlichen Feststellungen gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden.

III. Die Kündigung vom 26. März 1980 ist daher mangels vorheriger Abmahnung sozial ungerechtfertigt und unwirksam (§ 1 Abs. 2 in Verb. mit Abs. 1 KSchG). Entgegen der hilfsweise geäußerten Auffassung der Revision kommt ein Schadenersatzanspruch als Rechtsfolge der unterlassenen Abmahnung nicht in Betracht, da das Erfordernis der Abmahnung Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung der Kündigung ist (vgl. auch Hueck, aaO, § 1 Rz 90 a).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Roeper Dr. Steckhan Dr. Becker

Wagner Dr. Zachert

 

Fundstellen

Haufe-Index 441150

BAGE 46, 163-174 (LT1)

BAGE, 163

NJW 1985, 2158

NJW 1985, 2158-2159 (LT1)

BlStSozArbR 1985, 24-24 (T)

AP § 1 KSchG 1969 (LT1), Nr 8

AR-Blattei, Abmahnung Entsch 12 (LT1)

AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit XC 1979 Entsch 25 (LT1)

AR-Blattei, ES 1030 Nr 37 (LT1)

AR-Blattei, ES 1270 Nr 21 (LT1)

AR-Blattei, ES 160.10.3 (1979) Nr 25 (LT1)

AR-Blattei, ES 20 Nr 12 (LT1)

AR-Blattei, Künstlerische Tätigkeit Entsch 37 (LT1)

AR-Blattei, Probearbeitsverhältnis Entsch 21 (LT1)

AfP 1985, 310

EzA § 1 KSchG, Nr 40 (LT1)

RiA 1985, 159-159 (T)

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