Ver.di muss keinen Schadensersatz wegen Busfahrerstreik bezahlen

Die Gewerkschaft ver.di muss wegen der Busfahrer-Streiks in Pforzheim im Jahr 2016 keinen Schadensersatz an die Stadtverkehr Pforzheim (SVP) bezahlen. Der Streik gegen die Privatisierung des Busverkehrs in Pforzheim war rechtmäßig, so das Arbeitsgericht Pforzheim.

Im Frühjahr 2016 hat es Streiks gegen die Privatisierung des Busverkehrs in Pforzheim gegeben. Die Stadtverkehr Pforzheim GmbH & Co.KG i. L. (SVP) hat die Gewerkschaft ver.di auf Schadensersatz verklagt und argumentiert, die Streiks seien rechtswidrig gewesen. Insbesondere habe noch die Friedenspflicht gegolten und die Gewerkschaft ver.di habe in ihren Streikaufrufen Forderungen gestellt, die nur über eine unbeteiligte Dritte, die Stadt Pforzheim, erfüllt werden könnten - nämlich die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen durch die Stadt. Wer rechtswidrig streike, mache sich schadensersatzpflichtig.

Arbeitsgericht Pforzheim: Kein Verstoß gegen Friedenspflicht

Aus Sicht des Arbeitsgerichts Pforzheim ist diese Argumentation zwar dem Grunde nach zutreffend. Ein Verstoß gegen die Friedenspflicht habe damals aber nicht vorgelegen. Angesichts der gravierenden Änderungen (Betriebsstillegung) habe gestreikt werden dürfen. Die Richter konnten den vorgelegten Streikaufrufen auch nicht entnehmen, dass darin ausdrücklich Forderungen an die Stadt, insbesondere als unbeteiligte Dritte, enthalten waren. Das Schreiben vom 4. März 2016, auf das die SVP ihre Argumentation wesentlich stützte, stellte gerade keinen Streikaufruf dar, sondern enthielt nur allgemeine Informationen für die Gewerkschaftsmitglieder. Erstmals gestreikt wurde erst ein paar Tage später, nämlich am 9. März 2016 (mit Streikaufruf vom selben Tag).

Stadt Pforzheim war nicht als unbeteiligte Dritte erkennbar

Nach Meinung der Richter war zudem die Rolle der Stadt Pforzheim im Frühjahr 2016 für die Verhandlungsführer von ver.di nicht klar erkennbar gewesen. Weil die Stadt in der Vergangenheit mehrfach beim Abschluss von Tarifverträgen beteiligt war, konnte sie in der späteren Tarifauseinandersetzung jedenfalls nicht als unbeteiligte Dritte angesehen werden. So unterzeichnete der damalige Stadtdirektor etwa 2014 und 2015 Tarifverträge, die für die Busfahrer galten. Vor seiner Unterschrift steht dort: „Für die Stadt Pforzheim“. Beim Tarifvertragsschluss 2015 verwendete er zusätzlich den Dienststempel der Stadt. Als Interpretationshilfe zugunsten von ver.di konnte auch Art. 6 Abs. 4 der Europäischen Sozialcharta herangezogen werden, der grundsätzlich von einem unbeschränkten Streikrecht ausgeht. Auch politische Appelle, die sich auf tariflich nicht regelbare Forderungen beziehen, könnten damit Gegenstand eines Streikaufrufs sein, ohne diesen insgesamt rechtwidrig zu machen.

(Arbeitsgericht Pforzheim, Urteil v. 5.4.2018, 3 Ca 208/17)

Arbeitsgericht Pforzheim
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