Überwachung privater Chats im Büro nur eingeschränkt möglich

Arbeitgeber dürfen private Internetchats ihrer Mitarbeiter im Büro nicht uneingeschränkt überwachen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte Rumänien wegen eines Verstoßes gegen das Recht auf Privatsphäre. Das Urteil ist auch für Deutschland wegweisend.

Geklagt hatte ein Mann aus Rumänien, der entlassen worden war, weil er über den Internetzugang des Arbeitgebers Nachrichten an seinen Bruder und seine Verlobte verschickt hatte. Es ging darin um seine Gesundheit und sein Sexualleben. Das Unternehmen hatte die Unterhaltung aufgezeichnet, ohne den Mitarbeiter über die Möglichkeit einer solchen Kontrolle vorab zu informieren.

Der Rumäne versuchte zwar, die privaten Unterhaltungen abzustreiten. Aber sein Arbeitgeber hatte mitgeschrieben - 45 Seiten private Chats. Die interne Regel des Unternehmens war klar: «Es ist streng verboten (...) Computer (...) zu privaten Zwecken zu nutzen.» Nicht so klar war, ob der Mitarbeiter deshalb überwacht werden durfte.

Gericht stellt Verletzung der Privatsphäre fest

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg stellte eine Verletzung des Rechts auf Privatsphäre fest.

Wenn Unternehmen die Kommunikation ihrer Mitarbeiter überwachen wollen, müssen sie sich an Regeln halten, heißt es in dem Urteil: So müssen sie über die Möglichkeit und das Ausmaß von Kontrollen vorab informieren. Außerdem brauchen sie einen legitimen Grund dafür und müssen mildere Kontrollmaßnahmen sowie weniger einschneidende Konsequenzen als etwa eine Kündigung prüfen (Entscheidung vom 5.9.2017, Beschwerde-Nr. 61496/08).

Verurteilt wurde damit Rumänien. Als Mitglied des Europarats muss sich aber auch Deutschland an die Vorgaben des Urteils halten, wenn es keine eigene Verurteilung riskieren will.

Privatnutzung des Internets darf vom Arbeitgeber untersagt werden

Kriterien, wie sie der Menschenrechtsgerichtshof nun erstmals formuliert hat, gab es hierzulande bisher nicht in diesem Detail. «In Deutschland gibt es nur eine sehr rudimentäre Regelung des Beschäftigtendatenschutzes», sagt Rechtsexpertin Marta Böning vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). «Im Bundesdatenschutzgesetz.» Darauf baue die Rechtsprechung auf.

Danach dürfen Arbeitgeber die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit verbieten - zum Beispiel ausdrücklich in einem Anhang zum Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung. Aber: «In vielen Betrieben wird die private Internetnutzung über lange Zeit einfach geduldet», sagt Böning. «Das ist dann eine konkludente Erlaubnis.» Ob ausdrücklich oder konkludent: «Es geht immer um eine geringfügige Nutzung, etwa während Pausen oder nach Feierabend», so die DGB-Expertin. Also kein stundenlanges privates Surfen.

Rechtsprechung zur Mitarbeiterüberwachung

Kontrollen grenzte das Bundesarbeitsgericht im Juli 2017 in einem konkreten Fall ein. Danach dürfen Unternehmen keine verdeckten Spähprogramme einsetzen. Keylogger, die alle Tastatureingaben heimlich protokollieren und Bildschirmfotos schießen, sind für eine Überwachung «ins Blaue hinein» unzulässig.

Die Verlaufsdaten eines Internetbrowsers dürfen dagegen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg für Kontrollen und gegebenenfalls eine Kündigung verwendet werden. Höchstrichterlich wurde die Frage noch nicht entschieden. Gibt es einen Betriebsrat, habe dieser bei der Art und Weise der Kontrollen immer mitzubestimmen, sagt Böning.

Am Ende plädiert die Rechtsexpertin zumindest für eine unternehmensinterne Regelung. Gebe es die nicht, «laufen beide Seiten Gefahr, dass es zu Missverständnissen kommt». Was dabei aus Sicht des Menschenrechtsschutzes zu beachten ist, haben die Straßburger Richter nun vorgegeben.


dpa
Schlagworte zum Thema:  Datenschutz, Urteil, Mitarbeiterüberwachung