Rettungssanitäter muss nicht länger als 10 Stunden arbeiten

Wenn ein Arbeitgeber seine Kosten durch Zuwendungen aus öffentlichen Haushalten deckt, kann er höhere Höchstarbeitszeiten nach dem TVöD anordnen. Das BAG hat klargestellt, was unter dem Begriff der Zuwendung zu verstehen ist.

Der Kläger des vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen Falls ist als Mitarbeiter im Rettungsdienst bei der Beklagten beschäftigt. Die alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist die H Kliniken GmbH, deren Gesellschaftsanteile wiederum zu 100 % vom Landkreis H gehalten werden. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten ist der TVÖD (VKA) anwendbar. Der Kläger wurde von der Beklagten regelmäßig zu Schichten im Rettungsdienst mit einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 10 Stunden und bis zu 12 Stunden auf der Grundlage des § 9 TVöD eingesetzt. Er ist der Auffassung, die Anordnung von Schichtzeiten mit einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 10 Stunden verstoße gegen § 3 Satz 2 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), da die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abweichung von der dort geregelten täglichen Höchstarbeitszeit nicht vorlägen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 3 ArbZG in Verbindung mit Abschnitt B des Anhangs zu § 9 TVöD (VKA) berechtigt sei, Schichtzeiten bis zu 12 Stunden täglich anzuordnen. Sie finanziere die Kosten ihres Betriebs überwiegend durch Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts, da sie ihre Auslagen zu 95 % mit Zuwendungen des Landkreises decken würde.

BAG: Rettungssanitäter darf nicht länger als 10 Stunden beschäftigt werden

Die Klage hatte vor dem BAG Erfolg. Das BAG hat entschieden, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger Schichtzeiten im Rettungsdienst zuzuweisen, die eine tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden überschreiten. Sie könne sich bei der Anordnung von Schichtzeiten bis zu 12 Stunden nicht auf § 7 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 3 ArbZG in Verbindung mit Abschnitt B des Anhangs zu § 9 TVöD (VKA) stützen.

Das BAG führte hierzu aus, dass nach § 3 ArbZG die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer 8 Stunden nicht überschreiten bzw. auf bis zu 10 Stunden nur verlängert werden darf, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Zwar könne gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 4 ArbZG in einem Tarifvertrag zugelassen werden, die Regelung des § 3 ArbZG über die zulässige Arbeitszeit bei Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie bei anderen Arbeitgebern, die der Tarifbindung eines für den öffentlichen Dienst geltenden oder eines im wesentlichen inhaltsgleichen Tarifvertrags unterliegen, der Eigenart der Tätigkeit bei diesen Stellen anzupassen. Zudem habe gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG eine nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 ArbZG getroffene abweichende tarifvertragliche Regelung zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen ihnen die Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen vereinbart ist und die Arbeitgeber die Kosten des Betriebs überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts decken.

Entgelte sind keine Zuwendungen im Sinn des Haushaltsrechts

Im vorliegenden Fall konnte sich die Beklagte jedoch nicht auf diese Vorschrift stützen, weil sie die Kosten ihres Betriebs nicht überwiegend mit Zuwendungen im Sinn des Haushaltsrechts deckt. Das Entgelt, das der Landkreis H aufgrund des Vertrags mit der Beklagten als Gegenleistung für die Erbringung des bodengebundenen Rettungsdienstes an die Beklagte zahlt, sei keine solche Zuwendung. Zum Begriff der „Zuwendung im Sinne des Haushaltsrechts“ führte das BAG aus, dass Zuwendungen in diesem Sinn z. B. zweckgebundene Zuschüsse, Schuldendiensthilfen oder andere nicht rückzahlbare Leistungen seien. Keine Zuwendungen im haushaltsrechtlichen Sinn seien dagegen Entgelte aufgrund von öffentlichen Aufträgen oder sonstigen gegenseitigen Verträgen. Daher seien die aufgrund des Vertrags zur Durchführung des Rettungsdienstes im Landkreis H gezahlten Entgelte keine „Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts“. Die Vertragsparteien hatten aufgrund eines konkreten Beschaffungsinteresses des Landkreises eine bestimmbare Leistungspflicht der Beklagten (Durchführung des bodengebundenen Rettungsdienstes nach den vertraglich vereinbarten Maßgaben) gegen Entgelt vereinbart (BAG, Urteil vom 20.11.2018, 9 AZR 327/18).

Hintergrund:

§ 7 Abs. 2 und Abs. 3 ArbZG:

(2) Sofern der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet wird, kann in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung ferner zugelassen werden,

(…)Nr. 4die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie bei anderen Arbeitgebern, die der Tarifbindung eines für den öffentlichen Dienst geltenden oder eines im wesentlichen inhaltsgleichen Tarifvertrags unterliegen, der Eigenart der Tätigkeit bei diesen Stellen anzupassen.

(2a) (…)(3) (…) 3Eine nach Absatz 2 Nr. 4 getroffene abweichende tarifvertragliche Regelung hat zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen ihnen die Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen vereinbart ist und die Arbeitgeber die Kosten des Betriebs überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts decken.

Schlagworte zum Thema:  Arbeitszeitgesetz, TVöD, Rettungsdienst