Beweislast für eingeschränkte Leistungsfähigkeit wegen Krankheit

Arbeitgeber können verpflichtet sein, erkrankte Arbeitnehmer auf einen sogenannten leidensgerechten Arbeitsplatz umzusetzen. Wenn sie das schuldhaft nicht tun, müssen sie Schadensersatz zahlen. Das BAG hat klargestellt, welche Pflichten und welche Beweislast den Arbeitgeber treffen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit Januar 2001 beschäftigt. Sie war seit Mai 2011 längere Zeit krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Eine Untersuchung im April 2015 ergab, dass das festgestellte Leistungsvermögen der Beschäftigten die bisher ausgeübte Tätigkeit nicht mehr zuließ. Allerdings wurde im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) festgestellt, dass eine Tätigkeit auf einem anderen Arbeitsplatz möglich sei. 

Eine weitere Untersuchung Anfang 2016 ergab, dass auch auf dem alternativen Arbeitsplatz eine Beschäftigung der Klägerin ausgeschlossen war. Da die Klägerin anderer Auffassung war, forderte sie die Beklagte auf, ihr die im BEM benannte Tätigkeit zuzuweisen und verwies hierbei auf eine Bescheinigung ihres Facharztes.

Aufgrund einer weiteren, Mitte Juni 2016 durchgeführten Untersuchung kam der Betriebsarzt zum Ergebnis, dass die Belastbarkeit für eine dauerhafte Beschäftigung der Klägerin in dem im BEM benannten Bereich nach wie vor nicht sicher gegeben sei und ein Arbeitsversuch Risiken berge, so dass eine Wiedereingliederungsmaßnahme von mindestens 3 Monaten dringend zu empfehlen sei. Dies lehnt die Klägerin erneut ab und legte im September 2016 ein neues Attest ihres Facharztes vor. In diesem wurde bescheinigt, dass eine Wiedereingliederungsmaßnahme nicht erforderlich sei.

Im November 2016 fing die Klägerin wieder an zu arbeiten. Sie klagte schließlich auf Vergütung für die Zeit vom Februar 2016 bis Oktober 2016. Sie begründete dies damit, dass sie spätestens seit Mitte Februar 2016 für den benannten Arbeitsplatz arbeitsfähig gewesen sei, die Beklagte sie aber trotz ihrer Aufforderung dort nicht beschäftigt hatte, sodass die Beklagte in Annahmeverzug gekommen sei. Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) hatte die Klage keinen Erfolg.

Anspruch auf leidensgerechten Arbeitsplatz

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat das Urteil des LAG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Das BAG führte hierzu aus, dass in Fällen, in denen der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen, der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers verpflichtet sein kann, ihn auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz umzusetzen.Wenn der Arbeitgeber dem Verlangen des Arbeitnehmers schuldhaft nicht nachkommt, kann dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch wegen entgangener Vergütung zustehen. Dieser Anspruch setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer im maßgeblichen Zeitraum für die beanspruchte andere Tätigkeit auch objektiv leistungsfähig gewesen ist. Falls sich der Arbeitgeber auf die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers beruft, trägt er für die Voraussetzungen dieser Einwendung die Beweislast.

Da der Arbeitgeber über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers jedoch grundsätzlich keine näheren Kenntnisse hat, genügt er seiner Darlegungslast regelmäßig schon dann, wenn er Indizien vorträgt, aus denen auf eine Leistungsunfähigkeit im Annahmeverzugszeitraum geschlossen werden kann.

Beweislast für Schadensersatzanspruch bei Arbeitnehmer

Auf der anderen Seite muss ein Arbeitnehmer, der Schadensersatz geltend macht, für sämtliche Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs die Beweislast tragen, d. h. er muss darlegen und beweisen, über welches Leistungsvermögen er noch verfügt und dass dies den Anforderungen an die beanspruchte Beschäftigung genügt.

Darauf muss sich dann der Arbeitgeber einlassen und darlegen, aus welchen Gründen eine Beschäftigung des Arbeitnehmers zu den vorgeschlagenen Bedingungen nicht in Betracht kommt. Das kann z. B. durch eine gutachterliche Stellungnahme des Betriebsarztes über die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers geschehen. Hierbei muss nach Ansicht des BAG aber berücksichtigt werden, dass es sich bei solchen Äußerungen des Betriebsarztes um ein Privatgutachten handelt. Das bedeutet, dass dies nur als qualifizierter Parteivortrag zu werten ist und dem in Bezug auf die Richtigkeit darin enthaltener Angaben nicht die Kraft eines Beweismittels i. S. d. §§ 355 ff. ZPO zukommt.

(BAG, Urteil v. 22.8.2018, 5 AZR 592/17)