BAG: Rückzahlungsanspruch Arbeitgeber bei Scheinselbstständigen

Bei Scheinselbstständigkeit kann der Arbeitgeber die gezahlte Vergütung in Höhe der Differenz von tatsächlicher zu üblicher Vergütung zurückfordern. Dabei kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, die für die freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet. Dies hat aktuell das BAG entschieden.

Der Beklagte war bei der Klägerin acht Jahre lang ohne festen Stundenumfang und zunächst aufgrund mündlicher Vereinbarung als freier Mitarbeiter beschäftigt. Sein Honorar belief sich anfangs auf 28,12 EUR pro Stunde und wurde schrittweise erhöht auf 60 EUR pro Stunde.

2009 kündigte der Beklagte und stellte bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf Feststellung, dass er während seiner gesamten Tätigkeit bei der Klägerin nicht als freier Mitarbeiter, sondern als Arbeitnehmer vollumfänglich sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen war. Diesem Antrag gab die Deutsche Rentenversicherung statt. Die Arbeitgeberin wurde daraufhin für die Zeit von Dezember 2004 bis März 2009 auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen.

BAG gab dem Rückforderungsanspruch statt

Daraufhin erhob die Arbeitnehmerin Klage gegen den ehemalig Beschäftigten und verlangte Rückzahlung von über 100.000 EUR mit der Begründung, dass dem Beklagten tatsächlich aufgrund seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer weniger Lohn zugestanden habe als vereinbart.

Nachdem die ersten beiden Instanzen die Klage ablehnten, urteilte das BAG zugunsten der Klägerin. In seiner Entscheidung führt das BAG aus, dass nur ausnahmsweise dann die für die freie Mitarbeit vereinbarte (in der Regel höhere) Vergütung auch für das Arbeitsverhältnis maßgeblich sei, wenn sich das Vertragsverhältnis der Parteien faktisch als solches darstellt oder aber von den Behörden oder Gerichten als solches qualifiziert wird.

Geringerer Schutz freier Mitarbeiter rechtfertigt höhere Vergütung

Zur Begründung führte das BAG aus, dass Arbeitnehmer im Ergebnis deutlich besser geschützt seien als freie Mitarbeiter. Demnach sei nach Ansicht des BAG grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten als Arbeitnehmer genauso vergüten wolle wie als freien Mitarbeiter. So trage der freie Mitarbeiter auch alle Risiken, die das Gesetz in einem Arbeitsverhältnis auf den Arbeitgeber verlagert, selbst. Dass der Beschäftigte als Arbeitnehmer eine geringere Vergütung zu erwarten habe, müsse diesem auch bewusst sein.

Zweifel am Status des Beschäftigten reicht für Kenntnis nicht aus

Auch die Frage, ob die Klägerin von der tatsächlich bestehenden Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten wusste, welches einen Rückzahlungsanspruch ausschließe, entschied das Gericht zugunsten der Klägerin. Für die Annahme einer Kenntnis reichten Zweifel am Status des Beschäftigten nicht aus, so das BAG. Der Arbeitgeber müsse positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung gehabt haben. Es genüge auch nicht, wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhe.

Der Rückforderungsanspruch belaufe sich auf die Differenz zwischen der tatsächlichen Vergütung und dem niedrigeren Lohn, der dem Beschäftigten als Arbeitnehmer zugestanden hat. Gibt es, wie im vorliegenden Fall, keine speziellen Vergütungsordnungen für freie Mitarbeiter und Arbeitnehmer, greife § 612 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift gilt für Fälle, in denen keine Vergütung vereinbart wurde, und ordnet an, dass „die übliche Vergütung“ als vereinbart anzusehen ist.

(BAG, Urteil v. 26.6.2019, 5 AZR 178/18)

Haufe Online Redaktion
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