Interview: "Eine Art Pokerspiel mit verkapptem Höchstpreisverfahren"
Die Baugenossenschaft dhu eG ist einer der Bauherren, die im Hamburger Stadtteil Barmbek ein neues gemischt genutztes Quartier errichten. Das Grundstück hat die Stadt der dhu nach der sogenannten Konzeptvergabe an die Hand gegeben. Im Interview mit dem dhu-Vorstand Frank Seeger geht es um Vorschläge, wie man das Konzeptverfahren verbessern könnte, um Bauherren mehr Planungssicherheit in der Konzepterarbeitung und der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu geben.
Herr Seeger, ist die Konzeptvergabe ein erfolgversprechender Weg für die Schaffung preiswerten Wohnraums?
Seeger: Kostengünstiges Bauen funktioniert meiner Ansicht nach mit der aktuellen Form der Konzeptvergabe nicht. Einerseits, weil wir den Preis, den die Stadt haben will, nicht kennen und auch nicht wissen, was die anderen Interessenten bieten. Deshalb müssen wir taktieren. Bieten wir zu wenig, bekommen wir zu wenig Punkte, die wir dann über den Konzeptentwurf aufholen müssten. Das ist aber ebenfalls eine Unbekannte. Gehen wir zu hoch ran, gefährden wir den wirtschaftlichen Erfolg des Projekts beziehungsweise bauen zu teuer. Letztlich läuft es dann doch auf eine Art Pokerspiel mit verkapptem Höchstpreisverfahren hinaus.
Kritiker bemängeln, dass es keine eindeutigen Kriterien für die inhaltliche Qualität gibt und das ganze Verfahren intransparent ist.
Das ist richtig. Wer bauen will, braucht die Karten auf dem Tisch. Bauen ist ohnehin unheimlich kompliziert geworden, die Verfahren langwierig. Dazu kommen Baupreissteigerungen, steigende Erschließungskosten, zahllose Auflagen für Brandschutz, Lärmschutz und die energetischen Vorgaben, die ja auch für das preiswerte Segment gelten.
Wie müsste das Verfahren denn ausgestattet sein, um zu funktionieren?
Wir haben der Hamburger Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Dr. Dorothee Stapelfeldt, vorgeschlagen, das Konzept nachzuarbeiten. Wenn man weiß, was das Grundstück kostet, kann man rechnen, ob man zu dem Preis einsteigen kann. Dann könnten Bauherren auch viel mehr Wert auf die Konzeptqualität legen, den Nutzen für die Bewohner und das Quartier. Denn dafür sind Genossenschaften ja prädestiniert. Preiswert baut man dann aber noch lange nicht.
Wie viel regiert die Stadt bei der Konzeptvergabe in die Planungen hinein?
Genau genommen will da jeder mitreden. Die Behörde will das Verfahren und nennt sofort eine Reihe von Vorgaben. Dann kommt der Bezirk und hat Wünsche, die zur Bezirkspolitik passen. Weitere Protagonisten haben gute Gründe, dies und das zu fordern, und wenn es die Außenwand mit vertikaler Begrünung ist. Dieses „Wünsch Dir was“, so legitim es sein mag, steht aber dem kostengünstigen Bauen entgegen. Gefühlt ist bei jeder Konzeptvergabe dann doch der Leuchtturm gewollt und nicht das preiswerte Modell.
Konzeptverfahren: Alternative zum Bieterverfahren
Die Realisierung von kostengünstigem Wohnraum stellt in vielen Kommunen eine der größten und schwierigsten Aufgaben dar. Dabei sind die explodierenden Baulandpreise eine der größten Hürden für den bezahlbaren Wohnungsneubau. Bei dem derzeitigen geringen Angebot an Bauflächen wird es immer schwieriger, durch Bieterverfahren einen Grundstückspreis zu erzielen, der preisgünstigen Wohnraum überhaupt zulässt.
Meistens können aufgrund des Überbietungswettbewerbs der Käufer von Grundstücken nur hochpreisige (Eigentums-)Wohnungen entstehen. Im Zuge des Drucks auf die Wohnungsmärkte haben sich bei der Vergabe kommunaler Grundstücke in den vergangenen Jahren Alternativen zum Bieterverfahren entwickelt. Dabei wird die Liegenschaft nicht nach dem Höchstpreis vergeben, sondern nach dem Konzept, das die nachhaltigsten Ansätze zur Weiterentwicklung des Quartiers anbietet.
Mit der Konzeptvergabe können unterschiedliche Ziele befördert werden. Zum einen kann mit der Vergabe der Grundstücke nach diesem Verfahren ein Bieterwettbewerb ausgeschlossen werden. Damit wird verhindert, dass die Interessenten sich in einem Preiskampf überbieten und somit den Grundstückspreis in die Höhe treiben. Zum anderen können die Zielsetzungen der Gemeinden insbesondere im Hinblick auf bezahlbar oder gefördertes Wohnen, aber auch auf andere Themen wie Nachhaltigkeit, Mobilität, soziale Mischung, Architektur und örtliche Belange langfristig gesichert werden. Mit der Konzeptausschreibung erhalten auch kleinere Akteure am Wohnungsmarkt eine Chance zur Baulandentwicklung, die sich den Gemeinwohlzielen der Kommunen verpflichtet fühlen und in einem Bieterverfahren keine Chance hätten.
Das Interview ist Bestandteil des Artikels "Konzeptvergabe: Ein Weg zum preiswerten Bauen?" im Magazin "DW Die Wohnungsgwirtschaft" (7/2019).
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