Digitale Barrierefreiheit: Pflichten der Wohnungswirtschaft

Am 28. Juni tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft – das gilt auch für Websites und andere digitale Services von Wohnungsunternehmen. Wer betroffen ist, worauf zu achten ist und welche Konsequenzen bei Nichteinhaltung drohen, erklärt GdW-Justiziar Carsten Herlitz.

Bis zum 28. Juni muss das BSFG umgesetzt werden. Herr Herlitz, sind die Regelungen für alle Wohnungsunternehmen bindend?

Carsten Herlitz: Alle Wohnungsunternehmen sollten sich mit der Frage beschäftigen, ob sie vom BSFG betroffen sind oder nicht. Das Gesetz gilt nicht für Dienstleistungen, die von Kleinstunternehmen angeboten werden. Kleinstunternehmen sind Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens zwei Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens zwei Millionen Euro beläuft.

Ausgenommen sind auch Unternehmen, die Dienstleistungen allein für andere Unternehmen anbieten und etwa nicht für Mieter als Verbraucher – oder in den Fällen, in denen die Umsetzung des Gesetzes eine unverhältnismäßige Belastung darstellen oder die Dienstleistung grundlegend verändern würde. Hier ist etwa ein Vergleich der Nettokosten, die mit Einhaltung des Gesetzes verbunden wären, und den Gesamtkosten der jeweiligen Dienstleistung vorzunehmen.

"Wichtig ist, das Gesetz nicht zu ignorieren"

Die Regelungen des Gesetzes sind anwendbar auf Dienstleistungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern im elektronischen Geschäftsverkehr, in unserem Fall also Mietern. Was umfassen diese Dienstleistungen genau – nur die Website oder auch Vermietungsinserate und Mietverträge?

Das Gesetz definiert Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr als Dienstleistungen der Telemedien, die über Websites und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden. Klassischerweise ist damit der Online-Kauf gemeint.

Durch den weiten Wortlaut ist die Abgrenzung schwierig, und offizielle Leitlinien sind hier nicht immer eine Hilfe. Jede geschäftliche Website mit digitalen Kommunikationstools wie einem Antragsformular könnte die Kriterien erfüllen, sofern man das als elektronisch erbracht ansieht. Ein bloßes Inserat reicht daher nicht aus, anders aber, wenn man über ein elektronisches Kontaktformular Interesse an einer Wohnung äußern kann.

Mietverträge sind nur dann vom Anwendungsbereich erfasst, wenn sie allein elektronisch abgeschlossen werden. Das dürfte aber kaum der Fall sein. Ich würde hiervon schon aus Gründen der späteren Beweisfunktion auch abraten.

Müssen Wohnungsunternehmen mit einem Bußgeld rechnen, wenn die Website nicht barrierefrei ist?

Grundsätzlich wäre das der Fall. Allerdings hoffe ich, dass die Behörden anhand des auch für Juristen schwer einschätzbaren Anwendungsbereichs Milde walten lassen. Wichtig ist aber, das Gesetz nicht zu ignorieren und entsprechende Schritte zu dokumentieren. Auch dann, wenn man eine Anwendung des Gesetzes für sein Unternehmen für nicht gegeben hält. Auch in diesem Fall sollten die Gründe dafür klar dokumentiert werden.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BSFG)

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) tritt am 28.6.2025 in Kraft und setzt die Vorgaben des European Accessibility Act (EAA) auf nationaler Ebene um. Ziel des Gesetzes ist unter anderem eine diskriminierungsfreie Teilhabe von Menschen mit Handicap, Einschränkungen und älteren Menschen an Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr.

Für Wohnungsunternehmen ist § 1 Abs. 3 Nr. 5 BFSG maßgeblich: Das Gesetz ist anwendbar auf Dienstleistungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Mietern) im elektronischen Geschäftsverkehr, also etwa auf Mieterportalen, Websites oder Apps. In § 2 Nr. 26 BFSG ist die Begriffsbestimmung für Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr geregelt.

Das BFSG ist für die Wohnungswirtschaft anwendbar bei:

  • B2C-Onlineshops
  • vorgelagerten Dienstleistungen, die online gebucht werden können (zum Beispiel Hausmeisterdienste oder Seminare für Verbraucher / Mieter)
  • Apps oder Portalen, wo über Kontaktbuttons ein direkter Kontakt zum Wohnungsunternehmen ermöglicht wird und so eine Geldeinzahlung beantragt werden kann
  • Kontaktformularen, die zum Download bereitstehen und nur ausgefüllt an die E-Mail-Adresse geschickt werden müssen

Bei einem Verstoß gegen die Pflichten drohen Bußgelder von bis zu 100.000 Euro.

Ausführliche Informationen: Ergebnisse aus einem GdW-Webinar (Download)

Das Interview mit GdW-Justiziar Carsten Herlitz ist eine Vorabveröffentlichung aus der Ausgabe 07/2025 der "DW Die Wohnungswirtschaft". Sichern Sie sich den vollen Zugang über den Shop.