Hybridhochhaus Skaio erhält Nachhaltigkeitspreis Architektur

Das recyclebare Hybridhochhaus "Skaio" in Heilbronn wurde mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Architektur 2020 ausgezeichnet. Die Jury lobte das Wohnhaus als Modellprojekt für den urbanen Holzbau. Circular Economy wird zunehmend zum großen Thema in der Immobilienbranche.

"Das Skaio ist ein architektonischer Pionier und Wegbereiter für den Holzbau in Deutschland", lobte Amandus Samsøe Sattler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), den Gewinner des Deutschen Nachhaltigkeitspreises Architektur 2020. Der Preis wurde gemeinsam von DGNB und Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis verliehen.

Bei der Preisverleihung am 4. Dezember im Rahmen des Deutschen Nachhaltigkeitstages in Düsseldorf setzte sich das "Skaio" der Stadtsiedlung Heilbronn gegen die Mitfinalisten "Walden 48", einen Wohnungsbau in Holzbauweise in Berlin, sowie das umgenutzte Baudenkmalareal "Unique³" in Saarbrücken durch. Das "Skaio" habe die Dimensionen des Machbaren neu ausgelotet, sodass andere Projekte heute unmittelbar davon profitierten, erklärte Samsøe Sattler. Für seine Nachhaltigkeit sowie die herausragende baukulturelle und gestalterische Qualität erhielt das Heilbronner Vorzeigeprojekt zudem ein DGNB-Zertifikat in Gold und wurde mit "DGNB Diamant" ausgezeichnet.

Um auch in Zukunft bauen zu können, wird die Immobilienbranche alle Prozesse – von der Planung über die Erstellung und den Betrieb bis zum Rückbau – auf eine zirkuläre Wertschöpfung ausrichten müssen, sonst dürften Klimaschutz, Kostenverträglichkeit und Rohstoffproduktivität kaum zu vereinen sein. Unsere Autorin erklärt die Idee der Circular Economy, das "Cradle-to-Cradle-Prinzip" und stellt die Besonderheiten des "Skaio" vor.

Deutscher Nachhaltigkeitspreis Architektur_Gewinner 2020_Skaio

Circular Economy: Rohstoffe nachhaltig nutzen

Wegweisend für neue Ansätze ist die Idee der Circular Economy, die bis in die 1990er Jahre zurückreicht und darauf beruht, Rohstoffe so lange wie möglich zu nutzen, statt sie, wie in der linearen Wirtschaft üblich, einmal zu verwenden und danach zu entsorgen. Mit dem im Jahr 1996 eingeführten Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) erhielten die Schonung natürlicher Ressourcen, der Schutz von Mensch und Umwelt bei der Abfallbewirtschaftung sowie das Recycling in Deutschland oberste Priorität.

Ob ein Bauprodukt wiederverwendbar ist oder sich umweltverträglich beseitigen lässt, hängt maßgeblich von seiner Gestaltung ab. Dass diese möglichst innovativ ausfällt, dazu sollen die seit 2013 geltende Bauprodukte-Verordnung und die in der Novellierung befindliche Ökodesign-Richtlinie beitragen.

"Cradle to Cradle": konsequente Kreislaufwirtschaft

Auf eine konsequente Kreislaufwirtschaft ist das Prinzip "Cradle to Cradle" (C2C) ausgerichtet, entworfen vor rund 30 Jahren vom deutschen Chemiker Michael Braungart und dem amerikanischen Architekten William McDonough. Die Querdenker nahmen sich die Natur zum Vorbild, um Produkte zu entwickeln, die vollständig biologisch abgebaut oder (nahezu) endlos recycelt werden können. Das Konzept kennt nur Nährstoffe, keine Abfälle. Elementar ist, dass nur einstoffliche Materialien genutzt werden und grundsätzlich auf Verbundmaterialien verzichtet wird.

"Wir müssen nicht weniger, sondern verschwenderisch und in biologisch-technischen Kreisläufen produzieren." Chemiker Michael Braungart, einer der Schöpfer von "Cradle to Cradle"

Diese Maxime steht dem Effizienz-Postulat heutiger Bauweise konträr gegenüber. Doch es hat ein Umdenken begonnen. Welches Potenzial C2C für den Wohnungsbau hat, zeigt die Stadtsiedlung Heilbronn mit dem jetzt ausgezeichneten "Skaio".

Skaio Blick von der Dachterrasse auf Heilbronn

Wissensvorspung: Das "Skaio" in Heilbronn

Das vom Architekturbüro Kaden + Lager entworfene und im März 2019 fertiggestellte Wohngebäude "Skaio" in Heilbronn ist 34 Meter hoch und hat zehn Stockwerke. Die Konstruktion besteht überwiegend aus Brettschicht-, Brettsperr- und FSC-zertifiziertem Fichtenholz. Der Erschließungskern in der Gebäudemitte musste in Stahlbeton errichtet werden – aus Brandschutzgründen.

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Für Wolf-Dieter Sprenger, Prokurist des städtischen Wohnungsunternehmens, hielt das Projekt zwei wichtige Erfahrungen bereit: "Erstens haben wir gesehen, dass uns der Holzbau die Möglichkeit gibt, zügig neue Wohnungen zu schaffen. Zweitens haben wir Know-how über C2C-basiertes Bauen erlangt, falls die CO2-Bilanz von Gebäuden künftig vom Bau über den Betrieb bis zum Abriss, also über den gesamten Lebenszyklus, nachgewiesen werden muss."

Dies sei ein Wissensvorsprung, der sich auszahlen werde, selbst wenn die graue Energie von Baustoffen zunächst nicht im Gebäudeenergiegesetz berücksichtigt wird. Denn an der Ressourcenwende führe kein Weg vorbei, ist Sprenger überzeugt.

Zirkuläre Wertschöpfung: 100 Prozent recyclingfähig

Innovativ ist das "Skaio" auch wegen der C2C-inspirierten Materiallösungen, wodurch das Gebäude zu 100 Prozent recyclingfähig ist. Besonders deutlich macht das der Trockenbau: So wurde für die Deckenkonstruktion, anstatt mit herkömmlichen Holz-Beton-Verbunddecken zu arbeiten, bei denen der Ortbeton nass aufgebracht und fest mit dem Holz verklebt wird, eine betonähnliche Masse sowie Wabenstrukturen und Kiesschüttungen verwendet. Im Fall eines Umbaus lassen sich die Elemente sortenrein voneinander trennen und an gewünschter Stelle wieder zusammensetzen.

Wird die Immobilie komplett zurückgebaut, kann sie in Einzelteile zerlegt und so oder ähnlich erneut aufgebaut werden. Oder die Materialien dienen einem gänzlich anderen Zweck. Diese Optionen sehen konventionelle Bauweisen und Produkte nicht vor. "Wie auch, wenn zirkuläre Wertschöpfung nicht in Gestaltung und Planung mit bedacht wird", gibt Architekt Markus Lager zu bedenken. Dies sei aber zwingend notwendig, um den Ansprüchen an Klima- und Ressourcenschutz gerecht zu werden.

Skaio Apartment

Vom Pilotprojekt zum Geschäftsmodell: Mammutaufgabe für die Immobilienwirtschaft

Rund 15 Millionen Euro hat das "Skaio" gekostet. Entstanden sind 60 Wohnungen auf 3.300 Quadratmetern in bester Lage auf dem Gelände der Bundesgartenschau 2019. Die Mietpreise der frei finanzierten 21 Ein-Zimmer- und 32 Zwei-Zimmer-Wohnungen variieren von elf bis zwölf Euro pro Quadratmeter, die der 25 geförderten liegen zwischen sieben und acht Euro. Damit bewegen sich die Mieten für Heilbronn zwar auf relativ hohem Niveau, an Nachfrage mangelt es dennoch nicht. Fast alle Wohnungen sind vermietet.

Die Immobilienwirtschaft hat nun die Aufgabe, zirkuläre Wertschöpfungsketten zu etablieren, die neue Geschäftsmodelle ermöglichen, damit neben den ökologischen Vorteilen auch der ökonomische Mehrwert von Bauten wie Skaio zum Tragen kommt. Denn was nützen Recycling-Immobilien, für deren Materialien und Wiederverwendung es keinen Markt gibt?

Zudem müssen Bewertungs- und Bilanzierungsverfahren hinterfragt werden, die weder Rohstoffproduktivität noch Klimaverträglichkeit berücksichtigen. Wenn sie sich am Gebäudelebenszyklus orientiert, kann die Circular Economy ein echter Innovationstreiber für die Immobilienbranche sein.

Der vollständige Artikel erschien im Magazin "DW Die Wohnungswirtschaft", Ausgabe 10/2019.


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Schlagworte zum Thema:  Wohnungsbau, Wohnimmobilien