Barrierefreie Websites: Darauf kommt es an
Im Jahr 2018 startete die GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München mbH (heute Münchner Wohnen GmbH) ein besonderes Projekt: Sie begann damit, ihre Website und in weiteren Schritten auch die Mieterapp und die Social-Media-Kanäle barrierefrei zu machen. Das tat sie aus Überzeugung, wie Alessia Isabel Pareschi von der Abteilung Unternehmenskommunikation sagt: "Wir sind ein sozial orientiertes Unternehmen, für das Inklusion und Vielfalt zur DNA gehören."
Hinzu kam ein äußerer Anstoß in Form von Vorgaben, die für öffentliche Stellen und damit auch für kommunale Unternehmen schon damals galten. Festgelegt sind diese im Behindertengleichstellungsgesetz, in der Barrierefreie- Informationstechnik-Verordnung 2.0 (BITV 2.0) und in den jeweiligen Vorgaben auf Länderebene.
Am 28. Juni dieses Jahres tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BSFG) in Kraft, das zwar in erster Linie auf den Online-Handel zielt, aber neben anderen Unternehmen auch die meisten Wohnungsunternehmen dazu verpflichtet, ihre Website barrierefrei zu gestalten – das Thema der digitalen Barrierefreiheit steht damit endgültig auf der Agenda der Wohnungswirtschaft.
Digitale Barrierefreiheit: Worauf zu achten ist
Was aber bedeutet digitale Barrierefreiheit? "Eine Website ist barrierefrei, wenn sich Einschränkungen beim Sehen, Hören, Bewegen oder beim Verarbeiten von Informationen nicht negativ darauf auswirken, wie wir das Web nutzen“, erklärt der Verein Aktion Mensch.
Kriterien dafür sind unter anderem:
- Zwischen Vorder- und Hintergrundfarbe muss ein ausreichender Kontrast vorhanden sein.
- Links müssen über die Tastatur bedienbar sein.
- Die Sprache muss verständlich sein.
- Formulare müssen barrierefrei bedienbar sein.
Die Münchner Wohnen setzte diese Vorgaben um, als sie ohnehin einen Relaunch der Website plante. Um zu überprüfen, ob der Designentwurf den Kriterien der Barrierefreiheit entsprach, unterzog sie ihn einem sogenannten Accessibility Design Audit.
"Bei einem solchen Audit prüfen wir, ob die Vorgaben für Barrierefreiheit eingehalten werden", erläutert Annett Farnetani, Geschäftsführerin des auf Barrierefreiheit spezialisierten Beratungsunternehmens Mindscreen GmbH, die das Projekt begleitet hat. Konkret untersuchen die Experten beispielsweise, ob die Farbkontraste ausreichen, ob Links sichtbar sind, ob an die mobile Darstellung gedacht wurde und ob eine Rückmeldung erfolgt, wenn der Nutzer mit einem Button interagiert.
Im Fall der Münchner Wohnen mussten aufgrund des Audits nur Kleinigkeiten überarbeitet werden. Das ist aber nicht immer der Fall, wie Farnetani berichtet. "Oft wenden sich Unternehmen erst dann an uns, wenn die Website schon online ist", sagt sie. Viel sinnvoller sei es, die Prüfung am Anfang des Designprozesses vorzunehmen. "Dann", so Farnetani, "ist es auch weniger teuer, als wenn man nachträglich merkt, dass die Farbkontraste nicht ausreichen."
Im nächsten Schritt ging die Münchner Wohnen an die Ausschreibung der technischen Umsetzung der Website. Darin legte sie fest, dass die finale Abnahme an das Bestehen des BIK BITV-Tests gekoppelt war – eines Verfahrens zur umfassenden Prüfung der Barrierefreiheit von Websites, Webanwendungen und Apps.
Digitale Barrierefreiheit: Kriterien im Überblick
Außerdem wichtig:
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Erfolgreiche Umsetzung der Barrierefreiheit: Kriterien
Wie Pareschi berichtet, gab es im Fall des Münchner Wohnungsunternehmens keine erheblichen Widerstände bei der Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit. Entscheidend für den Erfolg war laut Pareschi die Unterstützung durch die Geschäftsführung. Die Leitung des Vorhabens lag bei der Unternehmenskommunikation.
Eine solche klare Zuweisung der Verantwortlichkeit ist nach den Erfahrungen von Mindscreen-Geschäftsführerin Farnetani ebenfalls ein Erfolgsfaktor. Sie begegnet nämlich nicht selten einem „Hin- und Herschieben der Verantwortlichkeiten“, wie sie sagt. "Sehr gut ist es deshalb, wenn es – wie das bei der Münchner Wohnen der Fall ist – von Anfang an ein zuständiges Team gibt sowie eine Person, die dieses Thema immer wieder hartnäckig in den Vordergrund rückt."
Wichtig ist das nicht zuletzt deshalb, weil die Arbeit mit dem Launch der Website nicht erledigt ist. "Es ist wichtig, alle am Projekt beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schulen", betont Pareschi. Zwar sei das Content-Management-System so programmiert, dass man nichts komplett falsch machen könne. "Aber jedes PDF, das ich hochlade, muss barrierefrei sein, und für jedes Bild muss ich einen Alternativtext schreiben", erklärt sie und räumt ein, dass das in der redaktionellen Pflege anfangs schon eine Umstellung war. "Da fast alle Abteilungen Inhalte für die Website liefern, müssen auch die Kolleginnen und Kollegen aus den Abteilungen Barrierefreiheit kennen und mitdenken lernen."
Mit oder ohne externe Unterstützung?
Für die Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit ist es aus Sicht von Pareschi sinnvoll, sich zuverlässige externe Unterstützung zu suchen. "Es ist nicht zwingend nötig, bei der Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit einen externen Dienstleister einzubeziehen", sagt hingegen Farnetani. "Wenn dafür kein Geld vorhanden ist, muss man es intern machen. Dann muss man aber viel mehr Zeit einplanen und fehlertolerant sein." Wenn sich ein Unternehmen doch für einen Dienstleister entscheidet, so lassen sich die Kosten dafür laut Farnetani nicht pauschal beziffern.
Bei alledem gilt, dass eine barrierefreie Gestaltung von Websites und anderen Kommunikationsmitteln nicht nur der Gesetzeslage entspricht, sondern für Wohnungsunternehmen auch praktische Vorteile hat. "Digitale Barrierefreiheit ist für alle Menschen ein Gewinn, denn von leicht verständlichen und bedienbaren digitalen Anwendungen profitieren alle", betont Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bunderegierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen.
Und auch Pareschi ist überzeugt: "Eine benutzerfreundliche Website ist mit eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg eines Internetauftritts, da sie Nutzerinnen und Nutzer des Online-Angebots schneller und effizienter zum Ziel führt" – und zwar Menschen sowohl mit als auch ohne Einschränkungen.
Der Beitrag ist eine Vorabveröffentlichung aus der Ausgabe 07/2025 der "DW Die Wohnungswirtschaft". Sichern Sie sich den vollen Zugang über den Shop.
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