100 Jahre rosa Kosmos?
Herr Gedaschko, Frau Esser, Herr Lieberknecht, warum gelingt es Ihnen so gut, auch die neue Generation mitzunehmen, dem GdW ein junges Image zu verpassen und wird Ihr Lobbyismus von den Mitgliedsunternehmen gesehen?
Ingeborg Esser (GdW-Hauptgeschäftsführerin): Obwohl wir dieses Jahr 100 Jahre alt werden, haben wir uns immer verstanden und verstehen uns weiter als Themensetzer. Wir versuchen, wichtige Themen der Branche rechtzeitig zu scouten und dann aber auch so runterzubrechen, dass sie für unsere Mitgliedsunternehmen umsetzbar werden. (…) Das ist einmal das Thema Nachhaltigkeit, wo wir, glaube ich, immer am Nabel der Zeit sind. Das sind die Themen Digitalisierung sowie Klimastrategie und Transformationspfade. Und weil alle diese Themen stark in die Zukunft gerichtet sind (…), könnte ich mir vorstellen, dass wir da gerade auch die jüngeren Menschen ganz gut ansprechen können.
Dr. Christian Lieberknecht (Geschäftsführer beim GdW): Wir müssen uns natürlich auch öffnen und sehen bei den Themen, die wir setzen, (…), dass wir Vorreiter sein müssen, also auch Entwicklungen frühzeitig erkennen, aber trotzdem noch mal gucken, weil wir 3.000 Unternehmen haben, dass wir alle mitnehmen und auch alle ansprechen.
Die jungen Leute sitzen nicht nur in den großen Unternehmen, die die Kapazität haben, selbst Dinge weiterzuentwickeln und weiterzudenken, innovativ zu denken, sondern eben auch in kleineren Unternehmen, wo das schwieriger ist. Und die muss man alle im Blick haben. Das gelingt uns ganz gut.
"Klarheit ist das A und O"
Axel Gedaschko (GdW-Präsident): Man sagt uns nach, dem GdW allgemein, dass wir Klarsprech machen und nicht verdruckst hintenrum nur unsere Meinung darstellen. Ich glaube, dieses deutliche Ansprechen auch von Dollpunkten, (…), dieses klar sprechen ist wichtig, damit überhaupt – nicht nur in der Politik, sondern auch in der Branche – gehört wird, was wir zu den jeweiligen Positionen meinen.
Ich komme aus der Politik, da pflegt man bisweilen eine sehr diplomatische Sprache. Ich habe aber gelernt: Erstens, wenn du als Verband tätig bist, ist diese diplomatische Sprache häufig nicht angebracht, gerade dann, wenn es eben kritisch wird, und zweitens wird diplomatische Sprache nicht von jedem verstanden. Insofern glaube ich, diese Klarheit ist das A und O.
Wenn wir in die Zukunft des GdW blicken: Wo sehen Sie den GdW vielleicht nicht den nächsten 100 Jahren, aber in der näheren Zukunft – macht die Arbeit in zehn, 15 Jahren noch Spaß?
Lieberknecht: Der GdW wird dann seine Stellung ausgebaut haben, bin ich fest von überzeugt. Wir haben nicht nur in Berlin eine starke Position in Politik und mit anderen Verbänden zusammen. Ich merke das bei den Treffen, die wir so haben, dass man auch immer ein bisschen guckt: Was hat der GdW für eine Meinung? (…) Man guckt (...) und orientiert sich.
Das ist in Brüssel auch so. Wir sind in Brüssel organisiert bei Housing Europe (…), ich selbst bin da schon viele Jahre im Vorstand. Da merkt man auch, dass Deutschland als Nation und wir als GdW, als deutscher Verband, da eine große Rolle spielen und bei vielen inhaltlichen Fragen der vergangenen Jahre unsere Position mehr oder weniger auch eins zu eins durchsetzen konnten. Und das wird in der Zukunft? Wir kriegen jetzt einen neuen Kommissar für Energie und Wohnen, (…). Da sind wir sehr gespannt, wie sich das entwickelt. Es gibt vielfältige Facetten der Entwicklung, die wir noch machen können.
Ein Thema haben wir noch nicht genannt, das will ich noch mal setzen. Es ist das Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt – was in unseren Quartieren passiert, ist im Moment neben Klimawandel, Transformation der Gebäude ein Thema, das gerade junge Leute auch interessiert: Wie geht es weiter, wie werde ich in zehn Jahren oder in 20 Jahren wohnen? Was passiert mit meinem Quartier? Und auch die alten Leute, die dort wohnen? Wir haben mit den Wohntrends 2040, die wir vor rund einem Jahr vorgelegt haben, gezeigt, dass es da ein Thema gibt: das Thema Einsamkeit. Diese ganzen Dinge zusammenzuführen und unsere Unternehmen zu begleiten, das ist für die Zukunft genauso wichtig wie das Thema Transformation.
"Der GdW ist ein Verband der Verbände"
Gedaschko: Ein Blick zurück: Als ich anfing, war der große Aufreger die Streichung von 50 Millionen im Bereich Soziale Stadt – über die Streichung von 50 Millionen in einem Etatposten des Bundes würde man heute müde lächeln. Es sind so gewaltige Aufgaben hinzugekommen. (…)
Die Spannbreite dessen, wo man arbeiten kann, wo man denken kann, ist so, dass man eher versuchen muss, sich in diesem unendlichen Kosmos noch auf etwas zu konzentrieren. Wer da nicht ein Thema findet, das wirklich Freude bereitet? (…) Der ist für die Arbeit nicht geschaffen. Es ist unendlich viel zu tun, wenn wir nach vorne schauen. Die Transformation wird weitergehen. Wir werden uns wahrscheinlich noch viel intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen müssen.
Manche unsere Unternehmen tun es, viele sind noch dabei zu überlegen, andere stehen noch und gucken zu. Und diesen Prozess zu unterstützen und zu stärken und vielleicht weitere Möglichkeiten zu heben – das ist eine Riesenchance für einen Verband, (...), zu begleiten. Das ist stark, das schafft man nicht immer in jedem Bereich des Lebens.
Esser: Der GdW ist ein Verband der Verbände, und das macht uns auch noch mal stark. Dieses Zusammenspiel mit unseren Regionalverbänden und dieses wahnsinnige Know-how, das wir dort aus dem Beratungsbereich, aus dem Prüfungsbereich schöpfen und das wir dann intelligent zusammenfügen können. Das ist unser Alleinstellung gegenüber vielen anderen Organisationen und das macht Spaß. Es freut mich, das in die Zukunft transportieren und transferieren zu können.
"Zeit, etwas gegen das Kürzel GdW zu unternehmen"
Herr Fabricius, Sie haben eine lange Geschichte mit dem GdW. Wie ist denn die Zusammenarbeit und gibt es auch Kritik?
Michael Fabricius (leitender Redakteur Immobilien bei "Welt", "Welt am Sonntag" und "Welt TV"): Wenn ich an den GdW denke, dann denke ich als Journalist zuerst ans Presseteam. Die Verbandspolitik selbst vermag ich inhaltlich nur zum Teil zu bewerten. Ich bin Informationsempfänger und aus dieser Perspektive heraus, muss ich sagen: Die Zusammenarbeit mit dem Presseteam des GdW ist die ganzen Jahre hindurch richtig gut gewesen.
Sehr vertraulich, teilweise sehr unprätentiös, schnell, unkompliziert. Das hat aus Sicht des Journalisten einen hohen Wert und steht aber auch für diesen Verband und die Professionalität. Und mir gefällt die Zusammenarbeit mit dem inzwischen langjährigen Chef Axel Gedaschko. Da haben wir teilweise kurze, schnelle Wege, die auch mal per SMS beschritten werden.
Das ist echt eine vertrauliche Zusammenarbeit. Und trotzdem ist klar, dass ich auch kritische Kommentare schreibe und die werden dann auch akzeptiert. Und ja, es ist ein gutes Level, auf dem wir hier in Berlin zusammenarbeiten. (...) Der Verband macht das, was ein Lobbyverband machen muss. Er vertritt die Position der Mitgliedsunternehmen gegenüber der Politik. Auffallend ist zum Beispiel seit eineinhalb Jahren, dass man regelmäßig Subventionen in Form von Niedrigzinsen fordert. Das kritisiere ich inhaltlich. Der Verband muss das aber machen, was soll er sonst tun?
Deswegen finde ich das alles sinnvoll vorgetragen. Was mir vor allem an den Jahrespressekonferenzen sehr gut gefällt: Da sind wirklich oft gute Statistiken, sehr fundiert, alles sehr transparent, auch dargestellt, woher die Daten kommen. Wenn man dem GdW bei der Pressekonferenz zuhört, bekommt man ein gutes Bild vom Zustand der Wohnungswirtschaft. Und darauf kommt es ja an – das ist das, was der Verband macht, das ist das, was bei den Journalisten ankommt.
(...) Einen kleinen Punkt würde ich gerne noch ergänzen: 100 Jahre wären ein guter Anlass, einmal kurz darüber nachzudenken, etwas mit dem Kürzel GdW zu unternehmen – ich muss immer meinen Kollegen erklären, was hat denn jetzt GdW zu tun mit Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen? Ich wünsche für die nächsten 100 Jahre eine tolle Idee für eine neue Verbandsnamensabkürzung.
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