BIM, KI, 3D & Co.: Die Trends beim Bauen

BIM ist in aller Munde – die Planungsmethode ist der Top-Trend beim Bauen. Digitalisierung ist aber weit mehr als das. Etwa Künstliche Intelligenz (KI) oder sogar Beton aus dem 3D-Drucker haben mit Science-Fiction nur noch wenig zu tun. Wie sieht die Zukunft der Baubranche aus?

Eine ganze Reihe digitaler Trends werden in den kommenden zehn Jahren auf die Baubranche in ganz Europa zukommen. Erst jüngst hat sich in Österreich die Concrete 3D GmbH gegründet, die als eines der ersten Unternehmen weltweit Betonteile aus dem 3D-Drucker in der Praxis einsetzt. Gedruckt wird, was als CAD-Plan eingespielt wird. Im März folgt der Markteintritt im gesamten deutschsprachigen Raum – zunächst mit Halbfertigteilen, Fassadenelementen und Aussparungen. "Weniger Aufwand, weniger Material, weniger Abfall: 3D-Betondruck ermöglicht mehr Nachhaltigkeit im Baugewerbe", ist Geschäftsführer Philipp Tomaselli überzeugt.

Welche anderen neuen Technologien, Denkmuster und Werte werden sich entwickeln, mit welchen Möglichkeiten für die Zukunft? Wird jemals wieder so gebaut werden wie heute? Eine Expertenumfrage des Berliner Startups Tenera zeigt, wo es lang gehen könnte – und wie.

BIM: Die Zukunft der Baubranche?

Der Einsatz von BIM (Building Information Modeling) beim Bauen soll die Planungssicherheit erhöhen, ebenso die Transparenz. BIM ist kooperativ. Ziel des Einsatzes der Methode ist es, die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichsten Akteuren am Bauprojekt zu digitalisieren. Verwendet die Bauplanung BIM, ohne dass das Modell auf der Baustelle genutzt wird, gibt es keinen Mehrwert, heißt es in dem 66-seitigen E-Book "Digitaliserung der Bauindustrie – Ausblick 2030", in dem die Erkenntnisse aus der Tenera-Umfrage zusammengefasst sind.

Computer Aided Design (CAD) ist der erste Schritt zum BIM-Modell und wird von Achitekten und Ingenieuren schon seit Jahren eingesetzt. Ein Problem: Auf dem Markt gibt es ein Überangebot an Softwarelösungen, sodass unterschiedliche Modelle für die Arbeit am Bau genutzt werden. Eine Lösung ist den Experten zufolge ein Ansatz zur Softwarekompatibilität.

Die visuelle Aufbereitung der Daten mit BIM eignet sich zur Planung, Ausführung und Darstellung von Bauvorhaben. Die BIM-Methodik arbeitet zunächst mit 3D-Modellen, im Idealfall sieht der Planer im Vorfeld was funktionieren wird und was nicht, kann aber um eine vierte und fünfte Dimension erweitert werden: Die Projekte können etwa für weniger Kollisionen zeitlich aufeinander abgestimmt und um Projekt- und bauteilspezifische Informationen ergänzt werden.

Digital Twin: Virtuelle Realität holt alle Baubeteiligten ins Boot

Wer sich mit digitalen Trends beschäftigt, kommt an "Virtual Reality" (VR), "Augmented Reality" (AR) und dem "Digital Twin" nicht vorbei. Der digitale Zwilling repräsentiert ein am Computer entworfenes, "lebendes" 3D-Modell und bringt einen Mehrwert für Planer, Bauarbeiter und Endnutzer durch die reine Visualisierung oder Verknüpfung mit Technik der virtuellen Realität.

Mit der virtuellen Realität können etwa die Arbeitsschritte für den Profi auf der Baustelle präsentiert werden. Buildots, ein Startup aus Israel zum Beispiel, setzt bereits modernste 360-Grad-Kameras ein, um den täglichen Ist-Zustand der Baustelle aufzunehmen und einen Abgleich mit dem Soll-Zustand zu ermöglichen, heißt es im E-Book.

Übernehmen Bauherren eine fertiggestellte Immobilie, muss der Bau nicht mehr zwingend abgeglichen werden, wenn das sogenannte "As-Built-Konzept" zum Einsatz kommt. As-Built ist der erste Schritt zum digitalen Zwilling und steht vor allem für eins: Realitätsnähe. Wird im Bauprozess eine Wand abweichend von den Plänen gesetzt, so wird die Änderung in das As-Built-Modell übertragen. Die Software ist bereits vorhanden. Doch auch hier liegt das Problem darin, dass noch Standards oder Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Softwarelösungen fehlen.

Modulares Bauen: Erst ab dem Geschosswohnungsbau lohnend?

Das modulare Bauen und die Vorfertigung sind häufig diskutierte Themen in der Bau- und Immobilienbranche. So ganz neu ist das Thema also nicht, aber es bleibt einer der wichtigsten Trends der Zukunft für die Baubranche. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Bau geht schneller, Kosten und (Personal-)Ressourcen werden eingespart. Auch Baumaschinen wie Betonmischer oder Drucklufthämmer sind nicht unbedingt erforderlich, da die Teile industriell unter Einsatz von CNC-Fräsen, 3D-Druck oder ähnlichen Methoden vorgefertigt werden. Die Qualität leidet darunter nicht – oft werden nachhaltige Rohstoffe wie Holz eingesetzt.

Die befragten Experten finden jedoch, dass sich die Vorfertigung erst für große Bauten, etwa den mehrstöckigen Wohnungsbau lohnt. Die Sinnhaftigkeit für kleinere Bauten stellen sie in Frage. Manche wiederum sehen gerade die Massenabfertigung kleinerer Wohnhäuser als Chance der Vorfertigung. Peter Löffler, verantwortlich für Digital Construction Programs bei Siemens, hält auch eine Zweckänderung von Gebäuden für zukünftig möglich: "Man errichtet einen Betonkern mit allen notwendigen Anschlüssen, bei dem man verschiedene Module austauschen und einsetzen kann."

Datenintegration, einheitliche BIM-Modelle oder Smart Building verlangen jedoch nach kooperativer Zusammenarbeit. Bisherige Vertragsmodelle belohnen Unternehmen in Form von Nachträgen für die Fehler anderer. Das habe die Baubranche zu einer kompetitiven Kultur geführt, heißt es im Tenera-Papier. Dazu komme der fehlende Austausch, der auf eine veraltete sequenzielle Bauweise zurückzuführen sei.

Künstliche Intelligenz und Automatisierung

Repetitive und eintönige Prozesse beim Bauen können zu Fehlern und einer demotivierten Belegschaft führen. Eine Automatisierung hat nicht nur Effizienz zur Folge, sondern bietet auch neue Möglichkeiten zu Arbeiten.

Künstliche Intelligenz ist mittlerweile in viele Baustellenabläufe integriert. Maschinen sind so programmiert, dass sie menschliche kognitive Funktionen nachahmen, aus Erfahrungen lernen oder Gefahrenquellen anhand von Bildmaterial erkennen. Roboter können unsichere Stellen auf Mängel überprüfen oder Maschinen mit Verletzungsrisiko bedienen und sorgen so für mehr Sicherheit. Drohnen können Luftaufnahmen von Großbaustellen mit passender Software auswerten oder Schäden nach Unwettern erkennen.

Dass KI von vielen noch als Buzzword gesehen wird, ist den Experten zufolge eher eine Sache von zu hohen Erwartungen, als von ungenügenden Anwendungen. "Intelligenz ist ein Spektrum, dessen Ende wir noch nicht erreicht haben", schreiben die Autoren. Viele Experten sind der Meinung, dass die aktuelle Datenmenge das menschliche Gehirn bereits überfordert, andere beklagen zu wenige Daten, um eine KI trainieren zu können. Wie passt das zusammen? "Wir hatten keine Daten in der Form, dass wir sie verwenden können, dies mussten wir schnellst-möglich ändern", erklärt Baris Kilic, Head Lean Construction bei Implenia. Zum Trainieren einer KI bedürfe es einer strukturierten Datensammlung, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.

Nachhaltigkeit: Beim Wohnungsbau Ressourcen schonen

Die Digitalisierung kann auch das nachhaltige Bauen fördern. Nachhaltigkeit ist in jeder Hinsicht ein Trend der Zukunft: Im Hinblick auf das sparsame Verwenden von Materialien und den Einsatz ressourcenschonender Baustoffe. Die Herstellung nachhaltiger Roh- und Baustoffe, zu denen etwa Fertigteile aus Holz oder recycelte Kunststoffe gehören, die beim Wohnungsbau eingesetzt werden, wird mit den Anforderungen an den Klimaschutz immer mehr an Wichtigkeit gewinnen.

"Wenn es der Bau nicht schafft – und da reden wir vom Bestand, weniger vom Neubau – hier wirklich nachhaltig etwas zu verändern, werden wir die Klimaziele nicht erreichen", beschreibt Thomas Kirmayr, Geschäftsführer der Fraunhofer-Allianz Bau und Leiter des Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrums Planen und Bauen, die Situation.

Das Zurückführen von Ressourcen in den Rohstoffzyklus beschreibt das sogenannte "Cradle to Cradle"-Prinzip. Verplanen Bauunternehmen die Ressourcen nach ihrem Lebenszyklus, werden sie effektiver und am Ende gewinnbringender eingesetzt. Der Mega-Trend Nachhaltigkeit kann auch finanzielle Vorteile bringen: Experte Kirmayr spricht hier beispielsweise von zukünftigen Nutzungsformen von Gebäuden "als Energiespeicher, zur Luftreinigung und sogar zur Nahrungsmittelproduktion", auch als Mittel für Resilienz gegenüber dem Wandel und der Stabilisierung von Ressourcen.

Tenera-E-Book "Die Digitalisierung der Bauindustrie – Ausblick 2030" (pdf)

"Digitaler Kompass 2030" der EU-Kommission

Auch in der Europäischen Union (EU) soll es mit der Digitalisierung unter anderem der Baubranche vorwärts gehen. Am 9. März hat die EU-Kommission ihre Zielvorstellungen und  Vorgaben für den digitalen Wandel in Europa für die kommende Dekade vorgelegt.

Der sogenannte "Digitale Kompass" baut auf der Digitalstrategie der Kommission von Februar 2020 auf. Ein erklärtes Ziel: Bis 2030 sollen drei von vier Unternehmen Cloud-Computing-Dienste, "Big Data" und Künstliche Intelligenz nutzen. Rund 90 Prozent der kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) sollten zumindest eine grundlegende digitale Intensität erreicht und die Zahl der Startups soll sich verdoppelt haben.

Darauf wies der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA hin. Der Verband unterstützt die Intention der EU, ein innovationsfreundliches Umfeld zu schaffen. "Digitale Kompetenzen, eine leistungsfähige technische Infrastruktur und ein modernes rechtliches und administratives Umfeld sind für zunehmend wissensbasierte Volkswirtschaften überlebenswichtig", sagte  ZIA-Geschäftsführerin Aygül Özkan. Das gelte auch für Technologien wie KI oder Blockchain, die vom Planen und Bauen bis hin zur Gebäudebewirtschaftung innovative Ansätze lieferten, um Arbeitsprozesse effizienter und die Immobilienbranche nachhaltiger zu gestalten.


Das könnte Sie auch interessieren:

Nationales Zentrum "BIM Deutschland" nimmt Arbeit auf

Digitaler Zwilling: der Fixstern im Immobilienkosmos

Leben wir 2050 alle im nachhaltigen, kunststofffreien Haus?

DW-Digital: Ein Haus aus dem 3D-Drucker – eine Zukunftsvision hierzulande