BGH: Rechtsirrtum kann Mietminderung retten

Zahlt der Mieter in Kenntnis eines Mangels die vollständige Miete, verliert er sein Minderungsrecht nicht, wenn er davon ausgegangen ist, die Minderung hänge von der Zustimmung des Vermieters ab.

Hintergrund: Mieter zahlen trotz Mangel weiter

Im März 2013 meldeten die Mieter einer Wohnung einen regelmäßig wiederkehrenden fauligen Geruch in der Küche, zahlten allerdings weiterhin die volle Miete. Erst nach über zweieinhalb Jahren, im Dezember 2015, wurde der Mangel behoben.

Im Oktober 2015 sprachen die Mieter die Vermieterin in mehreren E-Mails auf eine Mietminderung an. So fragten sie, ob es für die Vermieterin in Ordnung sei, eine Minderung von 15 Prozent ab der Meldung der Geruchsbelästigung zu vereinbaren. Dies lehnte die Vermieterin ab. Daraufhin wiesen die Mieter darauf hin, dass die Mangelbeseitigung bisher erfolglos verlaufen sei und sie dazu tendierten, eine Mietminderung zu fordern.

Das Amtsgericht meinte, die Mieter könnten schon deshalb keine Miete zurückfordern, weil sie die volle Miete in Kenntnis des Mangels gezahlt hätten. Eine Rückforderung sei daher gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann eine Zahlung nicht zurückgefordert werden, wenn der Zahlende wusste, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein. Das Landgericht sah dies anders und hat einen Rückzahlungsanspruch nicht an § 814 BGB scheitern lassen. Die Mieter hätten nicht gewusst, dass sie die Miete aufgrund des Mangels nicht in voller Höhe schulden.

Entscheidung: Rechtsirrtum rettet Rückzahlungsanspruch

Der BGH teilt die Auffassung des Landgerichts.

Der immer wieder auftretende faulige Geruch in der Wohnung stellt einen Mangel dar, der eine Mietminderung von 10 Prozent zur Folge hat; diese tritt kraft Gesetzes ein. Eine Rückforderung der überzahlten Miete ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Mieter in Kenntnis des Mangels die volle Miete gezahlt haben. 

Die Rückforderung einer nicht geschuldeten Leistung ist nach § 814 BGB erst dann ausgeschlossen, wenn der Leistende nicht nur die Tatumstände kennt, aus denen sich ergibt, dass er nicht verpflichtet ist, sondern auch weiß, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet. Der Leistende muss also aus diesen Tatsachen eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben.

Hier wussten die Mieter nicht, dass sie schon allein aufgrund des Mangels die Miete nicht in voller Höhe schulden. Aus dem E-Mail-Verkehr geht vielmehr hervor, dass ihnen ein wesentlicher rechtlicher Aspekt nicht bewusst war, nämlich der Umstand, dass eine Mietminderung kraft Gesetzes eintritt, wenn ein Mangel vorliegt, der die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache mindert oder aufhebt und der dem Vermieter angezeigt worden ist. Den E-Mails lag damit die fehlerhafte Vorstellung zugrunde, eine Minderung sei nur möglich, wenn der Vermieter sein Einverständnis hierzu erklärt. Damit haben die Mieter nicht die für die positive Kenntnis der Nichtschuld im Sinne von § 814 BGB erforderlichen zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen.

(BGH, Beschluss v. 4.9.2018, VIII ZR 100/18)

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Schlagworte zum Thema:  Mietminderung, Mietrecht