
Die einzelnen Wohnungseigentümer können nicht durch Mehrheitsbeschluss verpflichtet werden, im Wechsel den Winterdienst zu leisten. Hierfür bedarf es einer Vereinbarung.
Hintergrund: Eigentümer verlangt Fremdvergabe von Winterdienst
Ein Wohnungseigentümer beantragte in einer Eigentümerversammlung im Oktober 2009, den Winterdienst für die straßenseitigen Gehwege und Stellplätze an eine Fachfirma zu vergeben. Bis dahin führten die Eigentümer den Winterdienst im wöchentlichen Wechsel selbst durch. Grundlage hierfür war ein Mehrheitsbeschluss, der zu einem früheren Zeitpunkt gefasst worden war.
Die übrigen Miteigentümer lehnten den Antrag, den Winterdienst an ein externes Unternehmen zu vergeben, ab. Hiergegen wendet sich der Eigentümer mit der Anfechtungsklage. Zugleich beantragt er, die anderen Eigentümer zu verurteilen, der Vergabe des Winterdienstes an ein Unternehmen zuzustimmen.
Entscheidung: Anspruch auf Fremdvergabe
Der BGH gibt der Klage statt. Der Eigentümer kann die Zustimmung der übrigen Miteigentümer zur Vergabe des Winterdienstes an einen Dritten verlangen.
Der zuvor gefasste Mehrheitsbeschluss, dass die Eigentümer den Winterdienst selbst im Wechsel ausführen, ist nichtig, weil es an der erforderlichen Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer fehlt.
Die Mehrheitsherrschaft innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft bedarf der Legitimation durch eine Kompetenzzuweisung, die sich entweder aus dem Gesetz oder aus einer Vereinbarung ergeben kann. Auch soweit eine Angelegenheit der Regelung durch Mehrheitsbeschluss zugänglich ist, umfasst dies nicht die Befugnis, dem einzelnen Wohnungseigentümer außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten Leistungspflichten aufzuerlegen. Fehlt die Beschlusskompetenz, ist ein dennoch gefasster Beschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig.
Danach können die Wohnungseigentümer zu einer turnusmäßigen Übernahme der Räum- und Streupflicht nicht durch Mehrheitsbeschluss verpflichtet werden.
Winterdienst geht über Hausordnung hinaus
Die Befugnis aus § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG, eine Hausordnung aufzustellen, berechtigt die Eigentümer nicht, Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Räum- und Streupflicht zu begründen. Soll die Erfüllung des Winterdienstes auf öffentlichen Gehwegen sichergestellt werden, dient dies nicht dem Zweck einer Hausordnung, weil die Pflicht insoweit nicht auf das Gemeinschaftseigentum bezogen ist; sie ist nur aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften von der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfüllen.
Aber auch die Räum- und Streupflicht hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums, etwa der Zuwegung, geht über eine Regelung des Zusammenlebens der Wohnungseigentümer hinaus, weil sie auch die Verkehrssicherungspflichten gegenüber Dritten betrifft.
Die Mehrheitsmacht kann schließlich auch nicht auf die Überlegung gestützt werden, dass die Wohnungseigentümer ohnehin verkehrssicherungspflichtig seien und die Hausordnung deshalb keine neuen Pflichten begründe. Denn die Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten muss jedenfalls in dem für die Beschlusskompetenz maßgeblichen Innenverhältnis der Wohnungseigentümer nicht der einzelne Eigentümer, sondern der Verband sicherstellen.
Da die Erfüllung der Räum- und Streupflicht im vorliegenden Fall nur durch eine externe Vergabe sichergestellt werden konnte, hat der BGH einen Anspruch auf Zustimmung hierzu bejaht.
(BGH, Urteil v. 9.3.2012, V ZR 161/11)
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Schlagworte zum Thema: Verkehrssicherungspflicht, Winterdienst, Eigentümergemeinschaft
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